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Gyne 01/2025 – Psyche und Somatik nach belastend erlebter Geburt

  • 24. Februar 2025
  • Gyne

Gyne 01/2025

Psyche und Somatik nach belastend erlebter Geburt

Autorin:

J. Marschke

Einleitung

Die Geburt eines Kindes ist ein bedeutendes Ereignis, das auch psychische und körperliche Belastungen mit sich bringen kann. Wie von Frau Professor Weidner und ihren Mitarbeitenden beschrieben, bewerten etwa 20 % aller Gebärenden die Geburtserfahrung als traumatisch oder belastend [1]. Dabei spielen Faktoren wie unerwartete Änderungen im Geburtsablauf, im Zusammenhang mit dem Gefühl von Kontrollverlust und mangelnder Unterstützung, eine zentrale Rolle. Rund 10 % der Betroffenen leiden in den ersten Wochen unter Symptomen einer traumatischen Stressreaktion wie Unruhe, Angst, Traurigkeit und Gefühl der Überforderung. 3 % der Frauen zeigen langfristig Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) [1]. Als Gynäkologinnen und Gynäkologen erleben wir Patientinnen, die sich mit ausgeprägter körperlicher Symptomatik und hohem Leidensdruck, der auf körperlicher Ebene nicht immer vollständig verstehbar ist, vorstellen. In diesem Beitrag sollen am Beispiel postpartaler Beckenbodenfunktionsstörungen psychosomatische Zusammenhänge beleuchtet und therapeutische Optionen erörtert werden.

 

Belastende Geburtsverläufe und ihre psychische Wirkung

Eine belastend erlebte Geburt ist nicht allein an objektive medizinische Komplikationen geknüpft. Entscheidend ist die subjektive Wahrnehmung, die durch Gefühle der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins oder des Kontrollverlusts geprägt wird. Es gibt Faktoren, die insbesondere aus geburtshilflicher Sicht eine objektiv belastende Geburt beschreiben (▶ Tab. 1). In dieser Tabelle sind auch Faktoren beschrieben, die schon vor der Entbindung bestehen und eine Verarbeitung einer belastenden Geburt erschweren können.

Präpartale Faktoren
– Psychische Erkrankungen wie Depression, Angsterkrankungen, PTBS
– Überforderung (wenig partnerschaftliche oder soziale Unterstützung)

Intrapartale Faktoren
– Sekundäre operative Eingriffe, z. B. Notkaiserschnitte und vaginal operative
– Längere Geburtsverläufe
– Höhergradige Geburtsverletzungen und starker Blutverlust

Postpartale Faktoren
– Negative oder unerwartete Ereignisse, die das Kind/die Kinder betreffen, wie etwa die Verlegung auf eine Neugeborenenintensivstation
– Ein vermindertes Gefühl der eigenen körperlichen Potenz (nach anstrengener Entbindung, Verletzungen, Aufenthalt in ungewohnter Umgebung)

Tab. 1: Das Geburtserlebnis beeinflussende Faktoren (nach [1]).

Ob es bei Vorliegen dieser Faktoren zu einer als sehr belastend erlebten Geburt kommt, hängt vor allem vom subjektiven Erleben unter der Geburt ab. Insbesondere das Erfahren von Kontrollverlust, Ohnmachtsgefühlen, Ausgeliefertsein und Nicht-gesehen-werden ist für Menschen eine kaum aushaltbare Situation. Wir alle verfügen über Bewältigungsstrategien, die wir, oft auch intuitiv, nutzen, um eine solche Erfahrung gut zu verarbeiten. Die akute Belastungsreak – tion (ICD 10: F.43.0) umfasst Symptome (▶ Tab. 2) als unmittelbare Reaktion auf ein außergewöhnlich belastendes Ereignis.

Psychische Symptome
Angst, Unruhe, Panik
Emotionale Taubheit
Verwirrtheit, Konzentrationsschwäche
Körperliche Symptome
Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Atemnot
Schlafstörung
Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden
Verhalten
Hyperarousal/Übererregbarkeit
Flucht-/Vermeidungsverhalten, Rückzug

Tab 2: Symptome einer akuten Belastungsreaktion.

Die akute Belastungsreaktion kann unter dem Motto: “a soup and a blanket“ behandelt werden – das bedeutet, die betroffene Person emotional zu beruhigen und ihr Sicherheit zu vermitteln. Insbesondere zur Einordnung der teilweise sehr beunruhigenden Symptomatik einschließlich der körperlichen Phänomene (Herzrasen, Zittern) ist die Psychoedukation unter Nutzung von Normalisierung als verbaler Interventionstechnik hilfreich. Beispielhaft kann diese Interven – tion kurze Zeit nach der Entbindung folgendermaßen ablaufen:

„Die Geburt war für Sie sehr belastend. Nach einer solchen Belastung reagieren viele Menschen mit körperlichen und psychischen Symptomen. Das ist eine normale Reaktion auf eine außergewöhn – liche Situation. Ihr Körper zeigt Ihnen, dass etwas sehr anstrengend war. Hier hilft es sehr, sich Zeit und Ruhe zu geben und Unterstützung anzunehmen. Gemeinsam können wir überlegen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es für Sie gerade gibt.”

