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DGPFG-Rundbrief
2/2016 Nr. 52

Dezember 2016

Liebe Mitglieder der DGPFG,

haben Sie nicht auch das Gefühl, dass auf unserer Seele herumgeTRUMPelt wird?

Dass ein Populist einen faktenlosen Wahlkampf gewinnt, sollte uns mehr als nachdenklich stimmen. Die von der Globalisierung vorgegaukelte, aber selten mögliche „Verfügbarkeit“ eines sorgenfreien Lebens erzeugt Gier, Kränkung und am Ende ein Gefühl von Bedeutungslosigkeit. Dies ist der Nährboden für fast alle Zeitphänomene wie auch den Erfolg des Populismus.

Was können wir Psychosomatiker tun?

Der bekannte Freiburger Ethiker Giovanni Maio schreibt in seinem Buch, Medizin ohne Maß: „Das Glück liegt nicht in unserer Hand, sondern in unserer Einstellung.“ …und damit können wir insbesondere mit unseren Patientinnen immer wieder arbeiten. Die biopsychosozial begleitete Elternschaft ist kein Garant aber Voraussetzung für eine Entwicklung zum selbstbewussten, kohärenten Menschen, der weniger Anfälligkeit zeigt für Extremismus, welcher Art auch immer.

Aber auch die ganz allgemeine psychosomatische Begleitung von Frauen in Ihren Lebensübergängen von der Menarche bis zur Menopause und in ihren Krisenzeiten, sei es aus biologischen, psychischen oder sozialen Gründen, hat aus meiner Sicht protektive Effekte.

Indem wir eine ehrliche und ganzheitliche Medizin anbieten, welche sich nicht dem Diktat von Ökonomie und Organisation unterordnet, leisten wir viel für den „Seelenfrieden“ – auch den unseren.

In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie nach Lektüre unseres Rundbriefes auch zu dem Schluss kommen, dass wir in der DGPFG und im Verbund mit den kooperierenden Verbänden gute Arbeit leisten. Vorstand und Beirat sind fleißig und haben viel geschafft. Wir sind auf gutem Weg – sind zunehmend bedeutsam, versuchen klug und evident zu entscheiden und öffnen unsere Grenzen, und damit stehen wir auch politisch auf der aus meiner Sicht richtigen Seite. Ich hoffe, viele von Ihnen sehen das auch so.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich und in freudiger Erwartung auf ein Wiedersehen in Dresden

Dr. Wolf Lütje
Präsident der DGPFG

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Inhaltsverzeichnis

Seite 3
Einladung zur Mitgliederversammlung


Seite 4
Klausurtagung im September 2016


Seite 5
Gewalt gegen Frauen


Seite 6
Die neue Homepage


Seite 7
DGPFG-Kongress 2017


Seite 8
Nationales Zentrum Frühe Hilfen


Seite 9
Kooperationen – Informationen und Stand der Dinge


Seite 10
Das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland BKiD


Seite 10
Perspektiven der psychosozialen Kinderwunschberatung in Deutschland – Tagung in Hamburg


Seite 11
Initiative Klug entscheiden


Seite 12
Kongressberichte


Seite 12
61. Kongress der DGGG 2016


Seite 13
DGPFG-Sitzung zu Migrationsthemen auf der DGGG-Tagung 2016


Seite 14
23. Jahrestagung des AKF


Seite 15
Fachtag „Gelingende Geburtshilfe“


Seite 16
Studie: Deutschland hat weniger Sex


Seite 17
Buchtipps


Seite 17
Vertrauen in die natürliche Geburt


Seite 17
Schönheitsmedizin


Seite 18
Impressum

Artikel eines Beiratsmitgliedes Januar 2019

Artikel eines Beiratsmitgliedes – Januar 2019

Einfluss fertilitätsprotektiver Maßnahmen auf die Psyche junger Krebspatientinnen

Gekürzte Version des Artikels (erschienen 08/2018 in „ONKOLOGIE heute“, Mediengruppe Oberfranken Fachverlage GmbH & Co. KG)

A.Doster 1, S.Ditz, A.Germeyer
1 Universitätsfrauenklinik Heidelberg, Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Im Neuenheimer Feld 410, 69120 Heidelberg

Beinahe 10% der neu diagnostizierten Krebserkrankungen pro Jahr betreffen Frauen im reproduktiven Alter (1). Mit den stetig sich verbessernden Behandlungsoptionen und damit steigenden Überlebensraten, konfrontiert die Diagnose “Krebs” die junge Patientin auch mit den Auswirkungen der Therapie auf die physische und psychische Lebensqualität nach erfolgreicher Behandlung. So sind fast 25% der Überlebenden einer Krebserkrankung Frauen im reproduktiven Alter mit Kinderwunsch (1). Beeinflusst von multiplen Faktoren wie Alter der Patientin, deren reproduktive Anamnese, der Art der Tumorerkrankung und des Therapieregimes stehen jedoch eine verringerte ovarielle Reserve, die vorzeitige Menopause als ein Resultat gonadotoxischer Therapien oder gar die chirurgische Entfernung der für die Reproduktion notwendigen Organe dem Kinderwunsch Wunsch.

Bedeutung des Fertilitätserhalts

Das soziale, emotionale und sexuelle Wohlbefinden der Patientin wird durch den Wunsch nach einem eigenen Kind maßgeblich beeinflusst. So beschreiben nach einer Studie von Reh et al 2011, mehr als die Hälfte der befragten Patientinnen “ein Kind zu bekommen” als “das Wichtigste” in ihrem Leben. Der Verlust der Fertilität ist für 62% der Befragten eine der größten, wenn nicht die größte Sorge bei der Krebsbehandlung (2). Im Sinne eines “double hit”- Szenarios (3) wird der potentielle Verlust der Fertilität als beinahe ebenso belastend, wenn nicht noch belastender als die Diagnose an sich beschrieben (4) und geht einher mit massivem emotionalem Leid, Ängsten und mäßig bis schwerer depressiver Symptomatik. Vor allem junge, kinderlose Frauen sind von Depressionen betroffen (5).

Dies hat auch Auswirkungen auf die Wahl und die Dauer der Therapie. So konnten Ruddy et al 2014 zeigen, dass 0,6% der befragten jungen Patientinnen mit Brustkrebs aufgrund der Beeinträchtigung der Fertilität durch die Therapie sich gegen eine Chemotherapie entschieden, 1,9% ein Therapieregime bevorzugten, das weniger Auswirkungen auf die Fertilität hatte und 15,5% die endokrine Therapie entweder komplett verweigerten oder deutlich abkürzten (6). Umgekehrt wird die Möglichkeit nach erfolgreicher Tumorbehandlung Kinder bekommen zu können, da zuvor fertilitätserhaltende Maßnahmen durchgeführt wurden, als positive Unterstützung im Behandlungsprozess erlebt (7, 8). So beschreiben nach einer Studie von Treves et al 2014 78% der befragten Patientinnen, die Maßnahmen der Fertilitätsprotektion als “Lebensversicherung” sowie als Chance mit der Krebsdiagnose besser zurecht zukommen (4).

Die Bedeutung des Fertilitätserhalts ist daher unumstritten und in verschiedenen Guidelines und Stellungsnahmen auf internationaler Ebene (9, 10) verankert. In der deutschen S2k-Leitlinie “Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen” vom September 2017 heißt es dazu “Konzepte zum Erhalt der Fertilität und die Beratung darüber, müssen integraler Bestandteil onkologischer Behandlungen von Präpubertären oder Patienten/-innen im reproduktiven Alter sein. Dies vor dem Hintergrund, dass inzwischen gute, etablierte fertilitätsprotektive Techniken existieren..“ (11).

Inanspruchnahme der Beratung

Gemessen an den erfolgsversprechenden Methoden der Fertiptotektion und den Empfehlungen sowohl der onkologischen als auch der reproduktionsmedizinischen Fachgesellschaften, ist die Anzahl der Frauen, die hinsichtlich fertilitätsprotektiver Methoden beraten werden, klein. So zeigt beispielsweise eine Studie von 2013 aus Deutschland dass nur 60% der Patientinnen Fertilität mit Ihren Onkologen thematisieren (12). Die Anzahl der zu einem auf den Fertilitätserhalt spezialisierten Zentrum überwiesenen Patientinnen ist mit 20-47% noch etwas niedriger (12, 13).

Dabei scheint gerade diese Beratung und der Weg der Entscheidungsfindung maßgeblich zur späteren Zufriedenheit und Lebensqualität beizutragen.

