Gyne 05/2017
Wie gelingt Schwangerschafts-Verhütung? Bekanntes und Neues zu einem alltäglichen Thema in der Praxis
Autorin: Dr. Claudia Schumann
Verhütung bedeutet „auf der Hut sein“ – und verlangt Wissen und Kommunikation
Wenn ein Mann und eine Frau Sex miteinander haben wollen, dabei aber kein Kind entstehen soll, müssen sie vorab die Frage der Verhütung klären: Wer sorgt dafür, dass nichts passiert? Schützt sich die Frau vor Empfängnis, indem sie den Eisprung unterdrückt (Pille), die Nidation verhindert (Spirale) oder den Spermien das Eindringen in ihren Uterus schwer bis unmöglich macht (Diaphragma, Zervixkappe)? Verhindert der Mann, dass seine Spermien in das Innere der Frau gelangen, indem er den Samenerguss im Kondom auffängt oder indem er seinen Penis aus der Scheide zurückzieht vor dem Erguss (Coitus interruptus)? Handeln sie beide aus, dass sie Sex haben ohne Einführen des Penis in die Scheide (Petting, Abstinenz)? Verlassen sie sich auf die Methoden der Natürlichen Familienplanung (NFP), das heißt auf Ausrechnen, wann nichts passieren kann (Kalendermethode), oder auf das Feststellen durch Beobachtung, wann der Eisprung vorbei ist (symptothermale Methode)?
Vieles ist möglich für „Sex ohne Folgen“. Aber es setzt zwei wesentliche Dinge voraus: Wissen und Kommunikation. Beide – Mädchen und Junge, Frau und Mann – müssen Bescheid wissen über Zeugung, Empfängnis und Verhütung; und sie müssen miteinander klären, was sie wollen und sich entscheiden, wie viel Risiko sie bereit sind einzugehen und was sie sich/ihrem Körper jeweils zumuten wollen.
Dass das nicht so einfach ist, trotz der breiten Palette von Verhütungs-Methoden, beweist die Realität: In Deutschland werden immer noch jährlich knapp 100.000 Schwangerschaften abgebrochen! Die Quote der Abbrüche pro Frauen sinkt allmählich, sie hat sich in den letzten Jahren bei 56 von 10.000 Frauen eingependelt, bis 2012 lag sie noch bei 59 pro 10.000 Frauen. Zwar ist das Zahlenverhältnis zwischen Abbrüchen und Geburten in den letzten 10 Jahren kontinuierlich von 18% auf 15% gefallen, dennoch wird, wenn man davon ausgeht, dass auch eine große Zahl der ausgetragenen Schwangerschaften anfangs „ungewollt“ waren, deutlich: Sexuelle Lust und Schwangerschaftsverhütung passen anscheinend nicht gut zusammen! So bleibt das Thema wichtig, für Frauen, Männer und vor allem auch für die sie beratenden Fachleute, damit die Zahl der ungewollten Schwangerschaften weiter abnimmt.
Wie verhütet man in Deutschland – und anderswo? Welche Konsequenz hat das für die Beratung?
