- 1.Gyne 01/2021 – Kreative Schreibtherapie im medizinischen Kontext
- 2.Gyne 02/2021 – Welche Vor- und Nachteile hat die Menopausale Hormontherapie (MHT) mit „Bioidentischen“ Hormonen?
- 3.Gyne 03/2021 – Vulvodynie – Die Behandlung in der Frauenarztpraxis mit der Patientin gemeinsam gestalten!
- 4.Gyne 08/2021 – Stress auf den letzten Metern? – Fetale Gewichtsschätzung in Terminnähe und deren Bedeutung für Schwangere
- 5.Gyne 03/2022 – „…danach bin ich jahrelang nicht mehr zur Vorsorge gegangen“: Leitfaden für die gynäkologische Unterleibsuntersuchung
- 6.Gyne 02/2023 – Erwachen aus dem Dornröschenschlaf? Stellenwert der Sexualmedizin in der Frauenheilkunde
- 7.Gyne 04/2023 – Schwangerschaftsabbruch – mögliche Folgen für das medizinische Personal
- 8.Gyne 01/2024 – Die genderinklusive gynäkologische Praxis
- 9.Gyne 02/2024 – Nichthormonelle Kontrazeption: Es wird Zeit, sich darum zu kümmern!
- 10.Gyne 04/2024 – Sexualität und Partnerschaft nach der Geburt – „Es ist anders, als wir dachten!“
- 11.Gyne 01/2025 – Psyche und Somatik nach belastend erlebter Geburt
- 12.Gyne 02/2025 – Beratung zu den Wechseljahren – Zeit für Empowerment statt Pathologisierung
- 13.Gyne 03/2025 – Schatten & Licht e. V – Initiative peripartale psychische Erkrankungen
- 14.Gyne 04/2025 – Statement zur Gewaltdebatte in der Geburtshilfe – Zwischen Nocebo und neuem Vertrauen
- 15.Gyne 05/2025 – Beitrag der Hebamme zur Versorgungsqualität bei Schwangerschaftsabbrüchen
- 16.Gyne 06/2025 – Versorgungsbedarfe von ungewollt Schwangeren in vulnerablen Lebenslagen
Gyne 05/2025
Beitrag der Hebamme zur Versorgungsqualität bei Schwangerschaftsabbrüchen
Autorin:
A. Köbke
Einleitung
Die direkte Verbindung von Hebammen und Schwangerschaftsabbrüchen ist oft nicht ersichtlich, da meist Ärztinnen und Ärzte eingebunden sind. In der Praxis ist das Thema aber unter anderem durch die medizinisch indizierten späten Schwangerschaftsabbrüche im klinischen Setting präsent. Beruflich ist die Autorin dieses Beitrags mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch bereits in ihrer Ausbildung 1991 konfrontiert worden. Damals wie heute sind Handlungsanweisungen wünschenswert, die Sicherheit bieten – basierend auf einem gesellschaftlichen Konsens, auf den sich alle Gesundheitsberufe stützen können.
Bis heute stehen wir vor der Frage, wie das Recht auf und die medizinische Versorgung von Schwangerschaftsabbrüchen aussehen können. Im Folgenden soll auf die gegenwärtige und zukünftig mögliche Rolle von Hebammen und Geburtshelfern eingegangen werden. Auch internationale Forderungen sowie die jeweiligen Positionen der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO), des internationalen Hebammenverbands (International Council of Midwives, ICM) und des Deutschen Hebammenverbands e. V. (DHV) werden dabei mit einbezogen.
Die stärkere Einbindung von Hebammen in die Versorgung rund um Schwangerschaftsabbrüche ist nicht nur eine Erweiterung der Versorgungskompetenz, sondern auch eine Antwort auf zunehmende Herausforderungen im Gesundheitssystem, wie den Mangel an ärztlichem Personal und die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung. Auch die Qualität und Effizienz der Betreuung von Patientinnen können verbessert werden.
Juristische Grundlagen [1]
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland für alle Beteiligten straffrei, wenn er nach der Beratungsregelung erfolgt (§ 218a Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB)) oder wenn es einen medizinischen oder kriminologischen Grund für den Abbruch gibt (§ 218a Absatz 2 und 3 StGB).
Bei einem Abbruch nach der Beratungsregelung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Schwangere, die den Ein-griff verlangt, muss sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen.
- Sie hat der Ärztin oder dem Arzt, die oder der den Eingriff vornehmen soll, eine Beratungsbescheinigung über das stattgefundene Beratungsgespräch vorzulegen.
