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Gyne 04/2023

Schwangerschaftsabbruch – mögliche Folgen für das medizinische Personal

Autorin:

M. Neises-Rudolf

Der Schwangerschaftsabbruch ist immer wieder ein Thema von gesellschaftlicher und politischer Brisanz, dabei sind wir als Frauenärzt:innen es sehr gewohnt, die Belange der Frau ins Zentrum unserer Überlegungen zu stellen. Mit diesem Beitrag stehen die beteiligten Mediziner und weiteres Personal im Fokus.

Thema Schwangerschaftsabbruch auf der Bühne

Mit dem Bühnenstück „Frauensa-che“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz kam das Thema Schwangerschaftsabbruch 2019 auf die Theaterbühnen verschiedener Städte in Deutschland. Die Handlung ist folgende: um die Frauenärztin Beate entbrennt ein Konflikt um Abtreibungsfragen. Beate ist liberal und möchte Abtreibungen ermöglichen, wenn es unumgänglich scheint. Zugleich sucht die Ärztin nach einer Nachfolgerin für ihre Praxis. Als Nachfolgerin scheint die junge Ärztin Hanna infrage zu kommen. Doch die ist zugleich eine radikale Abtreibungsgegnerin mit einem politisch rigiden Weltbild. Indem sie Abtreibungen verhindert, glaubt sie dem Erhalt eines „deutschen Staatsvolks“ zu dienen.

Zu diesen beiden Ärztinnen in die Praxis kommt Elke, sie ist ungewollt schwanger und verzweifelt. Weil sie eine feste Stelle in Aussicht hat, möchte sie das Kind abtreiben. Unversehens gerät sie zwischen die Fronten der beiden Ärztinnen. Während Beate bereit ist, eine Abtreibung durchzuführen, bietet Hanna der verzweifelten Frau eine Arbeit auf einem Biohof an – unter der Voraussetzung, dass sie das Kind austrägt. Hinter der jungen, fanatischen Ärztin stecken organisierte Abtreibungsgegner wie Gudrun, die eine neue, nationalistische Agenda betreiben.

Die junge Arzthelferin Mira sieht, was sich da zusammenbraut. Doch ihren Befürchtungen schenkt niemand Glauben. So vertraut sich Mira der gutgläubigen Bürgeramtsleiterin Angelika an, doch die beschwichtigt und sieht keine Gefahr.

Bei einer Podiumsdiskussion prallen schließlich die unvereinbaren Positionen aufeinander. Frauenärztin Beate trifft dabei wieder auf ihre alte Konkurrentin Gudrun. In den Konflikten, die die Frauen austragen, bleiben männliche Figuren im Hintergrund, bestimmen aber heimlich das Geschehen. Hinter der fanatischen Ärztin steht der Kopf einer rechten Ökobewegung, hinter der Bürgeramtsleiterin ein ehrgeiziger Mann, der die Frauenarztpraxis kaufen möchte. Es geht dabei um weibliche Rollenmuster im Spannungsfeld persönlicher Interessen, wohlmeinender Hilfsbereitschaft, alte Freund- und Feindschaften und männlicher Machtinteressen im Hintergrund.

Das Thema „Abtreibung“ wird dabei von verschiedenen Seiten instrumentalisiert, Leidtragende sind sowohl die betroffene Frau als auch wohlmeinend Handelnde, alle werden in der öffentlichen Diskussion beschädigt [1].