Die Deutschen sind „vernünftig“ – das belegen Zahlen aus einer repräsentativen Umfrage (BZgA 2011): „Die Sicherheit steht bei der Wahl des Verhütungsmittels im Vordergrund, gefolgt von praktischen Erwägungen.“ Das heißt konkret: Mehr als die Hälfte der sexuell aktiven Bevölkerung, die Verhütungsmittel anwenden, verlassen sich auf die „sichere“ Pille (53 %), immerhin 37 % auf die „praktischen“ Kondome. 10% gaben die Spirale als Verhütungsmittel an, nur 3 %der Männer bzw. 2 %Frauen hatten sich sterilisieren lassen, überwiegend Personen im Alter über 40 Jahren. In dieser Befragung wurden Methoden der NFP kaum angegeben, niemand verließ sich auf Coitus Interruptus (CI). In anderen Ländern und Kulturen sieht es anders aus: Eine Umfrage unter türkischen Frauen, die in Berlin leben, kam zu dem Ergebnis, dass 28 % der Frauen zur Verhütung die Pille einnehmen, sich ähnliche viele auf Kondome verlassen, aber 38% (!) auf den CI [1]. Diese auf einer relativ kleinen Zahl von Fragebögen (n= 200) beruhenden Aussagen werden bekräftigt durch eine Erhebung in der Türkei (n = 2.908), der zufolge 25% der Befragten mit CI verhüteten. Überwiegende Begründung: „Tradition“, Ablehnung von Pille und Spirale wegen vermuteter gesundheitlicher Schäden [1]. Wieder andere Daten gibt es aus Kanada [2]: Danach verlässt sich ebenfalls die Mehrzahl der Frauen auf die hormonelle Kontrazeption bzw. auf Kondome – aber immerhin 11,6 % gaben den CI als Verhütungsmethode an, und sogar nur 4,5 %die Spirale. Warum sind solche Zahlen wichtig? Es hilft bei der Beratung, um nicht mit der „medizinischen Vernunft“ an der durch Tradition und Vorwissen geprägten Realität der Ratsuchenden vorbei zu reden. Das gilt für Frauen aus anderen Kulturen, aktuell besonders für geflüchtete Frauen, die kein Kind wollen aber eine „sichere“ Verhütung ablehnen bzw. „nicht vertragen“. Für transkulturelle Kommunikation sind vier Schritte von zentraler Bedeutung: „1. Unterschiede zwischen Individuen erkennen/ 2. Gemeinsamkeiten zwischen Individuen, die auf den ersten Blick unterschiedlich scheinen, wahrnehmen/ 3. Ziele und Bedürfnisse klären/ 4. strukturelle Bedingungen so verändern, dass es möglich ist, das Ziel zu erreichen“ [3]. Übersetzt heißt das: Mit Blick auf das gemeinsame Ziel („Schwangerschaft verhüten“), die unterschiedlichen Wege dahin wahrzunehmen, dabei die Frau und ihr Verhalten zu akzeptieren, unterschiedliche Vorstellungen zu thematisieren und behutsam zu informieren (Unsicherheit des „Aufpassens“ / Ungefährlichkeit von Pille bzw. Spirale). Eine unvoreingenommene Beratung kann der Frau helfen, sich und ihren Verhütungswunsch gegenüber ihrem Partner durchzusetzen. Denn das war ein weiteres Ergebnis der Befragung der türkischen Frauen: Die ärztliche Meinung zählt! Zwar ist bei vielen (25 %)der Mann für die Verhütung zuständig, er entscheidet in 40 % über die Methode (gegenüber bei nur 5 % der deutschen Frauen), aber mehr als 60 %der Befragten gaben die ÄrztInnen als ihre wichtigsten Informationsquellen an. Kondom: Das Stiefkind der Verhütungsberatung Woher sollen junge Männer wissen, wie sie mit einem Kondom verhüten? „Kann doch jeder“, „einfach überziehen“ – stimmt nicht und führt oft zu Problemen. Einiges über die Gebrauchs- Anwendung sollten auch FrauenärztInnen parat haben. Denn immerhin ist es das zweitmeist-genutzte Verhütungsmittel, und ein „Kondom-Missgeschick“ ist einer der häufigsten Gründe für die Pille-Danach. “How to use a condom?