Überspringen zu Hauptinhalt
  • News

Postpartale Depression – Infos und Selbsttest für Wöchnerinnen fürs Smartphone

Die Geburt eines Kindes bedeutet eine enorme psychische und körperliche Anpassungsleistung, weshalb die postpartale Zeit eine Phase mit hohem Risiko für das Auftreten von Depressionen ist [2]. Die postpartale Depression ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen in der Zeit nach der Geburt mit einer Prävalenz von 10-15% [8]. Charakteristische Symptome, u.a. Gefühllosigkeit, Ambivalenz, Antriebslosigkeit, Schuldgefühle bis hin zu Suizidgedanken, treten meist ca. 4-6 Wochen bis zu 1 Jahr nach der Geburt auf [9; 12].

Die postpartale Depression stellt ein ernsthaftes psychisches Gesundheitsproblem dar, denn es kann zu einer Chronifizierung kommen und sowohl die Mutter, das Neugeborene wie die gesamte Familie (Partner:in und Geschwister) leiden unter Umständen lebenslang unter den Folgen bis hin zu einer möglichen Suizidalität [11].

Allerdings ist von der behandlungsbedürftigen postpartalen Depression der sog. Babyblues abzugrenzen, von dem etwa die Hälfte aller Wöchnerinnen betroffen sind. Hier handelt es sich um eine wenige Stunden bis Tage andauernde Stimmungsveränderung (z.B. Weinen, Ängstlichkeit) und Antriebshemmung, die jedoch selbstständig vergeht [3].

Umso wichtiger ist die Unterscheidung und sichere Identifikation der postpartalen Depression, um die von einer postpartalen Depression betroffenen Frauen in die therapeutisch-medizinische Versorgung zu begleiten und gravierende Folgen zu verhindern [4; 10; 6].

Genau diese Identifizierung betroffener Frauen im Wochenbett wird durch Scham- und Schuldgefühle und dem damit verbundenen Verheimlichen oder Herunterspielen von Symptomen erschwert [3 ;4]. Zur frühen Identifikation, ohne gleichzeitig zu stigmatisieren, eignen sich sogenannte Screening-Instrumente, die allen Frauen routinemäßig nach 6-8 Wochen bei der Nachsorge in der gynäkologischen Praxis vorgeschlagen werden können [5]. Häufig wird der Einsatz der Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS) zwischen der sechsten und neunten Woche postpartal empfohlen und ist mit 10 einfachen Fragen praktikabel im Einsatz [1;3].

Die Praktikabilität der Identifikation von betroffenen Frauen wird noch verbessert und vereinfacht, wenn das Smartphone als meistgenutztes Gerät von Frauen rund um die Geburt zur Aufklärung und zum Screening genutzt wird [7].

Die psychoedukative Web-App „Smartmoms“ (www.smart-moms.de) hat die Verbesserung der Zugangswege zu bestehenden Versorgungsangeboten zum Ziel. Sie wurde von einem Team aus Psychologen und Medizinern des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf und der Freien Universität Berlin entwickelt und ein Jahr intensiv im praktischen Einsatz in 15 Geburtskliniken, bei 34 Gynäkolog:innen und 25 Hebammen sowie von 11 Pädiater:innen geprüft. Über Texte, Video und Audiotracks werden Informationen zu Ursachen, Symptomen, Hilfe- und Anlaufstellen sowie die Kostenübernahmen der Behandlungen vermittelt. Frauen, die den Selbsttest absolvierten, erhalten Empfehlungen basierend auf ihrem Risikostatus [1]. Bei bestehendem Risiko wird empfohlen gemeinsam mit ihrer Hebamme, Babylotsin oder Gynäkolog:in nach Behandlungsmöglichkeiten zu suchen und ggfs. zum Aufsuchen einer Behandlung bei Fachärzt:innen oder Psychotherapeut:innen ermutigt.

Um die Machbarkeit von Smartmoms und die Erfahrungen der Nutzerinnen und beteiligten medizinischen Fachkräften zu bewerten, wurde ein Mixed-Methods-Ansatz verwendet. Über einen Zeitraum von 6 Monaten wurden die Benutzererfahrungen durch eine quantitative Online-Umfrage zur Bewertung der Benutzerfreundlichkeit mittels System Usability Scale (SUS) und Benutzerzufriedenheit mittels Client Satisfaction Questionnaire (CSQ-I) bewertet. Die Erfahrungen der medizinischen Fachkräfte wurden nach dem Studienzeitraum durch qualitative Telefoninterviews bewertet. Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zeigen, dass alle professionellen Versorger:innen der Wöchnerinnen sowie die Frauen selbst insbesondere die wissenschaftlich fundierten Informationen und die Durchführung des sicheren und anonymen Selbsttests (EPDS) als positiv bewerten. Die Nutzerzufriedenheit und Nutzbarkeit wurden als gut eingeschätzt. Ergebnisse zur Verbesserung der Inanspruchnahme von Versorgungsangeboten liegen Ende 2022 vor.