Einflussfaktoren der Entscheidungsfindung

Viele psychosoziale Faktoren beeinflussen die Entscheidungsfindung hinsichtlich einer fertilitätserhaltenden Therapie. Die Patientinnen befinden sich in einer Ausnahmesituation, sind mit den ersten Coping-Strategien Ihrer Tumor-Diagnose beschäftigt (14). Sie machen sich Sorgen hinsichtlich Mortalität, Rezidivrate, gegebenenfalls Ergebnissen weiterführender Untersuchungen, beispielsweise genetischer Testung, dem Einfluss der onkologischen Therapie auf ihr Körperbild, zukünftige Sexualität, Partnerschaft (15). Ein Drittel der jungen Patientinnen leidet unter erheblichen Ängsten oder depressiver Symptomatik, 14% nehmen Antidepressiva (6, 16, 17). Die nun folgende Auseinandersetzung mit dem potentiellen Verlust ihrer Fertilität wird nicht selten als “double hit” erlebt (3). Faktoren, wie Zeitdruck bezüglich der Entscheidungsfindung sowie hinsichtlich des gegebenenfalls verzögerten Beginns der onkologischen Therapie und die nicht unerheblichen Kosten, die bisher meist von den Patientinnen selbst getragen werden müssen, können diese Angst- und Depressionssymptomatik zudem noch aggravieren (14, 18, 19). Weitere Einflussfaktoren wie ethische oder religiöse Bedenken der Patientinnen die Kryokonservierung von Eizellen oder zukünftigem Verwerfen von Embryonen betreffend, seien der Vollständigkeit halber erwähnt (14).

Die Bedeutung der interdisziplinären Beratung

In dieser komplexen psychosozialen Situation ist eine ausführliche Beratung, das Aufzeigen von Therapiekonsequenzen aus onkologischer Sicht, sowie das Aufzeigen individueller reproduktionsmedizinischer Möglichkeiten die notwendige Voraussetzung zur suffizienten Entscheidungsfindung. Nach Brehaut et al zeichnet sich eine “high quality” Entscheidung durch suffiziente Information der Patientin aus, mit genügend Respekt und Raum für deren individuellen Einstellungen und Erfahrungen (20). Das Resultat einer „low quality“ Entscheidung: das “Bereuen”, “Bedauern” der Entscheidung hinsichtlich fertiprotektiver Maßnahmen gilt als einer der Schlüsselfaktoren für die Lebensqualität der jungen Patientin nach erfolgreicher Tumortherapie (21). Die Wichtigkeit der ausführlichen und individuellen Beratung mündlich und schriftlich ist daher unumstritten. So konnten Letourneau et al 2012 zeigen, dass die Frauen, die sowohl durch einen Onkologen als auch einen Reproduktionsmediziner beraten wurden, ihre Entscheidung hinsichtlich fertilitätserhaltender Maßnahmen, nach erfolgter onkologischer Therapie weniger in Frage stellten. Ebenso zeigten diese Frauen eine höhere Zufriedenheit mit ihrem Leben (22). Auch nach Benedict et al reduzierte eine Beratung mit einem Reproduktionsmediziner das Bereuen der getroffenen Entscheidung (23). In beiden Studien waren die Patientinnen, die sich einer fertilitätserhaltenden Therapie unterzogen hatten, am zufriedensten und hatten eine höhere Lebensqualität (8, 22).

Neueste Studien unterstreichen erneut den Faktor “Qualität” dieser Entscheidungsfindung. So scheinen Patientinnen, die sich gegen eine fertilitätserhaltende Therapie entschieden, weniger Zeit und mehr Druck ausgegesetzt gewesen zu sein, sodass keine qualitativ hochwertige Entscheidung getroffen werden konnte (24, 25). Nach Melo et al 2018, sollten gerade Patientinnen, die sich gegen fertilitätsprotektive Maßnahmen entscheiden, die Chance einer Entscheiungsfindung gegeben werden, die ohne Druck erfolgt und genug Raum und Zeit für die Möglichkeit der Diskussion, Reflexion eigener Werte und Einstellungen bietet (25). Dass dies im klinischen Alltag nicht in allen Situationen zu bewerkstelligen ist, versteht sich von selbst. Dennoch sollte im Hinblick auf die zukünftige Lebensqualität der Patientinnen ein enger Austausch zwischen Onkologie und Reproduktionsmedizin erfolgen, mit dem frühzeitigen Vorstellen im reproduktionsmedizinischen Zentrum. Ebenso könnte das zusätzliche Einbinden von Psychologen den Prozess des Copings mit der Diagnose und der Entscheidungsfindung hinsichtlich fertilitätsprotektiver Maßnahmen positiv unterstützen (15, 25). So könnten sowohl die fertilitätsprotektiven Maßnahmen an sich als auch schon der Prozess der Entscheidungsfindung vielleicht öfter, wie in einer Studie von Garvelink beschrieben, den Patientinnen “Hoffnung”, “einen Grund zu leben” und ein “gutes Gefühl” vermitteln und damit auch den Coping- und onkologischen Therapieprozess positiv begleiten und unterstützen (4, 8, 26).

Ein ausführliches Literaturverzeichnis kann bei A.Doster erfragt werden.

Dr. med. Anne Doster
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe
Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen
Universitätsfrauenklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 410, 69120 Heidelberg
Anne.Doster@med.uni-heidelberg.de 

Zu den Kontaktdaten

Dr. med. Anne Doster, Heidelberg

Artikel des Monats Januar 2019

Artikel des Monats Januar 2019

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Rahel Klatte.

Psychotherapie: Wirksam oder nicht? Psychother Psych Med 2019; 69: 5

Annika Simon.

Psychotherapieforschung: Wie wichtig ist die Einsicht für den Behandlungserfolg? Psychother Psych Med 2019; 69: 6

 

Klatte und A. Simon befassen sich in ihren jeweils kurzen Artikeln mit der allgemeinen Wirksamkeit von Psychotherapie bzw. diese beeinflussenden Kriterien. Beide fassen 2018 erschienene Übersichtsarbeiten zusammen, um daraus ein Fazit zu ziehen. Klatte beschäftigt sich mit widersprüchlichen Aussagen zur Wirksamkeit der Psychotherapie, die auf der Basis einer Metaanalyse von Cuijpers et al. bzw. Munder et al. 2018 publiziert wurden und auf den gleichen Daten beruhten. Während Cuijpers et al. aus ihrer Datenanalyse schlussfolgerten, dass es keine ausreichende Evidenz für die Wirksamkeit von Psychotherapie gebe, kommen Munder et al. zu einem anderen Ergebnis. Sie hinterfragen einige methodische Entscheidungen im Prozess der Metaanalyse von Cuijpers er al. und kritisieren unter anderem die Wahl der Kontrollgruppen sowie die Definition von Psychotherapie. Interessant ist aber vor allem der „Vorwurf“, der darauf zielt, dass Cuijpers et al. festgestellt hatten, dass Effekte von Psychotherapie in nicht-westlichen Studien größer sind und diese daher aus ihrer Analyse ausschlossen. Munder et al. kritisieren nun, dass keine transparente Definition der Einteilung in westliche versus nicht-westliche Studien dargelegt wurde und zeigen, dass die Unterschiede vor allen Dingen auf sog. Ausreißer zurückzuführen sind. Nach dem Ausschluss dieser „Ausreißern“, der Korrektur für Publikationsverzerrungen, der Beschränkung auf Psychotherapiestudien im engeren Sinne und der Begrenzung der eingeschlossenen Population auf Erwachsene mit diagnostizierter Depression für die Re-Analyse der Daten stellen Munder et al. fest, dass es einen eindeutigen Effekt von Psychotherapie verglichen mit „Wartelisten-Patienten“ gibt.

Simon beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Welche Mechanismen bestimmen den Erfolg einer Psychotherapie, wie kann man diese objektivieren, welche messbaren Effekte lassen sich feststellen? Sie befasst sich mit dem möglichen Einflussfaktor „Einsicht der Patientinnen und Patienten“. Hierzu fasst sie eine Übersichtsarbeit und Metaanalyse von Jennissen et al., die 2018 veröffentlicht wurde, zusammen. Deren Literaturrecherche identifizierte zunächst fast 14.000 Studien, von denen 22 die von der Autorengruppe festgelegten Einschlusskriterien erfüllten. Diese Studien umfassten insgesamt etwas über 1.100 Patientinnen und Patienten. Zur Objektivierung der „Einflussgröße Einsicht“ kam eine Reihe unterschiedlicher Messinstrumente zum Einsatz, ebenso für die Messung des Behandlungserfolgs. Am häufigsten wurden die Symptomschwere und deren Veränderung herangezogen. Die Heterogenität der Effektgrößen beim Vergleich zwischen den gefundenen Studien war sehr groß, was die Gruppe um Jennissen auf die Verwendung verschiedener Maße für die Patienteneinsicht zurückführte. Simon fasst zusammen: „Einsicht auf Seiten des Patienten weist einen bedeutenden Zusammenhang mit dem Behandlungserfolg einer Psychotherapie auf. [… ] Der Zusammenhang deutet jedoch darauf hin, dass ein Zugewinn an Verständnis für eigene maladaptive Beziehungsmuster Patienten dabei helfen könnte, ein Gefühl der Bewältigbarkeit und Ideen für neue Verhaltensmöglichkeiten zu entwickeln…“.

(M. David)

Prof. Dr. med. Matthias David

Neues Heft im Mabuse-Verlag mit Schwerpunkt Sexualität

  • 8. Januar 2019
  • News

Dr. med. Mabuse Nr. 237 (1/2019)

Schwerpunkt: Sexualität

Im aktuellen Heft des Mabuse-Verlages sind gleich drei Beiträge von Mitgliedern unserer Gesellschaft vertreten.