Schwangerschaftsabbruch in Zahlen

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ist in Deutschland seit über 10 Jahren mit etwa 100.000 gemeldeten Fällen pro Jahr relativ konstant (die Geburtenzahlen liegen zwischen 700.000 und 800.000 pro Jahr). Das statistische Bundesamt, Destatis, informiert weiterhin, dass der geringste Stand im Jahr 2021 mit 94.596 Schwangerschaftsabbrüchen vorlag. Eine eindeutige Ursache für diesen stärkeren Rückgang lässt sich nicht erkennen. Die größte Gruppe der Frauen (etwa 89 %) waren zwischen 18 und 39 Jahre alt, ca. 9 % der Frauen waren 40 Jahre und älter und etwa 3 % waren jünger als 18 Jahre. Rund 42 % der Frauen hatten vor dem Schwangerschaftsabbruch noch kein Kind geboren. 96 % der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche wurden nach der sogenannten Beratungsregel durchgeführt, bei den übrigen 4 % bestand eine Indikation aus medizinischen Gründen und aufgrund von Sexualdelikten.

Die meisten Schwangerschaftsabbrüche (52 %) wurden mittels Vakuum Aspiration durchgeführt, bei etwa 35 % erfolgte ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch. Die Eingriffe erfolgten überwiegend ambulant, davon etwa 82 % in gynäkologischen Praxen und 15 % ambulant im Krankenhaus [2].

Ungewollte Schwangerschaft und die Rolle der Ärzt:innen

Die ungewollte Schwangerschaft ist ein Thema mit langer Tradition nicht nur in der Psychosomatischen Frau- enheilkunde. Ein Standardwerk aus den 80er Jahren von [3] enthält Beiträge u. a. aus anthropologischen und ethischen Aspekten sowie Beiträge aus der klinischen Psychologie, Psychotherapie, Psychosomatik und Psychiatrie. Im Zentrum aller Beiträge steht zurecht die Entscheidungs- und Lebenssituation der Frau und ihr Selbsterleben und Bewältigungsprozess. Nur ansatzweise kommt das ärztliche Erleben zur Sprache als Dilemma zwischen Anspruch und Motivation

  • Im ärztlichen Selbstverständnis ist die ethische Zielsetzung auf die Heilung und Erhaltung menschli- chen Lebens ausgerichtet
  • Von Empathie gegenüber der ungewollt-Schwangeren und von Mitleid getragen, ist der Arzt andererseits auch immer zur Hilfe bereit [3, S. 15].

Befragungsergebnisse zum Erleben der durchführenden Ärzte wurden in der DGPFG, Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe, erstmalig mit zwei Dissertationen an der Medizinischen Hochschule Hannover unter der Betreuung von P. Petersen vorgelegt. Amtenbrink [4] beschreibt eine Stichprobe von 140 angeschriebenen Ärzt:innen (Rücklauf von 97). Diese Studienteilnehmer:innen waren:

  • 62,9 % männlich und 37,1 % weiblich
  • 67,1 % waren Assistenzärzt:innen neben weiteren Ober-, Chef- und Belegärzt:innen
  • 40,2 % waren über 10 Jahre im Fachgebiet tätig
  • 65 % waren bis 40 Jahre alt
  • 69,1 % hatten

Insgesamt 9 Ärzt:innen führten keine Abbrüche durch, davon vier Ärzt:innen aus Gründen ihrer persönlichen Einstellung und fünf Ärzt:innen aufgrund der Haltung ihres Arbeitgebers.

Folgende Schwierigkeiten wurden von den Ärzt:innen genannt:

  • Abfällige Bemerkungen von Kollegen aus Chirurgie/Anästhesie und OP-Personal
  • Kollegen lehnen mein Tun ab
  • Vorwurf, keine „Ehrfurcht vor dem Leben zu haben“
  • „Ungute Bemerkungen in Diskussionen; man hat das Gefühl abqualifiziert zu werden, weil man zahlreiche Abruptiones durchgeführt hat“
  • „Ich empfinde jedoch die Aggression der Kollegen auf die schwangeren Frauen oftmals als erheblich und finde mich in meiner zumindest theoretisch positiven Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch als isoliert“
  • Eine Ärztin, die nur nach medizinischer Indikation Abruptiones durchführte: „sie werde als Drückeberger angesehen und die armen Kollegen müssten dann ja alle Abbrüche machen“

