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Artikel des Monats April 2018

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Benjamin Tuschy et al.

Evaluation of psychosocial and biological parameters in women seeking for a caesarean section and women who are aiming for vaginal delivery: a cross-sectional study.

Archives of Gynecology and Obstetrics April 2018, Volume 297, Issue 4, pp 897–905

 

Im Zusammenhang mit der steigenden Sectiorate wird auch immer wieder die sog. Wunschsectio diskutiert und postuliert, dass diese einen nicht unerheblichen Anteil an der Zunahme der Kaiserschnitthäufigkeit habe. Unterschiedliche Gründe werden für diese Wahl des Geburtsmodus vermutet, so u.a. Angst vor (Geburts-)Schmerzen, belastende Geburtserfahrungen, Befürchtungen vor ungünstigen Spätfolgen einer vaginalen Geburt u.a.m. Offenbar spielt aber auch das soziale Umfeld eine Rolle beim Entscheidungsprozess für oder gegen eine elektive Sectio. Eine Arbeitsgruppe der Universitäts-Frauenklinik in Mannheim untersuchte nun psychosoziale und biologische Parameter, von denen vermutet wurde, dass sie den Entscheidungsprozess bei Frauen mit Wunschsectio beeinflussen könnten. Sie führten eine prospektive Studie bei 200 Frauen durch, das Zielkollektiv umfasste 93 Frauen, die Kontrollgruppe (Frauen, die eine vaginale Geburt wünschten) 109. Die Frauen erhielten bei der Vorstellung in der Klinik-Schwangerenberatung zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche ein Fragenbogenpaket, das u.a. ihre psychosoziale Belastung (SCL 90R), Persönlichkeitsstruktur, soziale Unterstützung und Ängste (STAI) erfasste. Die Wunschsectio-Gruppe umfasste nur Frauen ohne (geburts-)medizinische Indikationen für den Eingriff, während aus der Kontrollgruppe Frauen mit einer absoluten Sectioindikation ausgeschlossen wurden. Außerdem wurde bei den in die Studie einbezogenen Schwangeren die Haarcortisolkonzentration als Marker für chronischen psychosozialen Stress gemessen, und es erfolgte mit einem Algometer eine Druckschmerzmessung bei allen Teilnehmerinnen.

Leider wurden nur Frauen mit ausreichenden Deutschkenntnissen in die Studie einbezogen, so dass über eine große Gruppe von Migrantinnen keine Aussage getroffen werden kann. Es wurde außerdem alle Frauen, unabhängig von der Parität, einbezogen und auch Frauen, die bereits einen Kaiserschnitt in der Anamnese hatten.

Es zeigt sich, dass die Frauen der Wunschsectiogruppe weniger soziale Unterstützung hatten, einen geringeren Bildungsstand aufwiesen, ängstlicher und weniger extrovertiert waren als die Schwangeren der Kontrollgruppe. Diese Schwangeren des Zielkollektivs wiesen auch höhere Druckschmerzwerte auf. Die Cortisolwerte im Haar, die den Stresswert im letzten Trimenon wiederspiegeln, zeigten zwischen beiden Gruppen keinen signifikanten Unterschied. Die Frauen der Kontrollgruppe hatten in 80% bereits vor der Schwangerschaft die Entscheidung für eine vaginale Geburt getroffen, während es im Zielkollektiv nur 21% waren. Die Autoren berichten, dass die Frauen des Kontrollkollektivs höhere Score-Werte bei der negativen Beurteilung der Geburt zeigten, während die Werte für die Variable „Fehlen positiver Erwartungen“ im Zielkollektiv höher ausfielen. Die Frauen, die sich für eine elektive Sectio entschieden hatten, stuften den Rat des sozialen Umfelds zu medizinischen Aspekten als weniger wichtig ein als die Schwangeren der Kontrollgruppe. Hier gab es insbesondere signifikante Unterschiede bei der Einschätzung der (geringen) Relevanz der Ratschläge von Freunden und Hebammen.

Die Autorengruppe schlussfolgert, dass die Wahl zwischen vaginaler und Kaiserschnittentbindung eine persönliche Entscheidung der Schwangeren ist, die durch affektive und kognitive Komponenten, aber auch durch das soziale Umfeld, d.h. die Ratschläge medizinischer, nichtmedizinischer und familiärer Quellen, beeinflusst wird. Die Autoren sind der Überzeugung, dass eine frühe Entdeckung solcher Schwangerer, die sich für eine Wunschsectio entschieden haben, wichtig ist, weil sich dann noch Möglichkeiten einer Einflussnahme ergeben könnten – dies betrifft, wie die Studienergebnisse zeigten, insbesondere wenig gebildete Frauen ohne medizinische Gründe für eine Sectio mit geringer Unterstützung durch das soziale Umfeld.

Matthias David, April 2018

Prof. Dr. med. Matthias David

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