Im Schwerpunkt:

  • Von Lust bis Leiden. Begegnung mit Sexualität in Gynäkologie und Gynäkologischer Psychosomatik (Sophia Holthausen-Markou) • Auklärung heute. Sexualpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Maren Langer) • Aktion „Roter Stöckelschuh“. Ein Willkommenssignal für Sexarbeiterinnen in der gynäkologischen Praxis (Claudia Schumann)Keine Lust?! Ursachen von Lustlosigkeit und Hilfe durch Sexualberatung (Ruth Gnirss-Bormet) • Homosexualität im Pflegeheim. Bedarfe lesbischer Frauen und schwuler Männer (Heiko Gerlach und Markus Schupp) • Immer ein Notfall. Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung (Silvia Lenz) • Sexualität. Bücher zum Weiterlesen

Außerdem:

  • Falsche Reparaturen. DIMDI streicht pflegerische Therapieeinheiten im OPS-Katalog 2019 (Dorothea Sauter) • Ein Recht auf gute Pflege. Paritätischer Pflegekongress 2018 (Franca Zimmermann) • Zu viele Bestnoten. Neues Bewertungssystem soll Realität in Pflegeheimen besser abbilden (Wolfgang Wagner) • Das gesundheitspolitische Lexikon: WHO Patient Safety Curriculum Guide (Michael Rosentreter) • Risiken deutlicher kommunizieren. Arzneimittelinformation zur „Pille“ erweitert (Gerd Glaeske) • Das Ziel verfehlt. Anmerkungen zur Ausbildungsreform der Pflegeberufe (Gerd Dielmann) • Die eigene Identität bewahren. Kleidung, Sexualität und Körperlichkeit in der Pflege (Christoph Müller und Thomas Holtbernd) • Transsexualität und Inklusion. Krankenkassen müssen auf die neue Behandlungsleitlinie reagieren (Oliver Tolmein) • Neue Wunderwaffe für Bewegungsmuffel? Möglichkeiten und Grenzen von Sport-Apps (Viviane Scherenberg und Katharina Liegmann) • Gesundheitsexperten von morgen: „Lea wird operiert“. Entwicklung einer Informationsbroschüre für Kinder (Sarah Plum) • Besser reich und gesund als arm und krank (Angelika Zegelin)

 

 

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DGPFG-Rundbrief 2/2018 Nr. 56

DGPFG-Rundbrief
2/2018 Nr. 56

Dezember 2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ein DGPFG-Jahr wie jedes andere? Für mich sicher nicht. Die auch in Großstädten zunehmende Personalnot der Frauenkliniken hat mir persönlich viel abverlangt. Dem Vorstand, insbesondere Claudia Schumann, sei gedankt, dass Routine und Besonderes in unserer Arbeit dennoch ausreichend gewürdigt wurden.

Der Rundbrief bringt Sie auf den neuesten Stand. Wir blicken auf ein erfolgreiches Kongressjahr, anhaltende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, zahlreiche, mitunter sogar nachhaltig gelebte, Kooperationen und intensive Leitlinienarbeit.

Bei Fort- und Weiterbildungen als auch Wissenschaft halten sich Gelungenes und Misslungenes die Waage und verlangen große Aufmerksamkeit. So wollen wir uns verstärkt um Nachwuchs bemühen, uns bei der Entwicklung eines Weiterbildungscurriculums für Sexualmedizin einbringen und auch bei der Ausbildung in psychosomatischer Grundversorgung wieder größeren Einfluss gewinnen.

In 2019 sehen wir uns hoffentlich alle in München auf unserer 48. Jahrestagung, ggf. auch auf dem ISPOG-Kongress in Den Haag, den wir mit ausrichten.

Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie die psychosoziale Sicht und Lebensweise umsetzen und anwenden können – für mich neben dem beruflichen Handwerk die Essenz für große Zufriedenheit und Freude.

So beSINNe ich mich eben täglich – nicht nur zur anstehenden Jahreszeit, für die ich Ihnen viele Momente des Innehaltens wünsche.

Ihr

Dr. Wolf Lütje
Präsident der DGPFG

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Inhalt

  • Einladung zur Mitgliedervesammlung2019
  • Beratung von Vorstand und Beirat
  • Änderung der Beitragsordnung
  • Vorschau DGPFG-Kongress 2020
  • Die DGPFG bezieht Stellung
  • Kurse Sexualmedizinische Grundversorgung
  • Interdisziplinäres Forum der DGPFG
  • Projekt vorgestellt
  • Neues aus der BZgA
  • AKF: Gegen den §219
  • Informiert verhüten
  • Jahrestagung der Gynäkologinnen im AKF
  • Kooperation von Hebammen und FrauenärztInnen in der Mutterschaftsvorsorge
  • AG GUP: Verordnungshilfe für Ärzte
  • VPK: Zusatzweiterbildung (ZWB) Psychotherapie und Psychoanalyse
  • DSTIG: Förderung der sexuellen Gesundheit
  • DHV: Schwerpunkte des DHV 2019

Artikel des Monats Dezember 2018

Artikel des Monats Dezember 2018

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Peer Briken, Silja Matthiessen.

Sex-Survey-Forschung in Deutschland.

Zeitschrift für Sexualforschung 2018, 31: 215 – 217

Bei jeder gynäkologischen Konsultation in der Praxis und bei jedem stationären Aufenthalt in einer Frauenklinik werden ausgesprochen oder unausgesprochen Fragen der Sexualität der Patientin berührt. Daher soll hier auf erste Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zur Sexualität eingegangen werden, die Daten zum sexuellen Verhalten von Männern und Frauen in Deutschland erhoben hat. In einem Schwerpunktheft der „Zeitschrift für Sexualforschung“ wird diese Pilotstudie ausführlich vorgestellt. In dem Editorial dieses Heftes betonen Briken und Matthiesen (2018), dass seit dem legendären Kinsey-Report in den späten 1950/frühen 1960er Jahren keine umfassenden und repräsentativen Daten zur Sexualität in Deutschland erfasst wurden. Anders als in vielen anderen Ländern Europas und der sonstigen westlichen Welt liegen Indikatoren zur „sexuellen Gesundheit“ für Deutschland nicht vor, wie die Autoren betonen. Sie erwähnen auch nochmals die (umfassende und besondere) Definition der WHO für „Sexuelle Gesundheit“, die demnach als „…untrennbar mit Gesundheit insgesamt, mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden…“ und als „…Zustand des körperlichen, emotionalen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf die Sexualität und nicht nur das Fehlen von Krankheit, Funktionsstörungen oder Gebrechen…“ verstanden wird.

Die „Pilotstudie zur Sexualität Erwachsener in Deutschland“ wurde vom „Hamburger Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie“ durchgeführt und sollte zwei Fragen beantworten: (1.) Ist eine detaillierte Befragung zur Sexualität, den sexuellen Verhaltensweisen und Praktiken, Einstellungen und Beziehungen der Deutschen im Alter von 18 bis 75 Jahren überhaupt machbar? (2.) Welches ist das bessere Erhebungsinstrument dafür:  Face-to-face-Interviews oder postalisch versandte Fragebögen (Methodenvergleich in Vorbereitung der Hauptstudie)?

Die Autoren des Editorials betonen, dass es kleinere Untersuchungen zur Sexualität in Deutschland natürlich auch in den letzten Jahrzehnten gegeben habe. Hierzu wären u.a. die empirischen Untersuchungen zur „Studenten-Sexualität“ von Giese und Schmidt, publiziert 1968, und spätere Untersuchungen von Schmidt und Sigusch zur „Arbeiter-Sexualität“ (1971) und weitere, in der Tradition des „Hamburger Instituts für Sexualforschung“ durchgeführte Studien zu erwähnen sowie Untersuchungen der „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“.

Vergessen oder ausgeblendet werden hingegen die Untersuchungen zur Sexualität in der DDR, die im Editorial erwähnte Forschungstraditionslinie bezieht sich offenbar ausschließlich auf „West-“Deutschland bzw. die ehemalige BRD vor 1989.

Die Pilotstudie kam zu ersten interessanten Ergebnissen. Die Kritik daran bezog sich vor allem auf die problematische Teilnahmequote der Pilotstudie – für die postversandten Fragebögen betrug sie 9 %, bei den Face-to-face-Interviews 18 %. Die Forscherinnen und Forscher mussten die Erfahrung machen, dass es sehr viel schwerer ist als noch vor einigen Jahren, Menschen zur Teilnahme an einer solchen Sexualitätsbefragung zu gewinnen. Aus der niedrigen Teilnahmequote ergibt sich natürlich eine deutliche Einschränkung der Aussagekraft dieser ersten Daten.

Geplant ist bei der seit dem Herbst 2018 laufenden Hauptstudie „Gesundheit und Sexualität in Deutschland“, etwa 5000 Frauen und Männer zu befragen. Obwohl, wie die Autoren schreiben, „die Menschen … angesichts der Vielzahl von Befragungen müde und wohl oftmals auch skeptisch in Fragen des Datenschutzes“ sind, werden Bevölkerungsdaten gebraucht, um valide Daten zu sexuellen Praktiken, Einstellung zur Sexualität, sexuellen Funktionsstörungen aber auch Wissen über sexuell übertragbare Infektionen, um daraus aus Schlussfolgerungen für die Prävention wie auch für die (gynäkologische) Praxis zu ziehen.

