Überspringen zu Hauptinhalt

Artikel eines Beiratsmitgliedes – September 2018

Berliner Studie zur Verwendung einer Informations-App zur Begleitung des zu Hause durchgeführten medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs.

Jana Maeffert, Julia Bartley*

*Leiterin der Abteilung Reproduktionsmedizin
Universitätsklinikum Magdeburg
Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin
Gerhart-Hauptmann-Straße 35
39108 Magdeburg

Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch (mSAB) ist eine international etablierte Methode, die in Wirksamkeit und Sicherheit mit dem chirurgischen SAB vergleichbar ist. Beim mSAB wird eine Blutung nach einem uterinen „priming“ mit einem Antigestagen durch ein Prostaglandin induziert. Die häufigsten verwendeten Medikamente sind 200mg Mifepriston, 36-48 Stunden später gefolgt von 400-800μg Misoprostol. Die hohe Sicherheit dieser Methode hat in den letzten Jahren dazu geführt, einen sogenannten „home use“ anzubieten: das Antigestagen wird zumeist in einer medizinischen Institution eingenommen, während die Blutungsinduktion durch das Prostaglandin zu Hause erfolgt.

In europäischen Studien entscheiden sich Frauen mehrheitlich für den mSAB, wenn ihnen die Wahl gegeben wird, Gleiches gilt für den „home use“. Insbesondere das Gefühl größerer Autonomie und Privatsphäre werden als Begründungen für diese Entscheidungen angeführt. Eine gute Beratung und Begleitung bleiben aber weiterhin entscheidend für eine gute Akzeptanz der Methode und Verarbeitung des SAB.

In Deutschland findet – im Gegensatz zu den meisten anderen westlichen europäischen Ländern – der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch wenig Anwendung. Allerdings gibt es innerhalb Deutschlands bemerkenswerte regionale Unterschiede: in einigen Bundesländern macht der mSAB weniger als 10% in anderen Bundesländern mehr als 50% aller SAB aus. Ein Grund dafür könnten strukturelle Besonderheiten des deutschen Gesundheitssystems sein (z.B. Bestellung von Mifepriston, Abrechnung über Kostenerstattung), die es den niedergelassenen Frauenärzten erschweren, den mSAB anzubieten. Eine Berliner Befragung von Frauen, die vor der Entscheidung zu einem SAB standen, lässt jedoch vermuten, dass Frauen auch in Deutschland diese Methode grundsätzlich befürworten und der aktuelle Anteil des mSAB nicht unbedingt die Haltung deutscher Frauen zum mSAB darstellt.

Die geringe Verwendung des mSAB hat Berliner Gynäkologinnen veranlasst, eine Informations-App zu entwickeln. Diese App sendet den Frauen zu bestimmten Zeitpunkten beruhigende, bestätigende und erinnernde Nachrichten. Des Weiteren bietet die App eine umfangreiche Liste mit Antworten auf häufig gestellte Fragen an, die den Frauen nach eigenem Bedarf zur Verfügung steht. Die Bereitstellung dieser Informations-App soll vor allem den Patientinnen das Erleben und die Akzeptanz des mSAB erleichtern. Des Weiteren soll die App aber auch den Frauenärzten eine Hilfestellung sein und dazu beitragen, die Akzeptanz zu verbessern und die Betreuung von Frauen während mSAB zu erleichtern.

Diese Hypothese wird derzeit in einer prospektiv randomisiert kontrollierten Studie geprüft. Patientinnen, die sich zu einem mSAB nach Beratungsregelung (§218 StGB) entscheiden und das Gestationsalter von £ 9+0 Wochen p.m, nicht überschreiten, wird in fünf Prüfzentren die Teilnahme an der vorliegenden Studie angeboten. Die Patientinnen werden in einem ärztlichen Beratungsgespräch über beide Verfahren des SAB, chirurgisch und medikamentös, informiert und haben die freie Wahl zu einer der beiden Methoden.