Erfragt wurde auch die Meinung, wann aus Sicht der Ärzt:innen menschliches Leben beginnt, genannt wurden:

  • 40 % Verschmelzung der Gameten
  • 24 % Nidation
  • 20 % Frage ließe sich nicht beantworten

Die Frage, ob Abruptio als Tötung anzusehen sei, wurde wie folgt beantwortet:

  • 69 % zustimmend
  • 24 % verneinend

Auf die Frage nach der Einstellung zur Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs, nannten 73 % eine Belastung bei Erkennen von menschlich-anatomischen Strukturen.

Auf die Frage nach einer Veränderung in der persönlichen Haltung im Laufe des Berufslebens gaben

  • 53 % an, dass der Eingriff mit mehr Überwindung verbunden sei bzw. öfter der Wunsch bestehe, einen Schwangerschaftsabbruch abzulehnen
  • 32 % beschrieben keine Veränderung und
  • 12 % hatten mehr Verständnis für die betroffenen Frauen.

Dieser Zahlenüberblick wird aus- führlich beschrieben und vertieft in weiteren Publikationen [5,6].

Die folgende Abbildung fasst die Ergebnisse einer weiteren Dissertation [7] von zum Thema von ärztlichem Erleben des Schwangerschaftsabbruchs zusammen. In dieser qualitativen Studie beschreiben die Ärzt:innen ein „destruktives Gefühlsknäuel“ mit vielfältigen Einflussfaktoren von Seiten der Frau, der Gesellschaft und der eigenen Persönlichkeit (▶ Abb. 1).

Es folgen aus der gleichen Arbeitsgruppe  Vorträge  zum  Thema „Schwangerschaftsabbruch im Erleben der durchführenden Ärztin und des durchführenden Arztes“ [8, 9] sowie von weiteren Engagierten in der DGPFG (z. B. [10]).

In dem Vortrag „Arzt und Schwangerschaftsabbruch – Erfahrungen aus den neuen deutschen Bundesländern“ gehalten in der Evangelischen Akademie Bad Boll werden drei Zeitabschnitte vor, während und nach der Wende beschrieben, die sehr eindrücklich den Einfluss des politischen Systems, der gesellschaftlichen Einstellung sowie die Arbeitssituation als Ärztin in unterschiedlichem Arbeitsumfeld und mit unterschiedlicher Arbeitserfahrung sichtbar werden lassen. Die individuellen Reaktionen reichen von Zynismus bis hin zu Schuldgefühlen vor dem Hintergrund von Tabus und unter Umständen auch Anfeindungen. Es bleibt die Aufgabe: „… als ausführende Ärztin das Bewusstsein für den unlösbaren Konflikt auszuhalten, unabhängig von den realistischen Forderungen und Selbstbestimmungswünschen…“ [10].

Der Schwangerschaftskonflikt beim Abbruchwunsch unterscheidet sich von anderen Konflikten nicht zuletzt durch seine existenzielle Bedeutung:

  • die Tötung eines Lebens steht dem Autonomieanspruch der Frau gegenüber
  • der Konflikt ist unauflöslich – es gibt keinen Kompromiss
  • es besteht ein enormer Zeitdruck für die Entscheidung (verstärkt beim medikamentösen Abbruch mit eng begrenztem Zeitfenster)
  • nicht nur die Frau, ihr Partner und das Kind, auch der abbrechende Arzt/ die Ärztin und die Beraterin/ der Berater sind von diesem Konflikt betroffen

Diese Betroffenheit wird oft wenig wahrgenommen – häufige Bewältigungsformen sind Verleugnung, Verdrängung, Verharmlosung, Ideologisierung oder Emotionalisierung. In Balintgruppen und Ausbildungscurricula der Psychosomatischen Grundversorgung wird die wichtige und oft auch belastende Erfahrung für die Einzelnen oft deutlich.