“ Die richtige Größe wählen (damit es weder platzt noch abrutscht) – die Technik des „Abrollens“ inkl. Entfernen von Luftblasen üben – passendes Gleitmittel (wenn erforderlich) verwenden (Latex-Kondome können durch ölhaltige Gleitmittel beschädigt werden!); bei Latex-Allergie Kondome aus Kunststoff besorgen (Polyisopren, Polyurethan), die allerdings schlechter abschneiden beim Schutz vor sexuell-übertragbaren Infektionen (STI) wie Chlamydien, Gonorrhoe und HIV. „Aber es stört beim Sex/die Erektion geht weg/mein Freund empfindet dann nichts“ – solche Sätze sind eine Aufforderung zur kurzen Sexual-Beratung: Kondom-Anziehen als Teil des Sexspiels, damit üben beim Masturbieren, usw. Wenn es gelingt, mit der Frau ins Gespräch zu kommen und die passenden Worte zu finden, profitieren sie und der Partner davon. Denn dass (junge) Männer wegen der Verhütung zum Urologen gehen, davon sind wir weit entfernt. Ein Hinweis auf das Internet (www.kondom.de) kann auch “cool“ ankommen. Spirale – auch bei Nulliparae?! Obwohl die Spirale sehr sicher vor Empfängnis schützt und nicht stört beim Sex, wird sie in Deutschland eher selten genutzt, allerdings mit leicht ansteigender Tendenz: von 6% im Jahr 2004 auf 10 %im Jahr 2011. Die Zurückhaltung der Frauen mag damit zu tun haben, dass man sich mit der Spirale länger festlegt; viele haben auch Angst vor der Einlage. Zudem galt lange als Regel: „Spirale erst nach dem ersten Kind!“ Diese Botschaft, basierend auf der Sorge vor einer Unterleibsentzündung, haben anscheinend Mütter ihren Töchtern ebenso weitergegeben wie den Rat zur Pillenpause: Beides hört man noch oft in der Praxis, obwohl beides widerlegt ist. Inzwischen konnte laut der aktuellen kanadischen Leitlinie zur Kontrazeption [2] nachgewiesen werden, dass die Spirale auch für Nulliparae kein erhöhtes Risiko darstellt für aufsteigende Infektionen des kleinen Beckens. Zudem haben sich die positiven Nebenwirkungen besonders der Hormonspirale herumgesprochen: Besserung einer Dysmenorrhoe, geringere und kürzere Blutung bis hin zur Amenorrhoe – alles gute Gründe, durchaus auch jüngeren Frauen die Spirale als sicheres Kontrazeptivum anzubieten, wenn sie längerfristig verhüten wollen. Die Industrie hat das erkannt und eine „kleine“ Hormonspirale (Jaydess) auf den Markt gebracht, die das Einsetzen bei enger Zervix erleichtert und eine geringere tägliche Hormonmenge abgibt (anfangs 10μg tgl. gegenüber 20μg tgl. bei der Mirena). Die Liegedauer ist auf drei Jahre begrenzt. Für Mai 2017 ist eine weitere Spirale angekündigt (Kyleena) mit ebenfalls reduzierter Hormonfreigabe (17,5 μg) bei einer Liegedauer von fünf Jahren. Erhofft wird, damit die Rate der Nebenwirkungen (depressive Verstimmung, Migräne) zu verringern, wie in ersten Studien berichtet.
Pillen-Probleme: Wie mit den Sorgen und Befürchtungen umgehen?
Die Pille (übliche Abkürzung für orale Ovulationshemmer) schützt mit fast 100 %iger Sicherheit. Der Umgang mit diesem so „logischen“ Verhütungsmittel ist sehr unterschiedlich: Viele junge Mädchen verlangen ganz selbstverständlich danach, „dann weiß ich, wann die Regel kommt – und die Haut wird auch schöner“. Auf der anderen Seite hört man starke Bedenken: „Chemie – macht Krebs – später kriegt man keine Kinder.“ Viele Frauen nehmen sie mit schlechtem Gefühl, notgedrungen, weil sie sicher kein Kind bekommen wollen, oder setzen sie möglichst schnell ab, aus unterschiedlichen Gründen. Frauenärztliche Aufgabe ist es, tatsächliche Risiken und Nebenwirkungen von Vermutungen und Mythen zu trennen.
Zentrale Nebenwirkung ist das erhöhte Thrombose-Risiko, verbunden mit der Gefahr der oft tödlichen Lungenembolie. Berichte darüber führen zu Schlagzeilen und zu schnellem Absetzen der Pille. Dass eine Verdopplung „nur“ bedeutet, dass unter der Pilleneinnahme zwei bis drei Frauen von 10.000 eine Thrombose bekommen, kann die Angst vor der Pille deutlich reduzieren. Wobei diese Zahlen für Pillen mit dem Gestagen Levonorgestrel (LNG) gelten, d.h. die Pillen der sogenannten zweiten Generation. Gleichzeitig ist das ein guter Einstieg, um klar gegen das Rauchen (das das Risiko extrem erhöht) zu argumentieren, und vor allem für diese „alten“ Pillen zu werben, die zwar nicht so „chic“ beworben werden mit positiven Versprechungen für Haut und Gewicht wie die neueren Pillen-Präparate, aber ungefährlicher sind.