- Eine Ärztin oder ein Arzt muss den Schwangerschaftsabbruch innerhalb von zwölf Wochen p. c. vornehmen. Es darf sich dabei nicht um dieselbe Person handeln, die das Beratungs gespräch geführt hat.
- Ein medizinischer Grund für einen Schwangerschafts abbruch liegt vor, wenn für die Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes besteht (= sogenannte medizinische Indikation). In diesem Fall bleibt ein Abbruch auch nach der 14. Schwangerschaftswoche straffrei.
Ausgangslage: Versorgungslücken, Zugang und rechtlicher Rahmen
Die Versorgung rund um den Schwangerschaftsabbruch sollte für alle Frauen wohnortnah, barrierearm und qualitativ hochwertig zugänglich sein. Im deutschen Gesundheitssystem erschweren jedoch gesetzliche Beschränkungen und die Einbindung von Schwangerschaftsabbrüchen ins Strafgesetzbuch (§ 218 StGB) einen diskriminierungsfreien Zugang und ein diskriminierungsfreies Angebot.
Der Schwangerschaftsabbruch ist als einzige medizinische Versorgungsleistung im Strafgesetzbuch geregelt, damit ist er kein selbstverständlicher Teil einer medizinischen Versorgungsleistung. Weder bis zur zwölften Schwangerschaftswoche (SSW) p. c., noch darüber hinaus, wenn im Rahmen der Pränataldiagnostik Befunde zu der Entscheidung einer Schwangerschaftsbeendigung führen.
Hebammen und Schwangerschaftsabbruch
Hebammen sind ausgebildete Expertinnen und von Familienplanung über Schwangerschaft und Geburt bis in das Wochenbett hinein involviert (▶ Abb. 1). Sie sind vertraute Ansprechpersonen für Frauen in allen Bereichen der reproduktiven Gesundheit, sind niedrigschwellig und aufsuchend tätig. Sie bringen umfangreiche Kenntnisse in Beratung, Begleitung, Wochenbettbetreuung und psychosozialer Unterstützung mit. Die Nähe zu den betreuten Familien sowie ein hoher Vertrauensvorschuss machen Hebammen zum prädestinierten medizinischen Fachberuf in der Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen.
Abb. 1: Einsatzorte der Hebamme im Betreuungsbogen. Darstellung der außerklinischen und klinischen Settings sowie der jeweiligen Aufgabenbereiche der Hebamme in den verschiedenen Phasen der Betreuung. © Deutscher Hebammenverband
Rolle der Hebamme in der Gesundheitsversorgung und beim Schwangerschaftsabbruch nach WHO
Hebammen sind nach WHO-Verständnis tragende Säulen für eine evidenzbasierte, frauenorientierte Gesundheitsversorgung – inklusive der Begleitung beim Schwangerschaftsabbruch. In der „Abortion Care Guideline“ [2] von 2022 fordert die WHO explizit ein, dass Hebammen – sofern anhand entsprechender nationaler Gesetze geschult und autorisiert – eine Kernrolle bei der sicheren Versorgung rund um den Schwangerschaftsabbruch einnehmen sollen. Die WHO betrachtet sichere Schwangerschaftsabbrüche als grundlegenden Bereich der reproduktiven Gesundheitsversorgung.
Entsprechend der WHO-Richtlinien sollen Hebammen medizinische Abbrüche im ersten Trimester (Medikamentengabe) und ggf. instrumentelle Verfahren eigenständig durchführen können. In Frankreich ist dies bereits tägliche Praxis. Studien zeigen, dass der Schwangerschaftsabbruch sicher und effektiv ist, wenn Hebammen fundiert geschult sind. Die WHO fordert deshalb, Hebammen ausreichend auszubilden und zu befähigen, sämtliche Aufgaben im Kontext des Schwangerschaftsabbruchs kompetent und ohne Angst vor Diskriminierung oder Kriminalisierung auszuüben. Sie werden als wichtige Ansprechpartnerinnen und Schnittstelle im Gesundheitssystem betrachtet, um Patientinnen Rechte und Versorgungsoptionen verständlich zu erklären und deren Entscheidungsautonomie zu fördern. Konkret empfiehlt die WHO, Hebammen aktiv einzubinden und die Zusammenarbeit zu stärken.
