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Artikel des Monats April 2019

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Mehnert-Theuerkauf A, Lehmann-Laue A.

Psychoonkologie.

Psychother Psychosom Med Psychol. 2019 Mar;69(3-04):141-156.

In dem lesenswerten Review-Artikel wird die Bedeutung und der aktuelle wissenschaftliche Stand der Psychoonkologie sehr übersichtlich und klar referiert. Einzelne Merksätze sind hervorgehoben, die ich im Folgenden zusammenfassen möchte, v.a. um Interesse zu wecken, den ganzen Artikel zu lesen, der auch als CME-Fortbildung zertifiziert ist. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Menschen, die Krebs überleben oder lange zeit mit der Erkrankung leben, deutlich angestiegen. Die altersstandardisierten Sterberaten bei Frauen sind zwischen 2005 und 2015 um 7% gesunken.

Psychoonkologische Interventionen beziehen sich u.a. auf Psychoedukation über Belastungsreaktionen und Krankheitsverarbeitung, kommunikative Aspekte einerseits in Bezug auf die Arzt-Patientin-beziehung, andererseits auf die Kommunikation innerhalb der Partnerschaft und der Familie. Etwas mehr als jeder 2. Krebspatient (52%) fühlt sich psychisch stark belastet und berichtet im Durchschnitt über 8 belastende Probleme. Eine Krebserkrankung betrifft auch das soziale Umfeld und erlangt damit den Status einer ‚Wir‘-Erkrankung. Die psychische Belastung betrifft Partner von Krebserkrankten genauso sehr, wenn nicht mehr als die Patienten selber. Krebsspezifische Fatigue zählt zu den häufigsten längerfristigen Folgen der Krebstherapie und geht mit einer deutlichen Einschränkung der Bewältigung des Alltags, beruflicher Anforderungen und der Lebensqualität insgesamt einher. Sexuelle Funktionsstörungen sind teilweise behandlungsbedingt, aber auch Folge einer hohen psychischen Belastung. Das Risiko für Arbeitslosigkeit und Frühberentung ist bei Krebspatienten im Vergleich zu gesunden Probanden signifikant erhöht, auch wenn Patienten eine hohe Motivation haben, wieder zu arbeiten! Ein höheres Alter beeinflusst in besonderem Maße die Diagnostik psychischer Störungen und die Erfassung psychischer Belastungen (Given & Given 2010). Die Angst, zusätzlich zur Krebserkrankung an einer noch immer als stigmatisierend erlebten psychischen Störung zu leiden, ist für viele Patienten ein wichtiger Grund, psychische Belastungen nicht anzusprechen und vorhandene Unterstützungsangebote nicht zu nutzen. Die Verbesserung des Zugangs zu psychoonkologischen Unterstützungsangeboten setzt eine zielgerichtete Diagnostik bzw. ein Belastungsscreening im rahmen der onkologischen Behandlung und Nachsorge voraus! Prävalenz und Schweregrad psychischer Symptome und deren Behandlungsbedürftigkeit werden gerade bei älteren Menschen häufig unterschätzt. Für die psychosoziale Diagnostik stehen valide Fragebögen und Itembanken zur Verfügung, die sich je nach Zielsetzung der Diagnostik für den klinischen Alltag wie auch für Forschungs- und Evaluationszwecke eignen. Ein Screening sollte sich deshalb immer auch nach den lokal vorhandenen Versorgungsstrukturen und Angeboten richten, sodass vermieden wird, dass Patienten auf Belastungen gescreent werden, dann aber nicht entsprechend psychologisch versorgt werden. Psychoonkologische Erkenntnisse sind wichtig für Prävention, Früherkennung, Diagnostik, Behandlung, Rehabilitation, Nachsorge und palliative Versorgung. Nach wie vor erhalten zu wenig Patienten eine adäquate psychoonkologische Versorgung – u.a. auch aufgrund ungeregelter Finanzierung. Für eine patientenzentrierte Versorgung ist über die professionelle Versorgung hinaus die Krebsselbsthilfe von großer Bedeutung. Psychoonkologische Interventionen um fassen ein breites Spektrum an Zielsetzungen zur Verringerung psychosozialer Belastungen und psychischer Störungen und zur Aufrechterhaltung der Lebensqualität bei Patienten und ihren Angehörigen. Nachsorgeprogramme umfassen u.a. die Beratung, Psychoedukation und Verbesserung des Gesundheitsverhaltens, wie z.B. Bewegung und Sport, Ernährung sowie Stressbewältigung (aus Watson & Kissane 2011).

Friederike Siedentopf, April 2019

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

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