Dass sich bei der Einnahme der Pillen der sogenannten dritten und vierten Generation das Risiko auf 9–12 Embolien pro 10.000 Frauenjahre erhöht, ist bekannt. Aber es ist schon verblüffend, dass diese Pillen dennoch unverändert breit verordnet werden! Im kürzlich erschienenen Pillenreport 2015 [4], beruhend auf den Daten der Techniker Krankenkasse, ist belegt: „Von den 19-jährigen TK-Versicherten, welche die Pille einnahmen, erhielten über zwei Drittel ein Präparat mit höherem (oder unklarem) Thromboserisiko.“ Die AutorInnen erklären diese medizinische Unsinnigkeit mit der Marktstrategie: „ Die Hersteller von Pillen haben offenbar herausgefunden, wie man gerade für die Zielgruppe der jungen Frauen neue Medien nutzt, um diese spezifisch und mit ihrer Sprache zu erreichen. Die Warnhinweise hingegen sowohl von Behörden als auch die Stimmen kritischer Ärzte und Wissenschaftler verhallen offenbar im Raum.“ FrauenärztInnen sollten sich nicht vor diesen Karren spannen lassen, auch wenn es durchaus mühsam sein, mit Argumenten gegen den dezidierten Wunsch eines Mädchens anzugehen.
Die Verkaufszahlen der Pillen legen nahe, dass viele Frauen bei der „Einstiegs- Pille“ bleiben: „Mehr als die Hälfte dieser Mittel enthält Gestagene, die entweder ein bisher ungeklärtes (z.B. Dienogest oder Chlormadinon) oder ein schon oft nachgewiesenes höheres Thromboserisiko (z. B. Desogestrel oder Drospirenon) aufweisen als Mittel mit Levonorgestrel.“ Kaum eine der Frauen schaut in den Beipackzettel und ist sich des (unnötig- erhöhten!) Risikos bewusst. Es lohnt sich, Frauen darauf anzusprechen und ihnen Mut zu machen, auf ein anderes Präparat zu wechseln. Denn mit dem Alter steigen nicht nur das Thrombose-Risiko, sondern auch die Sorge um die Gesundheit und die Einsichtsbereitschaft. Der Wechsel gelingt meist problemlos, die negativen Befürchtungen (Haut/Haare/Gewicht) treten nur selten ein bzw. sind vorübergehend. Dazu kommt die Freude über den meist deutlich niedrigeren Preis der neuen „alten“ Pille.
Die andere große Befürchtung vieler Frauen „mehr Krebs durch die Pille“ konnte durch große Langzeitstudien weitgehend ausgeschlossen werden [5]. Ebenso wird die Fertilität nicht verringert. Das Hauptproblem dabei ist eher, dass der „Absprung“ in das Wagnis „Kinderwunsch“ nicht oder erst spät erfolgt. Die mit den Jahren absinkende Empfängnisbereitschaft sollte bei der Pillen-Langzeit-Verschreibung durchaus Thema sein.
Die Sorge vor Gewichtszunahme ist fast immer Thema bei der Erstverschreibung. Da gibt es keinen Automatismus, jedenfalls ließ sich der Zusammenhang zwischen Ovulationshemmern und Gewicht in Studien nie eindeutig belegen. Depressionen oder depressive Verstimmungen werden von Pillen-Anwenderinnen immer wieder berichtet. Bislang ist nicht eindeutig geklärt, womit das zu tun hat: Direkte Wirkung der Hormone oder indirekte Wirkung, z.B. Ausdruck eines latenten (unbewussten) Kinderwunsches, der durch die Pille unterdrückt wird, oder Aversion gegen „die Chemie“? Eine aktuell publizierte Studie aus Dänemark [6] konstatiert sehr vorsichtig: „Use of hormonal contraception, especially among adolescents, was associated with subsequent use of antidepressants and a first diagnosis of depression, suggesting depression as a potential adverse effect of hormonal contraceptive use.“ Dieser statistisch erhobene Zusammenhang zwischen der OH-Einnahme und Depression wurde vor allem in der Laienpresse alarmierend dargestellt als Beweis: „Pille macht depressiv“, während ExpertInnen vor zu schnellem Rückschluss einer Kausalität warnten. Die Unklarheit über den Zusammenhang zwischen Pille und Depression bleibt!