Rolle der Hebamme beim Schwangerschaftsabbruch nach ICM
Der ICM hat aktuell ein überarbeitetes Positionspapier zur Rolle der Hebamme beim Schwangerschaftsabbruch herausgebracht. Er definiert die Rolle der Hebamme als zentralen Bestandteil einer umfassenden und sicheren Versorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Hebammen sollen in alle Phasen des Schwangerschaftsabbruchs eingebunden sein, um eine evidenzbasierte, menschenrechtsorientierte Versorgung zu erbringen und zu gewährleisten (▶ Infobox. 1).
Infobox 1: Zentrale Aufgaben und Kompetenzen der Hebammen im Kontext des Schwangerschaftsabbruchs nach ICM:
– Beratung und Informationsvermittlung: Hebammen informieren über Behandlungsmethoden und deren Risiken und unterstützen bei der Entscheidungsfindung
– Durchführung von medikamentösen und instrumentellen Abbrüchen im Rahmen ihrer fachlichen Kompetenzen und der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben
– Betreuung nach dem Abbruch: Versorgung bei Komplikationen, Beratung zur Empfängnisverhütung und psychosoziale Unterstützung
– Ermöglichung und Begleitung von Selbstmanagement-Ansätzen, etwa beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch oder selbstbestimmter Empfängnisverhütung
Darüber hinaus betont der ICM das Recht von Hebammen, Schwangerschaftsabbrüche zu begleiten und durchzuführen, ohne Angst vor Diskriminierung, Bedrohung oder strafrechtlicher Verfolgung. Diesen Vorgaben entsprechende Schutzregelungen durch Arbeitgeber, Gesundheits- und Rechtssysteme sind laut ICM unabdingbar, um die fachgerechte Versorgung zu gewährleisten.
Schwangerschaftsabbrüche mit Beratungsregelung nach § 218 bis zur zwölften SSW p. c.
Der Deutsche Hebammenverband und internationale Leitlinien (z. B. WHO, ICM) sprechen sich zunehmend dafür aus, dass Hebammen – im Sinne einer verbesserten Versorgungslage und Entkriminalisierung – künftig auch medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche in der Frühschwangerschaft durchführen dürfen. Voraussetzung dafür wären eine Anpassung der rechtlichen und berufsrechtlichen Rahmen bedingungen sowie eine entsprechende Erweiterung der Aus- und Weiterbildung.
In Ländern wie Nepal, Schweden, Frankreich und Südafrika [3] ist es Hebammen erlaubt, medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche selbstständig von der Beratungsleistung bis zur Verordnung und der Ausgabe entsprechender Medikamente durchzuführen. Nach der Anpassung der „Differenzierten strukturellen Anforderungen“ [4] für Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen bestehen geringe organisatorische Hürden für die Durchführung eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruch in Deutschland [4]. Es wären eine Anpassung des Beruferechts und eine entsprechende Wissens- und Kompetenzvermittlung im Studium notwendig, um Hebammen effektiv in diese Versorgung einzubinden. Analog zu Frankreich ist eine Ausbildung zur Ausführung von instrumentellen Abbrüchen denkbar.
Schwangerschaftsabbrüche nach medizinischer Indikation nach zwölfter SSW p. c.
Im Falle der Begleitung medizinisch induzierter Abbrüche sind Hebammen in der ambulanten und stationären Versorgung in großen Pränatalzentren bereits eingebunden und nehmen eine wichtige Schnittstelle ein. Die Tätigkeitsfelder auf Pränatalstationen und in Pränatalambulanzen sind automatisch mit Schwangerschaftsabbrüchen verwoben. Schwangere kommen hierher zur generellen Pränataldiagnostik, zur Abklärung auffälliger Befunde oder aufgrund von Schwangerschaftsabbrüchen aus medizinischer Indikation. Folgende Aufgabenbereiche werden bereits von Hebammen wahrgenommen und/oder sind denkbar (▶ Tab. 1).
Tab. 1: Aufgabenbereiche, die im Kontext des Schwangerschaftsabbruchs auf Pränatalstationen und in Pränatal ambulanzen bereits von Hebammen wahrgenommen werden und/oder denkbar sind.