Man darf auf die dann wohl 2020 vorliegenden Daten gespannt sein.

 

(M. David)

Prof. Dr. med. Matthias David

Stellungnahme der DGPFG zur Einführung der Nichtinvasiven Pränataldiagnostik als Kassenleistung

DGPFG Logo

Stellungnahme

„WAS WOLLEN SIE VON IHREM KIND WISSEN?“

Dresden, November 2018.

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) aus Anlass der parlamentarischen Diskussion
über die Einführung der Nichtinvasiven Pränataldiagnostik (NIPD) als Kassenleistung

Die Übernahme der NIPD in die Mutterschaftsrichtlinien wird in der DGPFG kritisch diskutiert.
Nach Ansicht der DGPFG dient das Wissen, das durch die NIPD gewonnen wird, nicht oder nur bedingt dem Wohl des einzelnen Ungeborenen und dem Wohl der werdenden Mutter. Frauenärzten und Frauenärztinnen kommt bei der Beratung zu Pränataldiagnostik eine besondere Aufgabe zu: Sie sollen bei spürbar vorhandenem gesellschaftlichen Druck Frauen darin unterstützen, selbstbestimmt  Entscheidungen zu treffen. Das erscheint  kaum möglich. Es besteht ein Dilemma zwischen gesellschaftlicher Erwartung und individuell erlebter Realität. Das kann verstärkt werden durch eine Kostenübernahme der Krankenkassen, die aus Gründen der Gerechtigkeit und der Selbstbestimmung dennoch geboten scheint. Für den Umgang mit der NIPD bedarf es einer gesellschaftlichen Besinnung.

Das Angebot der Pränataldiagnostik im gesellschaftlichen Kontext
Eng verbunden mit  der möglichen Anerkennung der NIPD als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen ist der gesellschaftliche Umgang mit Behinderung und Anders-Sein. Wir erleben derzeit eine Diskrepanz:  Auf der einen Seite gibt es die  geforderte und geförderte Inklusion von Menschen mit Behinderung, auf der anderen Seite das Angebot der Medizin, durch immer speziellere Angebote der Pränataldiagnostik eine (chromosomal bedingte) „Abweichung“ möglichst früh in der Schwangerschaft zu erkennen. Die NIPD ist nur der Endpunkt einer langjährigen Entwicklung. Dieses Angebot ist unausgesprochen verbunden  mit der Perspektive, die Geburt der Betroffenen zu verhindern: Mehr als 90% der Schwangeren, die erfahren, dass ihr ungeborenes Kind eine Trisomie 21 hat, entscheiden sich für einen Abbruch der Schwangerschaft. Der Widerspruch  zwischen öffentlich propagierter Inklusion und  individuell möglicher Selektion wird nicht benannt, im Gegenteil: Er wird weitgehend verschleiert. Was als Angebot der Selbstbestimmung deklariert wird, erleben viele Schwangere als gesellschaftlichen Druck. Die individuelle Lösung der mit dieser doppelten Botschaft verbundenen Problematik während der Schwangerschaft kann eine Überforderung von Frauen und ihren beratenden Ärzten/Ärztinnen darstellen.
Die DGPFG begrüßt, dass die Diskussion um die Frage der Kostenübernahme derNIPD auch im parlamentarischen Rahmen erörtert wird. Denn es geht um mehr als um eine medizinische Methoden-Diskussion, es geht um grundsätzliche ethische Problemstellungen.  Dazu gehören die Selbstbestimmung der Schwangeren, der Schutz des Ungeborenen, der gesellschaftliche Umgang mit dem „Anders-Sein“ und ein gerechter  Zugang zur gesundheitlichen Versorgung. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch, sondern letztlich um ein Abwägen von moralischen Werten.

Die Aufgabe von Frauenärzten und Frauenärztinnen im Kontext von Pränataldiagnostik
Frauenärztinnen und Frauenärzten fällt beim Thema Pränataldiagnostik eine besondere Rolle zu. Die gynäkologische Praxis ist  für die Schwangeren/ die werdenden Eltern meist die erste und für viele auch die wichtigste Anlaufstelle. Hier erwarten sie Information und zusätzlich Unterstützung bei der Entscheidungsfindung. Das ist sehr umfassend: Das Spektrum der möglichen vorgeburtlichen Diagnosen reicht von unterschiedlich ausgeprägten körperlichen Entwicklungsstörungen und Erkrankungen  bis zu irreversiblen genetisch festgelegten  Besonderheiten, das Spektrum der möglichen Konsequenzen reicht von Besserung bzw. Heilung bis hin zu der Entscheidung, eine Schwangerschaft abzubrechen.  Eine wirklich umfassende Beratung mit allen möglichen Konsequenzen ist nicht nur sehr zeitaufwändig sondern auch belastend, für alle Beteiligten. Sie reißt die Schwangere notgedrungen aus der „Zeit der guten Hoffnung“.  Eine wirklich autonome Entscheidung, noch dazu unter Zeitdruck und im oben geschilderten gesellschaftlichen Kontext, ist oft kaum zu erreichen.
Pränataldiagnostik ist immer mit Sorge, zum Glück häufig mit Entlastung, nicht selten aber auch mit  Belastung verbunden. Die Beratung verlangt neben dem medizinischen Wissen  eine besonders hohe Kompetenz in Kommunikation. Ziel ist die selbstverantwortliche Entscheidung der Frau auf der Basis von gemeinsamen Überlegungen, ein sogenanntes Shared Decision Making (SDH).
Die DGPFG versammelt als weltweit größter Fachverband der psychosomatischen Frauenheilkunde mehr als 700 Frauenärzte und –ärztinnen,  die sich einer im besten Sinne ganzheitlichen, d.h. körperlichen wie seelischen Betreuung besonders verpflichtet fühlen. Die DGPFG hat von Beginn an die Einführung der NIPD kritisch begleitet und auf die möglichen Konsequenzen hingewiesen (s.Stellungnahme zu NIPD/ Dez. 2013).

Aspekte der NIPD
Die medizinischen Grundlagen und Aussagemöglichkeiten der NIPD setzen wir als bekannt voraus.
Weithin unbestritten ist, dass mit Hilfe dieser Methode höchstwahrscheinlich eine Anzahl von bislang  iatrogen (ärztlich) verursachten Fehlgeburten verhindert werden kann, die der derzeit üblichen Fruchtwasserentnahme anzulasten sind. Aus diesem Blickwinkel  hat die NIPD medizinische Vorteile, und  Frauen müssen über die neue Methode informiert werden. Sie sollten selbst entscheiden können, ob sie die NIPD in Anspruch nehmen wollen um etwas über die genetische Ausstattung ihres Ungeborenen zu erfahren.  Diese Entscheidung sollte nicht an die persönlichen finanziellen Möglichkeiten gebunden sein. Alles zusammen sind das klare  Argumente für die Übernahme der Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen.
Allerdings ist dabei zu bedenken: Die NIPD ist keine übliche Methode der Früherkennung. Sie dient nicht dem Wohl des individuellen Ungeborenen und nur sehr bedingt dem Wohl der werdenden Mutter. Damit ist gemeint:  Die Information über einen „normalen“ Chromosomensatz kann zwar manche Schwangere entlasten, aber die Information  „Trisomie“  führt zu enormer Belastung. Fast alle Schwangeren entscheiden sich für einen Abbruch der Schwangerschaft, aus Angst vor der erwarteten und gefürchteten Belastung.  Das ist nicht der einzelnen Frau oder der frauenärztlichen Beratung anzulasten, sondern hat vor allem mit dem gesellschaftlichen Umfeld zu tun. Solange Sätze üblich sind wie: „Willst Du Dir das wirklich antun?“ ist es enorm schwierig, eine Entscheidung für ein Kind mit einer Chromosomenauffälligkeit zu treffen. Die Entscheidung gegen das Kind ist ein Tabu: Der Abbruch wegen Trisomie wird von den meisten Familien geheim gehalten, was zu einer weiteren Belastung führt.

NIPD als Kassenleistung – was ist zu fordern?
Es ist nach Mitteilungen aus dem GKV-Spitzenverband damit zu rechnen, dass die NIPD demnächst  als Kassenleistung aufgenommen wird, zumindest bei Risikoschwangeren.  Die DGPFG akzeptiert das, warnt aber vor einer umstandslosen Aufnahme der NIPD in den Leistungskatalog der Mutterschaftsrichtlinien.