Hebammen, Babylots:innen und Gynäkolog:innen in der Wöchnerinnenbetreuung nutzen den Smartphone-Link www.smart-moms.de bereits routinemäßig, um Ihre Wöchnerinnen auf das Thema postpartale Depression aufmerksam zu machen und ihnen eine sichere und anonyme Möglichkeit zu bieten, sich aufklären zu lassen, ihr individuelles Risiko einschätzen zu können und in das Versorgungssystem zu gelangen.

Bei Fragen zum Web-App Smartmoms und deren Nutzung melden Sie sich gern bei den Entwicklerinnen im UKE: Silke Pawils, s.pawils@uke.de.

Für weiterführende Informationen und Praxistipps

Literatur

  1. Cox JL, Holden JM, Sagovsky R. Detection of postnatal depression. Development of the 10-item Edinburgh Postnatal Depression Scale. Br J Psychiatry. 1987 Jun;150:782-6. doi: 10.1192/bjp.150.6.782. PMID: 3651732.
  2. Dorn, A., Mautner, C. (2018) Der Gynäkologe 2018: 51:94–101 https://doi.org/10.1007/s00129-017-4183-3.
  3. Dorsch VM, Rohde, A (2016) Postpartale psychische Störungen – Update 2016. Frauenheilkunde up2date. 10(4):355–374.
  4. Eckert M, Richter KM, Mattheß J, Koch G, Reinhold T, Vienhues, P et al. (2020) Postpartale psychische Erkrankungen: Versorgungslage und Wirksamkeit der Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapie. Vorstellung des Innovationsfondprojektes SKKIPPI. Bundesgesundheitsbl. 63(12):1538–1547.
  5. Gemeinsamer Bundesausschuss (GBA) (2020b) Anlage 3 zur Mutterschafts-Richtlinie: Mutterpass. Berlin [Online im Internet] URL: https://www.g-ba.de/downloads/83-691-594/2020-02-20_G-BA_Mutterpass_web.pdf.
  6. Kittel-Schneider S, Reif, A (2016) Behandlung psychischer Störungen in Schwangerschaft und Stillzeit : Psychotherapie und andere nichtmedikamentöse Therapien. Nervenarzt. 87(9):967–973.
  7. Osma, J., Barrera, A. Z. & Ramphos, E. (2016). Are Pregnant and Postpartum Women Interested in Health-Related Apps? Implications for the Prevention of Perinatal Depression. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 19(6), 412–415.
  8. Pawils S, Metzner F, Wendt C, Raus S, Shedden-Mora M, Wlodarczyk O, Härter, M (2016) Patients with Postpartum Depression in Gynaecological Practices in Germany – Results of a Representative Survey of Local Gynaecologists about Diagnosis and Management. Geburtshilfe Frauenheilkd. 76(8):888–894.
  9. Reck, Corinna: Postpartale Depression: Mögliche Auswirkungen auf die frühe Mutter-Kind-Interaktion und Ansätze zur psychotherapeutischen Behandlung – In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 56 (2007) 3, S. 234-244 – URN: urn:nbn:de:0111-opus-30519 – DOI: 10.25656/01:3051
  10. Riecher-Rössler A, Andreou, C (2016) Postpartale Depression – Diagnostik und Therapie. Pädiatrie. 21(3):20–25.
  11. Schipper-Kochems S, Fehm T, Bizjak G, Fleitmann AK, Balan P, Hagenbeck, C et al. (2019) Postpartum Depressive Disorder – Psychosomatic Aspects. Geburtshilfe Frauenheilkd. 79(4):375–382.
  12. Sonnenmoser, M. (2007). Postpartale Depression: Vom Tief nach der Geburt. Deutsches Ärzteblatt, 6, 82–83. https://www.aerzteblatt.de/archiv/-54466/Postpartale-Depression-Vom-Tief-nach-der-Geburt.

Informationsflyer zum Download

Slide
An den Anfang scrollen