Mit dem § 218 ist häufig erstmals nicht nur die Zusicherung von Straffreiheit, sondern auch ein gesellschaftlich akzeptierter Rahmen für den Arzt gegeben, beim Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. Viele Gynäkologinnen und Gynäkologen empfinden diese Aufgabe auch als eine ihrem Berufsverständnis immanente und notwendige, die sie in Solidarität und Empathie mit der Frau und ihrer jeweiligen Notlage erfüllen.

Die individuelle Verantwortlichkeit für einen unlösbaren ethischen Grundkonflikt bleibt davon jedoch unberührt bestehen und wird von den meisten auch so empfunden – unabhängig davon, ob sie Schwangerschaftsabbrüche selbst durchführen oder vom Recht auf Verweigerung des Abbruchs Gebrauch machen [11,12].

Einige Diskussionslinien im deutschsprachigen Raum

Es lohnt, über den Tellerrand der eigenen Fachgruppe und Landesgrenzen zu schauen. Aus Platzgründen lassen sich internationale Perspektiven leider nur streifen. Einige Beispiele finden Sie unter: bit.ly/gyne_Neises_inter national

Es bleibt zu hoffen, dass die Diskussionen um den Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nicht mehr hinter die erreichten Standards zurückfallen. Die Folgen für sozial schwache Frauen und Familien beim Zugang zum Schwangerschaftsabbruch sind wohl bekannt. Die Folgen, wie Anfeindung und Ausgrenzung von Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten und durchführen, waren noch in jüngster Zeit Thema. Die Aufarbeitung von illegalen Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich zeigt auch noch Folgen für die nächste Generation auf. Im Rahmen eines Forschungsprojekts „Abtreibung in Österreich 1945–1974“ mit Befragung von Kindern, Enkeln und weiteren Familienangehörigen zeigten sich die Auswirkungen der Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs auf die Familien der ärztlichen Helfer:innen. Bis zur Einführung der Fristenlösung im Jahr 1975 gab es in Österreich trotz Verbot jährlich zwischen 200.000 und 300.000 Abtreibungen [13]. Der Titel der Veröffentlichung im Frauenarzt spricht für sich: „Ich werde doch meine Mutter nicht als Abtreiberin vorführen“.

45 Jahre nach Einführung der Fristenlösung leiden Arztkinder noch unter der Stigmatisierung. Im gleichen Jahr habe die beiden Autor:innen auch einen Roman zum Thema publiziert, der im Wiener Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch spielt, viel Information über Gesundheit, Frauenrechte und Medizingeschichte vermittelt und fiktiven Personen mit ihren Gefühlen aus Zorn und Wut, ihrem Neid und ihrer Verzweiflung, Empörung und Verletztheit Raum gibt [14].

Einige Aspekte der Diskussion in Deutschland finden sich in der Stellungnahme der Fachgesellschaft DGGG und des Berufsverbands BVF zusammen mit dem Kommentar dazu, beides veröffentlicht in der Zeitschrift Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2020. Dieser Stellungnahme ist ein entsprechender Vorstoß von Sozialministerien auf Landesebene vorausgegangen. Aus dem Kommentar wird deutlich, dass das deutsche Gesetz das Weigerungsrecht enthält und dieses bei allen Reformen des §218 beibehalten wurde.

Nachdenklich macht die Untersuchung von Hanschmidt et al. [15], basierend auf bundesweiten repräsentativen Daten, die zu dem Ergebnis kommt, dass die negative Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch in Ost- und Westdeutschland in den zwei Jahrzenten seit der Wiedervereinigung ansteigt.

Die in Ansätzen dargestellte komplexe Diskussion macht deutlich, wie schwierig es ist, im Miteinander unterschiedlicher Interessenslagen und Haltungen einen toleranten, offenen und respektvollen Diskurs zu pflegen und nicht in der „eigenen Blase“ zu verharren – dies gilt für viele Themenbereiche.