Die DGPFG fordert:

  • eine professionelle umfassende und offene Beratung, für die es der Kompetenz, der Zeit und der Honorierung bedarf.  Jede Schwangere sollte vor jeder Form der Pränataldiagnostik, speziell aber vor der NIPD gefragt werden: „Was wollen Sie von Ihrem Kind wissen?“  Zusammen mit dem Angebot der NIPD muss in der Beratung eindeutig darauf hingewiesen werden, dass die Diagnose einer Chromosomenveränderung nicht mit der Möglichkeit einer Therapie verbunden ist. Die Schwangere sollte wissen, dass sie eventuell vor schwerwiegende Entscheidungen gestellt wird bis hin zu einem Abbruch der Schwangerschaft. Sie sollte erfahren, dass jede ihrer Entscheidungen – für oder gegen NIPD, für Austragen oder Abbruch einer Schwangerschaft – akzeptiert und sie in jedem Fall bestmöglich unterstützt wird.
  • eine fortwährende gesellschaftliche Wertedebatte, eine Diskussion um die Bedeutung von Behinderung und den Umgang damit, unter Einbeziehung aller.  So betonen zum Beispiel Eltern von Kindern mit Trisomie zu Recht: „Mein Kind leidet nicht an einer Trisomie – es hat eine Trisomie.“ Sie berichten von einem ganz speziellen, oft nicht einfachen und dennoch sehr guten Leben. Werdende Eltern müssen darauf vertrauen können, dass sie eine besondere Unterstützung erfahren und ihnen zur Geburt ihres besonderen Kindes gratuliert wird,  statt hören zu müssen: „Hat man das denn nicht vorher sehen können?!“  – eine Frage, die die Problemlösung fälschlich auf die frauenärztliche  Praxis und die einzelne Frau fixiert.  Das darf nicht sein!

Für den Vorstand der DGPFG:
Dr.med.Claudia Schumann
Frauenärztin / Psychotherapie
Vizepräsidentin DGPFG

Stellungnahme zum Download

Ansprechpartnerin für die Presse

Dr. med. Claudia Schumann
Mitglied des Beirates der DGPFG
Claudiaschumann@t-online.de
M +49 170 7322580

 

Slide DGPFG-Stellungnahme aus Anlass der parlamentarischen Diskussion über die Einführung der Nichtinvasiven Pränataldiagnostik (NIPD) als Kassenleistung

Artikel des Monats November 2018

Artikel des Monats November 2018

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Nia Holford, Sue Channon, Jessica Heron, Ian Jones

The impact of postpartum psychosis on partners

BMC Pregnancy and Childbirth (2018) 18:414

In dem Artikel wird eine qualitative Studie zur Situation der Partner bei postpartaler Psychose vorgestellt. Die Autoren wollen damit eine Forschungslücke beleuchten, da bislang in der Regel nur die Situation der von der postpartalen Psychose betroffenen Frauen betrachtet wurde. Unklar war bisher einerseits wie die Partner die Psychose erleben als auch andererseits, inwieweit sie die erkrankten Frauen unterstützen können.

Die postpartale Psychose ist eine schwere psychiatrische Erkrankung, die eigentlich einen psychiatrischen Notfall darstellt. Sie tritt etwa bei 1 bis 2 pro 1000 Geburten auf, meistens in den ersten zwei Wochen nach der Entbindung. Typischerweise ist der Beginn plötzlich, unerwartet und schwer.

Im Rahmen der Studie wurden in semistrukturierten Interviews 8 betroffene Männer zu ihren Erfahrungen der postpartalen Psychose befragt. Die Auswertung der Interviews erfolgte mit der Methode der interpretativen phänomenologischen Analyse. Aus den transkribierten Interviews wurden sieben Hauptthemen extrahiert. Diese umfassten Verlust, Machtlosigkeit, gemeinsames sowie individuelles Coping, Annahme und Nachsicht; Barrieren zur Versorgung und nicht erfüllte Bedürfnisse; das Managen von multiplen Rollenanforderungen und positive Veränderungen, ausgelöst durch die postpartale Psychose, wie zum Beispiel eine engere Bindung zu ihrem Kind als sie selber erwartet hatten oder aber eine stärkere Zuwendung zur Familie, da sie eine größere versorgende Funktion in der Familie übernehmen mussten als eigentlich geplant war.. Einige dieser Themenbereiche decken sich mit den Forschungsergebnissen zu Frauen mit postpartaler Psychose.

Die Auswertung zeigt das breite Spektrum an Erfahrungen, ausgelöst durch die postpartale Psychose, unter anderem finden sich auch bisher nicht betrachtete Auswirkungen wie erhöhte Wachsamkeit in Bezug auf Rückfälle und positive Veränderungen im Beziehungsgefüge. Durch die Studie können nun auch die Bereiche deutlicher benannt werden, die einer verstärkten Aufmerksamkeit der Behandelnden bedürfen und zu identifizieren, wo vermehrter Unterstützungsbedarf erforderlich ist. Ganz grundsätzlich scheint auch die Diagnosestellung bei den betroffenen Frauen schwierig gewesen zu sein, so dass der Eindruck entsteht, dass ärztlicherseits das Krankheitsbild immer noch zu wenig im Bewusstsein ist.

Aus meiner Sicht handelt es sich um eine interessante Arbeit, die versucht, sich an das schwierige Krankheitsbild der postpartalen Psychose aus der Perspektive der betroffenen Partner anzunähern, die bisher wenig beachtet wurde, und damit einen Beitrag zu einer bestehenden Forschungslücke zu schließen.

Friederike Siedentopf, November 2018

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

Professor Heribert Kentenich, DGPFG-Ehrenmitglied, mit Georg-Klemperer-Ehrenmedaille geehrt

  • 11. Oktober 2018
  • News

Professor Heribert Kentenich, DGPFG-Ehrenmitglied, wurde am 21. September 2018 mit der Georg-Klemperer-Ehrenmedaille geehrt, einer Auszeichnung der Ärztekammer Berlin

Das DGPFG-Ehrenmitglied der DGPFG, Professor Heribert Kentenich, wurde am 21. September 2018 mit der Georg-Klemperer-Ehrenmedaille, einer Auszeichnung der Ärztekammer Berlin für besondere Verdienste in der Patientenversorgung Berlins und ein herausragendes Engagement für das Ansehen der Ärzteschaft, geehrt.

In der Laudatio der Vizepräsidentin der Berliner Ärztekammer, Dr. Regine Held, hieß es u.a. (https://www.aerztekammer-berlin.de/50ueberUns/50_Auszeichnungen/04_Klemperermedaille/index.html): „Professor Dr. med. Heribert Kentenich wurde 1946 im nordrhein-westfälischen Bergheim geboren und ist in Bergisch-Gladbach aufgewachsen. Mitte der 1960er Jahre kam er nach Berlin und studierte Medizin an der Freien Universität Berlin. Dort prägte ihn vor allem die Studentenbewegung, in der er sich aktiv engagierte. So regte der paternalistische Führungsstil vieler Chefärzte ihn und seine Kommilitonen zum Nachdenken und -forschen an. Die Tatsache, dass viele Hochschullehrer bereits während des Nationalsozialismus tätig gewesen waren und die Erkenntnis, dass dies nicht nur in Bezug auf die Vergangenheit relevant ist, sondern auch in die Gegenwart hinein wirkt, führte unter anderem dazu, dass Kentenich Aktivitäten wie die Veröffentlichung des Buches „Medizin und Nationalsozialismus. Tabuisierte Vergangenheit – ungebrochene Tradition?“ unterstützte. Nach dem Abschluss seines Studiums und dem Erhalt der Approbation 1975 ging Kentenich Ende der 1970er Jahre ans Evangelische Waldkrankenhaus Spandau. Dort sammelte er erste Erfahrungen im Bereich der damals noch eher jungen, unbeachteten „alternativen Geburtsmedizin“ und promovierte 1983 unter Prof. Dr. Manfred Stauber mit einer Arbeit zum Thema „‘Natürliche Geburt‘ in der Klinik. Zum Verhalten von Frauen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett“. Im Jahr 1984 wechselte er ganz zu Stauber an die Universitäts-Frauenklinik in der Charlottenburger Pulsstraße, wo sie in den Folgejahren die Reproduktionsmedizin aufbauten. Dabei sahen Kentenich und seine Kollegen nicht nur das Neue, das „Retortenbaby“, sondern auch die Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung. Diese stellten sie schon damals in einen umfassenderen Kontext und prüften, wie sich die Entwicklung sowohl unter ethischen als auch unter psychosozialen Aspekten vorantreiben ließ und welche Grenzen es zu beachten galt. Mitte der 1990er Jahre wurde Heribert Kentenich Chefarzt der Frauenklinik in Westend, an der er ebenfalls die Reproduktionsmedizin ausbaute und außerdem eine besonders ausgerichtete Geburtsmedizin etablierte. Heute gängige Ansätze wie beispielsweise freundliche, farbenfrohe Geburtsräume statt kalter Kreißsäle oder sogenanntes „Bonding“ nach der Geburt gehörten für den damaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe zum Arbeitsalltag. Für Kentenich war die ganzheitliche, psychosomatische Betrachtungsweise maßgeblich und er forderte von seinen Mitarbeitern, dass diese bei jedem Patientenkontakt angewendet wird. Um seine Ideen und Arbeitsschwerpunkte nicht nur praktisch, sondern auch politisch vorantreiben zu können, engagierte und engagiert er sich seit vielen Jahren in verschiedenen Gremien, wissenschaftlichen Einrichtungen und Fachgesellschaften.

Gyne 06/2018 – Pränataldiagnostik heute: Herausforderung und Grenzen der psychosomatischen Betreuung

  • 11. Oktober 2018
  • Gyne

Gyne 06/2018

Pränataldiagnostik heute:
Herausforderung und Grenzen der
psychosomatischen Betreuung

Autorin: Dr. Claudia Schumann

 

Immer ausgefeiltere Methoden erlauben immer detailliertere Aussagen über das Ungeborene – zu seinem Wohlergehen, aber auch zu Fehlbildungen und Chromosomenabweichungen. Das birgt Chancen, aber auch Risiken und stellt Eltern wie Betreuende vor besondere Herausforderungen. Es geht um medizinische Informationen, aber vor allem um den Umgang damit: Denn das Wissen hat unterschiedliche Konsequenzen! Damit komplizieren sich die Aufgaben für die psychosomatische Schwangerschaftsbetreuung in der Praxis.