Sexuelle Probleme, keine Lust? Laut Studien erlebt die Mehrzahl der Frauen keine Veränderung, einige Frauen berichten über eine Libido-Abnahme, andere über eine Zunahme. Eine eindeutige Aussage über den Zusammenhang ist schwierig: „Psychosocial, cultural and other relational factors, as well as personal characteristics, exert the greatest influences on sexual desire. The effect of COC´s cannot be clearly defined due to the complex nature of female sexuality and sexual desire. Future studies may increase our konwledge in this domain“ [7].
Fazit: Die Pille greift tief ein in den Hormonhaushalt, in den weiblichen Zyklus, in das Körpergefühl und das Selbstbild. Es ist wichtig, die geschilderten Probleme nicht zu bagatellisieren sondern die Klagen der Frau ernst zu nehmen und mit ihr zu überlegen, welche Alternativen es gibt.
Was sich seltsamerweise hält, ist die Frage nach der „Pillenpause“, als Erholung für den Körper. Dass das im Gegenteil ungesund ist, weil gerade jeweils in den ersten drei Monaten der Pillen-Einnahme das Thromboserisiko besonders hoch ist, sollte entsprechend oft genug klar geäußert werden.
Und weil die Pille oft vergessen wird, gehört zum Beratungsgespräch immer der Hinweis auf die Pille-Danach.
Pille-Danach ohne Rezept: Und dann?
Die Diskussion ging über viele Jahre. Die einen versprachen sich von der Rezept- Freigabe eine Befreiung der Mädchen und Frauen, hofften auf einen besseren Zugang zur Notfall-Verhütung – die andern fürchteten eine drastische Verschlechterung der Beratung bis hin zu einem Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche.
Im Januar 2015 fiel die Entscheidung plötzlich aufgrund europäischer (!) Vorgaben – ab dem 15.3.2015 ist die Pille-Danach ohne Rezept in der Apotheke erhältlich. Und dann? Die Apothekerkammer entwickelte Fortbildungs- Curricula und Checklisten, um ihre Mitglieder fit zu machen für die notwendige Beratung. Der Umsatz der Pille-Danach stieg zunächst deutlich an, von knapp 40.000 abgegebenen Packungen pro Monat auf ca. 60.000, und pendelte sich dann auf diesem Niveau ein. Umsatzstärkste Tage sind das Wochenende und nicht mehr der Montag, ein Hinweis darauf, dass ein Ziel erreicht ist: Die Frauen warten nicht, bis die frauenärztliche Sprechstunde aufmacht, sondern besorgen sich die Pille-Danach schnell selbst – und erhöhen dadurch deren Wirksamkeit. Und nicht zuletzt: Die Rate der Schwangerschaftsabbrüche hat nicht zugenommen, sondern ist im Jahre 2016 weiter leicht gefallen auf insgesamt 98.721 [8], wobei vor allem die Rate bei den jungen Frauen unter 20 Jahren gesunken ist: Von 8.806 im Jahre 2014 auf 8.065 im Jahr 2016, d.h. ein Rückgang um knapp 10 %. Die Vermutung liegt nahe, dass gerade die Jüngeren von der Rezeptfreigabe profitieren, die es ihnen ohne Scham ermöglicht ein Missgeschick zu korrigieren. Bei den Älteren, den Frauen über 40, zeigt sich der Trend nicht so deutlich: Bei ihnen beträgt der Rückgang nur knapp 3 %( 7.574 Abbrüche im Jahre 2014 gegenüber 7.363 im Jahr 2016).