Last not least gilt eine Fürsorgepflicht für junge Ärzt:innen, die in ihren ersten Berufsjahren vor immensen Aufgaben und Verantwortlichkeiten stehen und oft auch überfordert werden. Die Studienergebnisse von Baas et al. [16] zu Arbeitsbezogenen emotionalen Stressoren bei Frauenärzt:innen (1.578 per E-Mail angeschrieben) überraschen nicht. Etwa ein Drittel (33,7%) aller gab an, schon einmal daran gedacht zu haben, den Beruf aufzugeben. Als Gründe wurden genannt:

  • Hohe Arbeitsbelastung
  • Variierende Dienstschichten
  • Hohe Verantwortlichkeit
  • Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben/Freizeit
  • Konflikte mit Kolleg:innen
  • Neue Interessen
  • Arbeitskulturbezogene Probleme

In dieser Untersuchung [16] waren die hohe emotionale Belastung und Stress bei Frauenärzt:innen verursacht durch

  • 64,3 % fehlende Diagnose
  • 44,5 % Zweifel an der medizinischen Entscheidung
  • 37,6 % Tod einer Patientin
  • 24,3 % das Gefühl, der Patientin nicht helfen zu können
  • 16,1 % Kommunikation schlechter Nachrichten
  • bei 23,1 % war es die Erfahrung von:
  • schwerwiegenden Komplikatio- nen
  • Konflikten mit Kolleg:innen
  • Beschwerden von Patientinnen und übergeordneten Stellen, unzufriedene Patientinnen und Aggression oder Gewalt von Patientinnen

In Deutschland ist 2022 eine Online-Befragung von Ärzt:innen zur medizinischen Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbruch, die sog. ELSA-Studie www.elsa-studie.de, begonnen worden. Mit diesen Daten soll auch die schwierige Situation von Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, abgebildet werden. Der Anspruch wird sich an den Ergebnissen messen lassen, diese Ergebnisse stehen noch aus.

Selbstfürsorge, Lebensqualität und professionelles Handeln

Der Weltärztebund verabschiedete in einer überarbeiteten Fassung 2017 die Deklaration von Genf, der sich der Deutsche Ärztetag einstimmig „mit großem Applaus“ ange- schlossen hat. Neben acht Punkten zum Patientenwohl lautet ein Punkt: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können“

Für diese Doppelaufgabe, d. h. Behandlung unserer Patientinnen auf höchstem Niveau, aber auch die eigene Gesundheit und unser psychisches Befinden im Blick zu haben, sind wir noch nicht hinreichend gerüstet [17].

Die bereits genannte Untersuchung von Baas et al. [16] zeigt sowohl hilfreiche als auch selbstschädigende Bewältigungsversuche nach emotionaler Belastung auf. Dazu gehörten:

  • 87,4 % Unterstützung von Kollegen
  • 72,2 % Unterstützung von Familie oder Freunden
  • 42,6 % den Fall diskutieren in Gremien (Komplikationen besprechen, Audit, Supervision)
  • 33,8 % Ablenkung finden
  • 26,4 % Sport ausüben oder andere Hobbys
  • 5,1 % steigerten ihren Gebrauch von Alkohol, Drogen und/oder Nikotin
  • 1,5 % benutzten Medikamente, die sie üblicherweise nicht einnehmen würden
  • 0,6 % gaben wegen emotionaler Stressoren ihren Beruf auf

86,1 % von dieser Befragungsgruppe fanden die aktuelle Praxis zur Unterstützung unzureichend. Gewünscht wurden die folgenden Unterstützungsangebote:

  • 2 % Unterstützung von Kolleg:innen aus dem gleichen Fach
  • 29,9 % professionelle Unterstützung allgemein
  • 22,3 % Peer Support (Ärzt:in aus einem anderen Fach)
  • 10 % Gespräch mit einer vertrauten Person