Was ist eigentlich Pränataldiagnostik?

Seit es Schwangerschaft gibt, gibt es auch Pränataldiagnostik: Das Betrachten und Abtasten des wachsenden Bauchs, das Spüren der kindlichen Bewegungen, Fragen an die Mutter nach ihrem Befinden – das alles sind uralte vorgeburtliche (pränatale) Untersuchungen (Diagnostik) mit dem Ziel, mehr über das Ungeborene zu wissen. Wächst es gut? Wann wird es kommen? Wie liegt es? Geht alles gut oder stimmt etwas nicht? Die Fragen haben sich nicht geändert. Aber die Methoden. Lange konnte man nur von außen beobachten, wie eine Frau „guter Hoffnung“ war. Man bekam keine Informationen direkt über das Ungeborene, das im Mutterleib heranwuchs.

Das änderte sich erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts. 1819, vor knapp 200 Jahren, wurden zum ersten Mal die kindlichen Herztöne mit einem Stethoskop gehört. 1895 wurde schließlich von Pinard das heute gebräuchliche Hörrohr entwickelt. So ahnte man, wie es dem Kind geht. Aus der Aufzeichnung der Herztöne gleichzeitig mit den Kontraktionen (CTG) gewann man bessere Rückschlüsse auf sein Befinden. Seit etwa 1960 kann man mit Ultraschall in den Bauch „hineinsehen“ und die kindliche Entwicklung beobachten, seit ca. 1970 kann man die kindlichen Chromosomen in fetalen Zellen untersuchen, die man vorher mithilfe einer Amniozentese aus dem Fruchtwasser gewonnenen hat. In den 1980er-Jahren wurde der Triple-Test entwickelt, zur sog. Risiko- Abschätzung, der inzwischen nahezu abgelöst ist durch das Erst-Trimester- Screening (ETS). Eine entscheidende Wende bedeutet die 2012 eingeführte NIPD (nicht-invasive Pränataldiagnostik), eine ungefährliche und sichere Methode zur Beurteilung der fetalen Chromosomen.

Unter Pränataldiagnostik (PND) versteht man heute die in den letzten knapp 60 Jahren entwickelten modernen Methoden. Sie ermöglichen mehr Wissen und bedeuten mehr Chancen für die Gesundheit des Ungeborenen, aber sie sind gleichzeitig mit Belastungen und Risiken verbunden. Durch sie verändert sich die Zeit des hoffnungsvollen „Abwarten was- kommt“ in eine Zeit der kritischen Beobachtung und der Entscheidungen. Die Gesundheit des Kindes erscheint immer mehr machbar. Werdende Mütter/Eltern stehen vor neuen Möglichkeiten und Herausforderungen. Gleichzeitig stellen diese Methoden neue Anforderungen an die Kompetenz der begleitenden Fachleute (Ärztinnen/ Ärzte und Hebammen), an ihr Wissen und ihr kommunikatives Können. Und nicht zuletzt haben sie den gesellschaftlichen Umgang mit Schwangerschaft verändert.

Vorgeburtlicher Ultraschall: Untersuchung mit Januskopf

Mit Ultraschall (US) kann man Zahl und Größe des/der Feten beurteilen, Anlage und Entwicklung der Organe, die Lage im Mutterleib und den Sitz der Plazenta. Mit der Doppler- Untersuchung wird die Versorgung des Feten beurteilt, etwaige Risiken für seine Entwicklung lassen sich frühzeitig erkennen.

Gemäß geltenden Mutterschafts- Richtlinien wird Ultraschall als vorgeburtliches Screening allen Schwangeren angeboten; die Untersuchungen werden – wenn die Schwangere dem Angebot zustimmt – dreimal in der Schwangerschaft durchgeführt und als Kassenleistung abgerechnet. Ultraschall gilt als ungefährlich. Viele werdende Eltern genießen es als Baby- Fernsehen, sie wollen eher mehr als die drei vorgesehen Untersuchungen und sind auch bereit, sie als IGeL zu zahlen.

Mit Ultraschall kann ein ungestörtes Wachstum konstatiert werden, ebenso können Gemini und deren Versorgung früh erkannt werden, ein Herzfehler und eine Placenta praevia: alles wichtige Informationen für die weitere Betreuung und die Entbindung. Bestimmte Untersuchungsergebnisse, z. B. eine auffällige Kopfform oder mangelndes Wachstum, können aber auch erste Hinweise sein auf eine Chromosomenaberration und/oder eine schwerwiegende Beeinträchtigung. So zeigt sich beim Ultraschall der Januskopf, die Doppeldeutigkeit der PND besonders deutlich: Die Untersuchung kann besorgte werdende Eltern beruhigen und sie kann zum Wohl des Kindes sein, etwa wenn es wegen des bekannten Herzfehlers in einer Spezialklinik zur Welt kommt und sofort neonatologisch versorgt werden muss. Aber Ultraschall birgt auch Gefahren: Auffällige Befunde können beunruhigen, weitere Untersuchungen nach sich ziehen, bis hin zur Fragestellung des Abbruchs bei der Feststellung einer schwerwiegenden Behinderung, der sich die Eltern nicht gewachsen fühlen.

Erst-Trimester-Screening (ETS): Suchtest mit fraglich-sicherer Aussage

Hinter der Idee des Erst-Trimester- Screening (ETS) steckt die Idee, in der frühen Schwangerschaft eine ungefährliche Methode anzubieten, um individuell – und nicht nur aufgrund der statistischen Alterswahrscheinlichkeit – das Risiko für das Auftreten einer Trisomie zu bestimmen. Aus den erhobenen einzelnen Daten (gemessene Nackenfalte, Blutwerte (PAPP-A, beta-HCG) wird unter Berücksichtigung des Alters der Mutter mithilfe eines Algorithmus errechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie (21/16/18) ist. Bei hohem Verdacht (Risiko > 1:300) wird der Schwangeren eine Amniozentese zur definitiven Klärung angeboten. Das ETS hat inzwischen den früher üblichen Triple-Test abgelöst, da die Aussagen genauer beziehungsweise die Entdeckungsraten höher sind.

Da es sich beim ETS um eine Untersuchung der genetischem Ausstattung des Feten handelt, fällt es unter das Gen-Diagnostik-Gesetz: Ärztinnen und Ärzte, die die Untersuchung durchführen, müssen eine Qualifikation zur genetischen Beratung nachweisen und die Schwangere ausführlich über die Untersuchung (Aussagekraft, mögliche Ergebnisse, mögliche Auswirkungen einer Aberration) informieren. ETS ist keine Kassenleistung, die Kosten liegen bei ca. 150 bis 300 Euro. Je nach Ergebnis ist die Schwangere durch das ETS beruhigt oder beunruhigt. Manche realisieren erst bei einem auffälligen Befund, worauf sie sich eingelassen haben und dass ihnen weitere Entscheidungen und eventuell gefährliche Untersuchungen bevorstehen

Amniozentese (AC), Chorionzotten- Biopsie (CVS): klare Aussage, gefährlicher Eingriff

Um das fetale Erbgut zu bestimmen, benötigte man bis vor wenigen Jahren fetale Zellen. Sie werden gewonnen mithilfe einer Amniozentese (AC) oder eine Chorionzotten-Biopsie (CVS), beides auch als „invasive PND“ bezeichnet. Die AC kann ab der 14./15. Schwangerschaftswoche gemacht werden, die CVS schon ab der 11./12. Schwangerschaftswoche. Nach entsprechender Aufbereitung/ Zellkultur können die kindlichen Chromosomen untersucht und sicher beurteilt werden. Bei der AC liegen zwischen Untersuchung und endgültigem Ergebnis 10 bis 14 Tage Wartezeit; ein vorläufiges Ergebnis innerhalb von 1 bis 2 Tagen bietet der sogenannte FISHTest (Aussagesicherheit 95 %). Nach CVS erhält man das Ergebnis innerhalb weniger Tage.

Beide Untersuchungen sind nicht ungefährlich. Das Abortrisiko liegt bei der AC zwischen 0,3 und 1 %, bei der CVS sogar bei bis zu 2 %, abhängig vor allem von der Erfahrung der Untersuchenden. Bei auffälligem Vorbefund (ETS, Ultraschall) oder bei höherem Alter der Mutter (> 35 Jahre) sind die Untersuchungen eine Kassenleistung. Ärztinnen und Ärzte müssen Frauen über 35 Jahre auf die Möglichkeit einer AC hinweisen. Eine genetische Beratung (wie beim ETS) ist auch vor AC/CVS verpflichtend.