Mögliche Aufgabenbereiche von Hebammen bei Schwangerschaftsabbrüchen mit medizinischer Indikation
- Anamnese
- Übergabe und Besprechung ärztlicher Dienst
- Abklärung und Assistenz bei der
- Klärung von akuten Beschwerden
- Interdisziplinäre Entwicklung eines Therapieplans
- begleitende psychosoziale Unterstützung
- Durchführung oder Assistenz bei Ultraschalluntersuchungen
- Teilnahme an der Ethikkommission
- Unterstützung der Angehörigen
- Assistenz beim Fetozid
- Betreuung und Begleitung der Geburt
- Begleitung und Assistenz im OP
Die dauerhafte Anwesenheit der Hebamme auf Pränatalstationen macht sie zu einer zentralen Ansprechpartnerin und Schnittstelle zwischen Patientin und ärztlichem Dienst. Der Mangel an ärztlichem Personal verstärkt die Notwendigkeit, die Kompetenzen der Hebammen für die stationäre Versorgung zu nutzen und zu erweitern. Im Rahmen der Vollakademisierung ist eine Spezialisierung auf Pränatalberatung, traumasensible Begleitung oder Ultraschalldiagnostik im Rahmen von Masterstudiengängen für Hebammen naheliegend und perspektivisch sehr wünschenswert.
Rolle der Hebamme bei auffälligen Befunden in der Pränataldiagnostik und späten Schwangerschaftsabbrüchen
Pränataldiagnostik ist für viele Schwangere heute fester Bestandteil der Schwangerschaftsvorsorge und wird von den meisten Paaren selbstverständlich angenommen. Zum Teil ist den Betroffenen der Unterschied zwischen Vorsorgeleistungen und Pränataldiagnostik nicht bewusst [5]. Ein auffälliger pränataldiagnostischer Befund stellt die Betroffenen oft vor existenzielle Entscheidungen, insbesondere wenn ein medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbruch erwogen werden muss. Gerade in dieser hochsensiblen Phase sind eine umfassende Begleitung und professionelle Beratung essenziell – hier nimmt die Hebamme eine spezifische und absolut unverzichtbare Rolle ein.
Hebammen sind bereits heute in Pränatalambulanzen und geburtshilflichen Einrichtungen aktiv an der Beratung und Betreuung im Kontext auffälliger Ergebnisse der Pränataldiagnostik beteiligt. Ihre Aufgabe umfasst nicht nur die verständliche Aufklärung über Möglichkeiten, Grenzen und Konsequenzen pränataldiagnostischer Verfahren, sondern auch die psychosoziale Unterstützung während der Entscheidungsfindung und im weiteren Verlauf. Falls gewünscht oder notwendig, übernehmen sie zudem die Begleitung und Assistenz beim medikamentösen oder instrumentellen Spätabbruch.
Unklare Versorgungspfade
Die besonderen Herausforderungen beginnen für viele Schwangere und ihre medizinische Betreuung bei einem auffälligen Befund, ohne dass für die weitere Versorgung ein strukturierter Behandlungspfad existiert. Es ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit, dass die Institutionen, die pränatale Diagnostik anbieten, auch eine weiterführende medizinische Versorgung gewährleisten oder vermitteln. Schwangere, bei denen ein auffälliger Befund festgestellt wird und die sich auf dieser Grundlage für einen Abbruch entscheiden, werden häufig mit der Organisation ihrer weiteren Versorgung – der Suche nach einem geeigneten Zentrum für einen späten Schwangerschaftsabbruch – alleingelassen.
Gerade für diese Frauen und Paare stellt dies eine erhebliche zusätzliche psychische Belastung dar, zusätzlich zu der ohnehin krisenhaften Situation. Für Hebammen bedeutet diese Versorgungsrealität, dass sie die Frauen zwar fachlich kompetent beraten, begleiten und beim Schwangerschaftsabbruch unterstützen, jedoch vielfach zwischen den Schnittstellen verloren gehen.
Ohne geregelte Versorgungspfade bleibt auch für sie die Betreuung fragmentiert. Gleichzeitig ist der professionelle Umgang mit späten
Schwangerschaftsabbrüchen hochbelastend – emotional wie ethisch. Hebammen können hier essenziell sein, indem sie medizinisch-assistierend tätig sind. Darüber hinaus sorgen sie durch kontinuierliche, psychosoziale Präsenz für Stabilität, Orientierung und Entlastung.
Forderung
Um die Lücken zwischen Pränataldiagnostik und Versorgung von Schwangeren nach auffälligen Befunden zu schließen, muss eine rechtsverbindliche Vorgabe existieren, die alle Einrichtungen, die Pränataldiagnostik anbieten, verpflichtet, Versorgungspfade für Frauen mit auffälligen Befunden sicherzustellen – inklusive einer strukturierten Überleitung in geeignete Zentren für Schwangerschaftsabbrüche im Falle einer entsprechenden Entscheidung der Frau. Nur so kann gewährleistet werden, dass betroffene Schwangere nahtlos psychosozial, medizinisch, ärztlich und hebammenfachlich begleitet werden – ohne dass sie in einer Ausnahmesituation allein nach passenden Versorgungsstrukturen suchen müssen.