Lassen sich generelle Empfehlungen im Sinne einer standardisierten Unterstützung nach emotionalen Stressoren ableiten? Dies könnten Empfehlungen sein, wie sich im Kontext von Burn-out-Prophylaxe bewährt haben [18]:

  • Achtsam sein mit sich und anderen
  • Nicht erst auf Bedarf und Bedürftigkeit reagieren
  • Weniger von oben und mehr im Team regeln
  • Peer Support unter Kolleg:innen fördern
  • Erfahrene Kolleg:innen im Team als Mentor:innen benennen
  • Weiterbildung zum Thema Coping Strategien
  • Verlässliche und funktionierende Standards innerhalb einer Institution entwickeln.

Besonders empfehlenswert für den Umgang mit Schwangerschaftskonflikten und Schwangerschafts- abbrüchen ist die Reflexion eigener Gefühle in Balintgruppen. Das dient der Entlastung, aber auch zur Klärung von Verantwortlichkeiten, zur beruflichen und persönlichen Identitätsfindung und zur eigenen inneren Reifung. Damit bietet sie eine Hilfestellung bei der persönlichen Bewältigung eines letzlich unlösbaren Konfliktes.

Zusammenfassung

Frauenärzt:innen stehen bei der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen vielen Herausforderungen gegenüber. Diese umfassen ethische Konflikte, emotionale Belastungen sowie die Bedeutung einer angemessenen Selbstfürsorge. Dabei fehlen ein offener Diskurs und angemessene Unterstützungsmöglichkeiten. Das gefährdet die Gesundheit und Lebensqualität der Fachkräfte. Es müssen Räume für Selbstreflexion, Unterstützung und den Austausch von Erfahrungen geschaffen werden, um die psychische Belastung zu verringern und das Wohlbefinden des medizinischen Personals zu verbessern.

Schlüsselwörter: Schwangerschaftsabbruch – Abruptiones – Selbstfürsorge – Ethik

Summary

Termination of pregnancy – possible consequences for medical staff

Gynecologists face many challenges when performing abortions. These include ethical conflicts, emotional stress and the importance of appropriate self-care. There is a lack of open discourse and appropriate support options. This jeopardizes the health and quality of life of professionals. Spaces for self-reflection, support and the sharing of experiences need to be created in order to reduce the psychological burden and improve the well-being of medical staff.

Keywords: abortion – abortions – self-care – ethics

Korrespondenzadresse:
Prof. apl Dr. med. Dr. rer. nat. Mechthild Neises-Rudolf
im Beirat der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkun- de und Geburtshilfe, DGPFG e. V.
Tel. +49 (0) 160 97987844
info@mechthild-neises.de

Literatur

  1. (https://www.kleines-theater.de/pro duktion/frauensache/). Zugegriffen am 15.11.2023
  2. (https://de.statista.com/statistik/da ten/studie/232/umfrage/anzahl-schwangerschaftsabrueche-in-deutschland/). Zugegriffen am 10.11.2023
  3. Poettgen H. (Hrsg.) Die ungewollte Schwangerschaft. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln; 1982
  4. Amtenbrink B. Der Schwangerschaftsabbruch im Erleben des ausführenden Arztes – eine Repräsentative Umfrage unter besonderer Berücksichtigung der Notlagenindikation. Dissertation Medizinische Hochschule Hannover; 1989
  5. Amtenbrink B. Schwangerschaftsabbruch als Konflikt für den ausführenden Arzt. Enke-Verlag, Stuttgart; 1991
  6. Amtenbrink B. Schwangerschaftsabbruch und ausführender ArzT: Bereitschaft, Bewußtsein, Bedenken. In: Petersen P, Fervers-Schorre B und Schwerdtfeger J. (Hrsg.) Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe 1992/93 Springer-Verlag, Berlin S. 55–56; 1993
  7. – 18. online

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