Frauen, denen aufgrund ihres Alters oder einer auffälligen Voruntersuchung eine der Untersuchungen vorgeschlagen wird, stehen vor einer schwierigen Situation: Nur durch die Untersuchung bekommen sie Gewissheit – andererseits riskieren sie das Leben ihres vielleicht völlig gesunden Ungeborenen. Und die Gewissheit kann auch bedeuten, dass das Kind tatsächlich eine Chromosomen- Aberration hat und sie dann erneut vor einer noch größeren Entscheidung stehen: Abbruch oder Austragen der Schwangerschaft?

Nach einem auffälligen Befund haben Betroffene laut Gen-Diagnostik- Gesetz Anspruch auf eine ausgiebige ärztliche und psychosoziale Beratung; vor einem etwaigen Abbruch (aus medizinischer Indikation) muss eine Wartezeit von drei Tagen ein bzw. ausgehalten werden. Aus Studien ist bekannt, dass sich weit über 90 % der Frauen bei der Diagnose Trisomie für einen Abbruch entscheiden. Diese Entscheidung wird fast immer gegenüber der Umwelt verheimlicht, das tote Kind wird als „Fehlgeburt“ ausgewiesen und betrauert.

Nichtinvasive Pränataldiagnostik (NIPD): früh und sicher und ungefährlich – ein Fortschritt?

Die „Nichtinvasive Pränataldiagnostik“ (NIPD) ist eine grundlegende und entscheidende Änderung der PND: Sie ermöglicht frühe, ungefährliche und sichere Aussagen zum Erbgut des Kindes.

NIPD beruht auf der Möglichkeit, aus dem mütterlichen Blut die fetalen Chromosomen zu beurteilen. Daher die Bezeichnung „nichtinvasiv“, als Abgrenzung zu den oben dargestellten invasiven Methoden AC/CVS. Nach der Blutentnahme (möglich ab der 10. Schwangerschaftswoche) werden im Labor die im mütterlichen Blut schwimmenden zellfreien fetalen DNA-Fragmente isoliert, mit aufwändigen Methoden (next generation sequencing, Z-score-Berechnung) beurteilt und die chromosomale Ausstattung des Feten bestimmt. Auf das Testergebnis muss man drei bis fünf Tage warten; die beratende Ärztin/der beratende Arzt muss über eine genetische Kompetenz verfügen.

Bislang können festgestellt werden: fetales Geschlecht, Trisomie, geschlechtschromosomale Störungen (45 XO = Turner-Syndrom, 47 XXY = Klinefelter-Syndrom u. a.). Die Detektionsrate ist sehr hoch (für Trisomie 21 über 99%), die Falsch-Positiv- Rate sehr niedrig (0,1 %). Die Rate der Betroffenen (d.h. der Frauen, die ein positives Ergebnis für Trisomie 21 erhalten) hängt allerdings von der Prävalenz ab, also von der Vorab-Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie. Beratende müssen sich gut auskennen, um die Komplexität der unterschiedlichen Aussagekraft klar vermitteln zu können.

Die NIPD wurde 2014 in Deutschland eingeführt. Die Kosten fielen von anfangs etwa 1250 Euro auf jetzt 200 bis 450 Euro, je nach Labor und Umfang der gewünschten Untersuchung. Noch ist nicht entschieden, ob die NIPD als Kassenleistung eingeführt werden soll; entsprechende Anträge werden im G-BA beraten.

Von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) wird die NIPD empfohlen bei auffälligem ETS oder höherem mütterlichem Alter, also als Alternative zu den invasiven Methoden – nicht als Standard-Untersuchung für alle. Als Vorteil wird betont: Ohne Abort-Risiko kann so in den meisten Fällen der Verdacht auf eine Chromosomen-Veränderung ausgeschlossen werden. Bei positivem Befund der NIPD wird zur hundertprozentigen Sicherung noch eine AC empfohlen.

Natürlich müssen Schwangere sich nicht an diese Empfehlung halten: Jede Frau kann für sich entscheiden, ob sie eine NIPD machen lassen will, unabhängig von der Wahrscheinlichkeit für eine Chromosomenveränderung. Und sie kann auch entscheiden, ob sie bei auffälligem Befund eine AC machen lassen will, das heißt: wenn das Ergebnis noch vor Ende der 12.SSW p.m. vorliegt, kann sie innerhalb der gesetzlichen Frist einen Abbruch vornehmen lassen. Auch hier wieder der Januskopf: Die NIPD kann gerade älteren Schwangeren Sicherheit geben, ohne Risiko für das Ungeborene, sie kann die Zahl der Amniozentesen und damit der ärztlich induzierten Fehlgeburten reduzieren – aber sie kann auch zu einer breitflächigen Anwendung von PND bis hin zu einem selbstverständlichen Screening auf chromosomale Gesundheit führen.

Ist die NIPD eine positive Weiterentwicklung, ein Fortschritt? Oder ein weiterer Schritt in Richtung Selektion, wie kritische Stimmen befürchten? Oft wird an diesem Punkt die gute Beratung angeführt als Chance und Voraussetzung für eine eigenständige Entscheidung der Schwangeren im Umgang mit PND.

Beratung zu PND und Shared decision making (SDM): ein Dilemma

Die Beratung zu der prinzipiellen Möglichkeit von PND ist laut Richtlinie verpflichtend für die ärztliche Betreuung in der Schwangerschaft. „Was wollen Sie von Ihrem Kind wissen?“ Das ist die entscheidende Frage, die der Frau früh gestellt werden und die sie für sich beantworten sollte. Auch auf die möglichen Konsequenzen sollten sie bzw. das Paar sich im Klaren sein: „Können Sie sich vorstellen, bei einer schweren Auffälligkeit in eine Situation zu kommen, bei der es um die Entscheidung für das Austragen oder den Abbruch der Schwangerschaft geht?“

Die Weichen werden früh gestellt. Frauen/Paare, die ein Kind ohne Wenn und Aber annehmen wollen und für die ein Abbruch in keinem Fall eine Option ist, brauchen weder NIPD noch ETS; es kann sein, dass sie sich für einen Organ-Ultraschall entscheiden in der 20. bis 22. Schwangerschaftswoche, um bei etwaigen Auffälligkeiten (Herzfehler, Spina bifida) gut vorbereitet zu sein. Diese Frauen zu beraten, ist aus meiner Sicht als Frauenärztin eher einfach. Allerdings sind nur die wenigsten werdenden Eltern über die möglichen Konsequenzen von PND informiert. Die meisten wollen einfach nur wissen, „dass alles in Ordnung ist“, und gehen davon aus: „Heute kann man doch eigentlich alles sehen.“ Dabei blenden sie mögliche belastende Konsequenzen der Untersuchungen aus; es ist nicht einfach, das in die Beratung einzubringen.

Zur Beratung über Pränataldiagnostik gehört zunächst die Information über die möglichen Untersuchungsmethoden, deren jeweilige Aussagekraft und die mit der Untersuchung verbundenen Gefährdungen. Es gilt, Begriffe wie „Risiko“ und „Wahrscheinlichkeit“ zu erörtern, ebenso wie „Fehlbildung“ und „Chromosomenabweichung“, und die jeweils resultierenden möglichen Folgen auf die kindliche Entwicklung. Angesprochen werden muss auch die eventuelle Durchführung eines späten Abbruchs der Schwangerschaft, also eine eingeleitete schmerzhafte lange Geburt. Ein Gespräch über Pränataldiagnostik verlangt viel an Wissen und vor allem an Empathie, es ist zeitaufwändig und kann für alle Beteiligten emotional belastend sein. Die Beratung muss sich nach dem Auffassungs- und Verständnisvermögen der Schwangeren richten, sie soll sie nicht erschrecken, und sie muss früh (in der 8./9. Schwangerschaftswoche) erfolgen, also in einer sowieso schon körperlich wie seelisch anstrengenden Phase der Schwangerschaft, die oft von Ambivalenz und Fragen geprägt ist. Denn nur eine frühe Beratung gewährt der Frau/dem Paar ausreichend Möglichkeit nachzudenken, sich eventuell zusätzlich zur ärztlichen noch eine psychosoziale Beratung zum Thema ETS oder NIPD einzuholen bzw. die Hebamme um Rat zu fragen. Beides kommt leider weiterhin sehr selten vor, wie beide Berufsgruppen berichten.

Ist es möglich, die Schwangeren/ werdenden Eltern in der ärztlichen Praxis so zu beraten, dass es wirklich zu einem „informed consent“ kommt, zu einer gemeinsamen belastbaren Entscheidung („shared decision making“)? Nach 30-jähriger frauenärztlicher Tätigkeit mit psychosomatischem Schwerpunkt bezweifle ich das. Die Informationsmenge ist so groß, die ethische Dimension so überwältigend, der (Zeit-)Druck kaum aushaltbar. Dazu kommt: Der oft gehörte Wunsch „Hauptsache es ist gesund!“ ist nachvollziehbar, und er erscheint machbar. Sehr oft habe ich in der Praxis im Lauf von Beratungsgesprächen eine große Verunsicherung erlebt, die sich ausdrückt in Fragen wie: „Was machen denn die meisten?“ Oder: „Was würden Sie uns raten?“ Alles zusammen mag dazu beitragen, dass viele Beratungsgespräche nicht so aufwendig verlaufen, wie eigentlich erforderlich. Was als Angebot der Selbstbestimmung gedacht ist, wird oft als Zumutung erlebt; für viele ist es eine Überforderung.

Was tun mit dem Dilemma?