Die Hebamme als Expertin der reproduktiven Gesundheit
Hebammen sind vertraute Ansprechpersonen für Frauen in allen Phasen der reproduktiven Gesundheit. Sie bringen umfangreiche Kenntnisse in Beratung, Begleitung, Wochenbettbetreuung und psychosozialer Unterstützung mit. Die Nähe zu den betreuten Familien sowie ein hoher Vertrauensvorschuss machen Hebammen zu zentralen Akteurinnen, auch in der Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen.
Hebammen können – entsprechende Weiterbildung vorausgesetzt – sicher sowohl medikamentöse als auch chirurgische Schwangerschaftsabbrüche begleiten und durchführen. Internationale Studiendaten und Leitlinien bestätigen die Sicherheit und Akzeptanz dieser Versorgung durch Hebammen, solange eine adäquate Notfallversorgung s ichergestellt ist. Eine vertrauensvolle, interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Hebammen ist selbstverständlich die Grundvoraussetzung dafür.
Voraussetzungen und Perspektiven für Deutschland
Für eine Erweiterung der Hebammenrolle sind folgende Schritte unerlässlich:
- Änderung des Hebammen -gesetzes, der Berufsordnungen und Klärung der Vergütungs fragen
- Anpassung der Ausbildungs- und Weiterbildungsinhalte an neue Aufgabenfelder
- Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und Entfernung der Versorgung aus dem Strafgesetzbuch
- Aufbau von Netzwerken und interprofessionellen Kooperationsstrukturen
- Etablierung von Qualitätsstan-dards und klaren Handlungspfaden für die Zusammenarbeit aller beteiligten Berufsgruppen
Empfehlungen an Politik, Berufsverbände und die Praxis
Analog zu den Forderungen des ICM lassen sich diese wie folgt auf Deutschland übertragen:
Auf politischer Ebene: Entkriminalisierung des Schwangerschafts abbruchs, Schutz der Hebammen sowie rechtlicher Rahmen für deren Tätigkeit im gesamten Spektrum der Abbruchversorgung, Änderung des Berufegesetzes.
Auf berufspolitischer Ebene: Einsatz für die Erweiterung der Hebammenaufgaben im Betreuungsbogen, Einsatz für eine Anpassung der Studieninhalte, Forderung für umfangreiche praktische Ausbildungsangebote, Unterstützung der Kolleginnen und Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit.
Auf praktischer Ebene: Förderung von interprofessioneller Zusammenarbeit und Netzwerken sowie Sicherstellung einer individuellen, informierten und würdevollen Betreuung der Schwangeren, Festschreibung von regionalen Versorgungsangeboten und Versorgungspfaden.
Fazit
Die Integration von Hebammen in die Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch ist eine logische Konsequenz aus internationalen Erkenntnissen von WHO und ICM, den gestiegenen Versorgungsansprüchen und dem demografischen Wandel. Hebammen bieten wohnortnahe, niedrigschwellige und ganzheitliche Unterstützung, die Versorgungslücken schließt und die Rechte sowie das Wohlergehen der Frauen stärken kann. Entkriminalisierung, gesetzliche Rahmenbedingungen und verantwortungsvolle Kooperation zwischen Ärzteschaft und Hebammen sind dafür Voraussetzung.
Literatur:
- Schwangerschaftsabbruch (Abtreibung). BMBFSFJ. (https://www. bmfsfj.de). Zugegriffen: 15.09.2025
- Abortion care guideline. Geneva: World Health Organization; 2022. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO. (https://www.who.int/publications/ i/item/9789240039483). Zugegriffen: 20.07.2025
- Fullerton J, Butler MM, Aman C, Reid T, Dowler M. Abortion-related care and the role of the midwife: a global perspective. Int J Womens Health 2018; 10: 751–762
- Differenzierte Anforderungen an Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Gemeinsamer Bundesausschuss. (https://www.g-ba.de/service/fachnews/206/)
- Mertens C. Der Informiertheitsgrad schwangerer Frauen im Vorfeld von Pränataldiagnostik am Beispiel des Bonner Modellprojektes „Psychosoziale Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik“. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: 2009
Interessenskonflikte:
Die Autorin erklärt, dass sie Mitglied im Präsidium des Deutschen Hebammenvereins e. V. ist.
Korrespondenzadresse:
Andrea Köbke
Beirätin für den Angestelltenbereich
Mitglied im Präsidium Deutscher Hebammenverband e. V.
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