Und welche Notfall-Verhütung ist die beste? Beide Wirkstoffe, Levonorgestrel (LNG) ebenso wie Uliprisatlacetat (UPA) hemmen oder verzögern den Eisprung. Deshalb ist entscheidend wichtig, dass sie möglichst schnell eingenommen werden – denn wenn es schon zum Eisprung kam, ist es zu spät. LNG wirkt kürzer, entsprechend ist es bis maximal 72 Std. nach dem ungeschützten Verkehr zugelassen, UPA bis maximal 120 Std. (5 Tage). In der Stillzeit ist LNG sinnvoller, da es zwar auch in die Milch übergeht, aber nur eine Stillpause von acht Stunden empfohlen wird – bei UPA sollte mindestens eine Woche ausgesetzt werden. Außerdem beeinträchtig UPA über mehrere Tage die Wirkung der „normalen“ Pille, länger als LNG. In jedem Fall gilt, dass nach der Notfall-Pille die gewohnte Pille weiter genommen werden kann, aber bis zur nächsten Menstruation zusätzlich Kondome verwendet werden sollten. Bekannt ist, dass ein höheres Körpergewicht (BMI > 30) die Wirksamkeit der Pille-Danach herabsetzen kann, ebenso wie manche gleichzeitig eingenommenen Medikamente (z. B. Antiepileptika, Johanniskraut, manche Antibiotika). Die Checkliste der Apotheken versucht dem allen gerecht zu werden. In Zweifelsfällen werden die Frauen auf eine frauenärztliche Beratung verwiesen. Das gilt auch, wenn der Verdacht auf Gewaltanwendung oder auf STI besteht.
Die Apotheker und Apothekerinnen haben sich nach dieser Aufgabe nicht gedrängt, die mit besonders viel Verantwortung verbunden ist und oft großes Feingefühl erfordert, aber sie scheinen sie gut zu machen. Genauere Studien zur Beratungsqualität in den Apotheken liegen (noch) nicht vor.
Am sichersten schützt die Einlage der Spirale vor einer ungewünschten Schwangerschaft: „The copper intrauterine device is the most effective method of emergency contraception“ konstatiert die kanadische Leitlinie, belegt mit hohem Evidenzlevel; die Einlage ist bis zum 7. Tag danach möglich. Die Einlage einer Spirale als Notfall- Kontrazeptivum ist nach eigenen Erfahrungen eher ungewöhnlich. Aber es macht im Einzelfall Sinn: Hohe Wirksamkeit und gesicherte Kontrazeption für die Zukunft! Bleibt abzuwarten, was in der deutschen Leitlinie zur Kontrazeption dazu stehen wird.
Ausblick: Die neue Leitlinie Kontrazeption
Laut Ankündigung ist zum Herbst 2017 die neue S3-Leitlinie Empfängnisverhütung zu erwarten, die endlich die längst abgelaufene (von 2004) ersetzen wird. Auf hohem wissenschaftlichen Niveau wird es dann Antworten auf in der Praxis immer wieder auftauchende Fragen geben: Welche relativen und welche absoluten Kontraindikationen gibt es für die Pille, wie sieht es aus mit den Nebenwirkungen und den Interaktionen, was spricht für die Spirale?
Gewappnet mit fundiertem Wissen wird es auch in Zukunft entscheidend darum gehen, ins Gespräch zu kommen: Wie unterstützt man Mädchen/ Frauen (und ihre Partner) unterschiedlichster Herkunft, Bildung und Kultur möglichst gut dabei, in der jeweiligen Lebenssituation die für sie passende Verhütungs-Methode zu wählen, und wie stärkt man sie dazu miteinander ins Gespräch zu kommen? So, dass sie Spaß am Sex haben können, ohne Sorge vor unerwünschten Folgen.
Literatur: medizin.mgo-fachverlage.de
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Claudia Schumann
Frauenärztin/Psychotherapie
Vizepräsidentin der DGPFG (Deutsche Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe)
Hindenburgstr.26
37154 Northeim
Tel.: +49 (0) 5551/4774
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