Umgang mit den Herausforderungen durch Pränataldiagnostik: Mehr Information, mehr Diskussion, mehr Kooperation – Inklusion von Anfang an

Schon immer kam es vor, dass sich eine Schwangere grundsätzlich gegen ein Kind und damit für einen Abbruch entschied. In Deutschland sind das pro Jahr fast 100.000 Frauen. Neu ist seit ca. 50 Jahren, dass Frauen bzw. werdende Eltern sich aufgrund von speziellen Eigenschaften des Ungeborenen gegen ihr Kind entscheiden bzw. entscheiden können. Die Informationen erhalten sie durch die moderne Pränataldiagnostik. Diese Methoden werden immer raffinierter; die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen, die technischen Möglichkeiten werden sich weiter entwickeln. In Zukunft werden die Eltern in spe mit noch mehr möglichem Wissen konfrontiert werden.

Ein Kind großzuziehen, ist eine Herausforderung, das gilt noch mehr für ein „besonderes Kind“. Das kann überfordern, ebenso wie die Entscheidung für PND oder für bzw. gegen das Austragen eines Kindes mit bekannter Behinderung. Es steht niemandem zu, eine Frau zu verurteilen, die sich zu dem schweren Entschluss eines Abbruchs aufgrund einer befürchteten Behinderung durchringt. Nicht umsonst wird diese Entscheidung fast immer als Geheimnis behandelt, obwohl der Weg dahin, die immer präzisere Pränataldiagnostik, der Frau intensiv angeboten und als Fortschritt gefeiert wird. Die Schizophrenie der Situation, die Gefühle von Scham und Schuld, müssen die meisten Betroffenen alleine aushalten; die entsprechenden Beratungsangebote sind rar.

Eine realistische Lösung des Dilemmas sehe ich nicht; noch breitere Beratungsangebote für Schwangere sind sicher wichtig, aber kein Ausweg, ebenso wenig wie größere Hürden zum Zugang zur PND. Aus meiner Sicht geht es darum, mehr über mögliche Strategien des Umgangs mit dem neu-verfügbaren Wissen über Ungeborene nachzudenken. Dazu einige Vorschläge:

  1. Frühzeitige Information über PND, z. B. in Schulen, und damit verbunden eine ethische Diskussion über den Umgang mit dem werdenden Leben, über Begriffe wie „Gesundheit“ und „Leid“, „lebenswert“ und „Vielfalt“. Damit Menschen mit diesem Thema nicht erst in der Schwangerschaft konfrontiert werden, sondern sich schon vorher Gedanken machen und einen Standpunkt entwickeln können.
  2. Mehr öffentliche Diskussion (in Politik wie in Medien) zum Umgang mit Leben an seinem Anfang – genauso wie die gewohnte breite Diskussion über den Umgang mit Leben an seinem Ende. Wie gehen wir als Gesellschaft damit um, was sind unsere Wie sehr diese Diskussion die Gemüter beschäftigt, zeigt die gegenwärtige Diskussion um das sogenannte „Werbeverbot“ für Schwangerschaftsabbrüche (gemäß § 219a).
  3. Neben der ständigen Fortbildung über die Möglichkeiten und Grenzen von PND ist eine engere Kooperation aller Berufsgruppen erforderlich bei der Begleitung werdender Eltern. Nicht nur ÄrztInnen und Ärzte, auch Hebammen müssen in diesem Bereich auf dem Laufenden sein, auch wenn sie selbst keine Pränataldiagnostik anbieten können. Sie werden vielleicht gerade bei der ersten Weichenstellung für oder gegen PND eher angesprochen, als psychosoziale Beraterinnen, eben weil sie als Expertinnen für Schwangerschaft gelten. Die leider oft zu hörenden gegenseitigen Vorurteile – „Ärztinnen und Ärzte machen einfach so Ultraschall und PND und klären vorher nicht auf!“, „Hebammen haben wenig Ahnung von PND und sind immer dagegen!“ – sind eine Katastrophe für die Ratsuchenden und erschweren ihnen die Entscheidung.
  4. Last but not least: Was ist normal? Gesellschaftliches Umdenken tut not. Wenn Frauen gratuliert wird zu ihrer Entscheidung, ein „besonderes Kind“ zu bekommen, wenn sie zur Geburt einen besonders dicken Blumenstrauß erhalten, wenn Paare wissen, dass sie alle denkbare finanzielle und psychosoziale Unterstützung bekommen, und wenn sie darüber hinaus mit ihrem Kind von ihrer Umwelt wirklich akzeptiert werden, statt zu hören „So etwas muss es doch nicht mehr geben!“ – dann wird es ihnen leichter fallen, eine gute Entscheidung zu fällen, die sie aus aushalten können, in der einen oder anderen Richtung. Sie können „guter Hoffnung“ sein auch mit Pränataldiagnostik, denn sie können auf Verständnis und Akzeptanz rechnen.

Inklusion ist offiziell das Motto der Zeit. Sie sollte früh beginnen, möglichst schon im Mutterleib.

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Claudia Schumann
Frauenärztin / Psychotherapie
Vizepräsidentin der DGPFG
Hindenburgstr. 26
37154 Northeim
www.dr-claudia-schumann.de

Slide Pränataldiagnostik heute: Herausforderung und Grenzen der psychosomatischen Betreuung Gyne 06/2018

Artikel des Monats Oktober 2018

Artikel des Monats Oktober 2018

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Linden, Michael et al.

Definition und Entscheidungsschritte in der Bestimmung und Erfassung von Nebenwirkungen von Psychotherapie.

Psychother Psych Med 2018; 68: 377-382

„…Neue chirurgische Verfahren wurden mit dem ausschließlichen Ziel entwickelt, diese Nebenwirkung (Entfernung der Brust) bestmöglich zu vermeiden. In gleicher Weise ist es derzeit intendiert, dass bei einer Expositionsbehandlung der Patient Angst und damit auch Stress und eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens erlebt… Dennoch wäre es wünschenswert, dass die Forschung therapeutische Alternativen entwickelt, die ermöglichen, das gleiche Therapieziel zu erreichen, ohne den Patienten zu belasten…“. Die Autorengruppe um Linden hat sich eines sehr wichtigen und interessanten Themas angenommen, über das in der Vergangenheit, aber auch aktuell wenig publiziert wurde. Linden et al. (2018) schreiben (selbst-)kritisch, dass es seit über 150 Jahren eine wissenschaftlich fundierte Psychotherapie gibt, aber bisher keine „nebenwirkungsorientierte Forschungstradition und Behandlungskultur“. Derzeit liegen nur wenige, zumeist methodisch schwache Arbeiten vor, in denen, je nach Erhebungsmethode, Population und Therapieart, über Nebenwirkungsraten von 3 bis 100 %, bezogen auf alle Psychotherapie-Fälle, berichtet wird. Linden hat 2013 und 2014 eine Definition für Nebenwirkungen von Psychotherapie formuliert – Nebenwirkungen sind demnach „unerwünschte Ereignisse bezüglich der unmittelbaren Krankheitssymptomatik, des Therapieprozesses, des weiteren Lebensumfelds sowie der Krankheitsverarbeitung der Patientin…, die durch eine korrekt durchgeführte Behandlung verursacht wurden…“.

Erfassung und Einordnung von Psychotherapie-Nebenwirkungen sind komplex und umfassen mehrere Schritte, die die Autoren in dem Artikel ausführlich darstellen und erläutern. Für das Auffinden von Nebenwirkungen von Psychotherapie kann u.a. die UE-ATR-Checkliste (Unwanted Event-Adverse Treatment Reaction) herangezogen werden. Diese gibt einige Bereiche vor, die besonders bedacht werden sollten: 1. Unmittelbare Beschwerden und Krankheitssymptome (Verschlechterung, keine Verbesserung, Neuauftreten); 2. Therapieprozess (Störungen der Interaktion, Konflikten zwischen Therapeut und Patientin oder zwischen Patientinnen in der Gruppentherapien, Therapie- oder Therapeutenabhängigkeit); 3. Soziales Umfeld der Patientin (Konflikte am Arbeitsplatz, in der Familie); 4. Krankheitsbewältigung und –verständnis.

Die Autoren gehen ausführlich darauf ein, welche Nebenwirkungen als therapiebedingt einzustufen, wie diese zu erkennen sind und wie mit ihnen umgegangen werden sollte. Es wird darauf hingewiesen, dass Psychotherapie, wenn man die Daten aus vorliegenden Studien berücksichtigt, überraschenderweise zu den vergleichsweise belastenden, ja „riskanten“ Behandlungsmethoden zählt. Konsequent fragen sich Linden et al. weiter, wie viele und welche Art von Nebenwirkungen bei einer Psychotherapiemethode akzeptabel sind resp. eher dazu führen sollten, von ihr abzuraten.

Der unbedingt lesenswerte Artikel schließt mit einem Fazit: „…Gute Therapeuten kennen und sehen ihre eigenen Nebenwirkungen und sind in der Lage, eine nebenwirkungsorientierte Behandlung durchzuführen. Sieht ein Therapeut keine Nebenwirkungen, dann kann man davon ausgehen, dass er sie übersieht…“!

(M. David)

Prof. Dr. med. Matthias David

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