Die Patientinnen, die an der Studie teilnehmen, werden in zwei Gruppen randomisiert: die aktive Behandlungsgruppe erhält die App mit den illustrierten Nachrichten auf ihrem Mobiltelefon; der anderen Gruppe wird die App nicht zur Verfügung gestellt.

Abgesehen von der App erhalten die Patientinnen in beiden Gruppen die gleiche medizinische Zuwendung und Behandlung, Aufklärung und schriftliches Informationsmaterial,

Mehrere Hypothesen sollen mit der Studie untersucht werden:

Anhand von drei psychologischen Fragebögen – dem „Brief Symptom Inventory 18 (BSI-18), Impact of Event Scale Revised” (IES-R) und „Hospital Anxiety and Depression Scales“ (HADS) wird die Haupthypothese evaluiert, ob die Verwendung der Informations-App Patientinnen zu einer Reduktion psychologischer Belastungssymptomen führt.

Alle Fragebögen werden von den Patientinnen vor und 7-10 Tage nach dem mSAB von der Patientin in den Studienzentren selbstständig ausgefüllt.

Darüber hinaus wird untersucht, ob die Nutzung der App die Belastung durch die klinischen Symptome – die subjektive Wahrnehmung von Blutungsstärke und Schmerz – verringert. Dazu werden in einem zusätzlichen Fragebogen Angaben erfragt zur Schmerzstärke (VAS 0-10), Schmerzmedikamenten-Einnahme, Blutungsstärke und subjektive Zufriedenheit mit der Methode (Skala 0-10) gestellt.

Derzeit findet eine Auswertung der Pilotphase von 30 Patientinnen statt. Diese Ergebnisse werden für eine power Kalkulation zur Festlegung der endgültigen Studiengröße herangezogen, die voraussichtlich bei 200 bis 500 Patientinnen liegen wird. Über die Ergebnisse werden wir hier berichten.

Referenzen:

  1. Beck JG, Grant DM, Read JP, et al. The Impact of Event Scale-revised: Psychometric Properties in a Sample of Motor Vehicle Accident Survivors. J Anxiety Disord. 2008; 22: 187-198
  2. Constant D, de Tolly K, Harris J. et al. Mobile phone messages to provide support to women during the home phase of medical abortion in South Africa: a randomised controlled trial. Contraception. 2014; 90: 226-233
  3. Frank GH, Jaeger S, Glaesmer H, et al. Psychometric analysis of the brief symptom inventory 18 (BSI-18) in a representative German sample. BMC Med Res Method. 2017; 17:14
  4. Foster DG, Steinberg JR, Roberts SCM, et al A comparison of depression and anxiety symptom trajectories between women who had an abortion and women denied one. Psychol Med. 2015; 45: 2073-2082
  5. Hemmerling A, Siedentopf F, Kentenich H. Emotional impact and acceptability of medical abortion with mifepristone: A German experience. J Psychosom Obestet Gynaecol. 2005; 26: 23-31
  6. Maercker A, Schützwohl M. Erfassung von psychischen Belastungsfolgen: Die Impact of Event Skala-revidierte Version (IES-R). Diagnostica. 1998; 44: 130-141
  7. Major B. Richards R, Cooper ML, et al. Personal Resilience, Cognitive Appraisal, and Coping: An Integrative Model of Adjustment to Abortion. J Personality Soc Psychol. 1998; 74:735-752
  8. Norton S, Cosco T, Doyle F, Ward M, et al. Latent structure of the Hospital Anxiety and Depression Scale: a 10-year systematic review. J Psychosom Res. 2012; 72: 180-184
  9. Spitzer C, Hammer S, Löwe B, et al. Die Kurzform des Brief Symptom Inventory (BSI-18): erste Befunde zu den psychometrischen Kennwerten der deutschen Version. Fortschr Neurol Psychiat. 2011; 79: 517-523

Zu den Mitgliedern des Beirats der DGPFG

Dr. Julia Bartley, Magdeburg

An den Anfang scrollen