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Artikel des Monats September 2017

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Harris V, Fischer G, Bradford JA.

The aetiology of chronic vulval pain and entry dyspareunia: a retrospective review of 525 cases.

Aust N Z J Obstet Gynaecol. 2017 Aug;57(4):446-451. doi: 10.1111/ajo.12613. Epub 2017 Mar 13.

 

Hintergrund:
Es gibt wenig verfügbare Daten zu den zugrundeliegenden Diagnosen und durchgeführten Therapieansätzen bei chronischem Vulvaschmerz.

Material und Methode:
Mit ihrer retrospektiven Studie an 525 Frauen wollen die Autoren diese Lücke schließen. Dazu wurden die Fallberichte einer Spezialsprechstunde für Vulvaschmerz an einem privaten Krankenhaus in Australien ausgewertet. Die Auswertung erfolgte von Januar 2011 bis März 2015.

Ergebnisse:
Das Durchschnittsalter der betroffenen Frauen betrug 47,1 Jahre (range 17-86). Die durchschnittliche Dauer der Symptome betrug 60 Monate (range 3-432). Bei 277/525 (52.7%) Patientinnen wurde die durchgeführte Therapie zu einer befriedigenden Besserung der Symptome, bei 90 Frauen (17%) kam es zu einer partiellen Verbesserung. Bei 322/525 (61.3%) Patientinnen wurde eine dermatologische Ursache identifiziert und diese zeigten in 65.5% eine befriedigenden Therapieerfolg. Bei den verbleibenden 38.7% war die Haut unverändert. In dieser Patientinnengruppe wurde nach einer neuromuskulären Ursache für die Schmerzen geforscht wie z.B. Voroperationen, traumatische Ereignisse oder andere Dysfunktionen. Bei 181 der 203 (89%) betroffenen Patientinnen wurde eine neuromuskuläre Ursache angenommen und den Patientinnen Physiotherapie und/oder neuromodulierende Medikamente empfohlen. Davon profitierten nur 63/182 (34.6%) der Frauen. 136 der 525 (31.6%) klagten nur über Vulvaschmerzen beim Geschlechtsverkehr. Dyspareunie war aber nicht mit einem schlechteren Therapieergebnis assoziiert.

Schlussfolgerungen der Autoren:
Bei den meisten der Patientinnen in dieser Studie wurde als Ursache ihrer chronischen Vulvaschmerzen eine dermatologische Ursache identifiziert und anschließend behandelt. Die zweithäufigste Ursache war neuromuskulärer Natur, auch hier war eine Behandlung möglich, aber mit geringerem Erfolg verbunden als bei den dermatologischen Ursachen. Erst bei Unwirksamkeit der Behandlung wurde die Diagnose einer Vulvodynie in Erwägung gezogen, hier dann definiert als Vulvaschmerzen ohne identifizierbare Ursache.

Anmerkung Siedentopf:
Der Artikel betrachtet das Problem des vulvären Schmerzes ausschließlich aus somatischer und hier vorrangig aus dermatologischer Sicht. Eine psychosomatische Betrachtungsweise oder überhaupt das Inbetrachtziehen psychosomatischer Faktoren entfällt. Das Konstrukt einer somatoformen Schmerzstörung ist in diesem Artikel nicht in Erwägung gezogen und fehlt deshalb. Aus meiner Sicht ist dies bei einer chronischen Schmerzsymptomatik fatal und wird der komplexen Situation der betroffenen Frauen nicht gerecht.

Friederike Siedentopf, September 2017

PD Dr. med. Friederike Siedentopf

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