Erfolgt eine solche Aufarbeitung nicht, so fehlen der Patientin nach der Geburt Verständnis und Unterstützung. Auf Grund dessen kann es zu einer traumatischen Verarbeitung (mit langanhaltenden Symptomen als Folge der Belastung) der erlebten belastenden Erfahrung kommen.

 

Fallbeispiel

Frau K., eine 32-jährige Erstgravida mit Spontanpartus vor sechs Monaten, stellte sich mit folgenden Beschwerden in unserer urogynäkologischen Sprechstunde vor:

– postpartal kein Gefühl für Beckenboden, Darmentleerung
– zunächst Blasenentleerungsstörung subjektiv
– starke Senkungsbeschwerden

Sie wirkte sehr angespannt, konnte kaum sitzen, und beschrieb ihren Zustand mit drastischen Worten, die ihren hohen Leidensdruck deutlich machten:

– „Ich kann mich kaum bewegen, alles ist offen, fällt nach unten raus.“
– „Bei der Geburt wurde ich total auseinandergerissen.“

Der Alltag könne nur mühsam bewältigt werden und eine gute Mutter sei sie nicht, erklärte Frau K. Außer Stillen könne sie derzeit nichts tun. Ihre Frauenärztin und ihre Hebamme hatten ihr im Rahmen von körperlichen Untersuchungen wiederholt gesagt, dass alles normal sei. Auf gezieltes Nachfragen berichtet Frau K. von einer tagsüber bestehenden Pollakisurie, von Schmerzen im Becken (Zunahme bei körperlicher Belastung) sowie von einer gelegentlichen Darmentleerungsstörung (Gefühl, nicht oder nicht vollständig entleeren zu können). Die gynäkologische Untersuchung zeigte folgenden Befund:

– Zystozele durch Lateraldefekt I° (erhaltene Rugae vaginales)
– Descensus uteri I°, Portio klobig
– Rektozele I°
– Damminsuffizienz
– BB-Kontraktilität 0/5 (n. Oxford), Levatoren bds hyperton, Dolenz re > li
– Atrophie, Introitus geöffnet, symmetrisch

Sonografisch war kein Restharn sichtbar, jedoch zeigten sich eine Hypermobilität von Blase und Urethra sowie eine geringe Rektozele. Aus rein urogynäkologisch/somatischer Sicht war der Befund besser, als die angegebenen Beschwerden zunächst vermuten ließen.

Die Geburt wurde von der Patientin als massive Belastung erlebt, wie sie sehr eindrücklich beschreibt. Eine ausreichende Verarbeitung scheint nicht erfolgt zu sein. Den hohen Leidensdruck schreibt Frau K. allein ihren körperlichen Symptomen zu. Bei Patientinnen und Patienten mit psychosomatischen Symptomen erleben wir oft eine veränderte Kommunikation mit der Umwelt: „Wenn das Symptom nicht wäre, könnte ich ja… (mein Leben leben, meinen Alltag bewältigen, eine gute Mutter sein etc.).”

Alexander [2] beschrieb ein anschauliches Modell zur Entwicklung psychosomatischer Symptome: Emotionen aktivieren das autonome Nervensystem, bei Stress/ Belastungen insbesondere die sympathische Reaktion (Kampfoder- Flucht-Modus). Diese Effekte sind an körperlichen Reaktionen messbar mit beispielsweise erhöhter Muskelspannung oder Tachykardie. Die hypertone Muskulatur, durch Angst und hohe psychische Belastung physiologisch, kann schmerzhaft sein und auf Grund der Schmerzen zu weiterer Anspannung führen. Karsten et al. [3] konnten 2020 eine Assoziation von traumatischen Erfahrungen und hyperaktiver Beckenbodenmuskulatur nachweisen. Werden die Emotionen, die zu den muskulären Verspannungen stehen, nicht wahrgenommen, dann wird nur die körperliche Symptomatik wahrgenommen. Hieraus erlebt das medizinische Personal eine Diskrepanz zwischen Symptomatik und Befund. Die Behandlung auf rein somatischer Ebene verläuft oft enttäuschend, wobei die Frustration auf beiden Seiten besteht. In diesem Kontext und aus einem Gefühl der Hilflosigkeit heraus erfolgt an dieser Stelle häufig die „Psycho-Diagnose“.

Im Sinne des bio-psycho-sozialen Krankheitsverständnisses können nun alle Dimensionen unserer Patientin, welche sich postpartal bei uns vorstellte, Beachtung finden.

Es bietet sich an, schon im Rahmen der gynäkologischen Untersuchung die körperlichen Befunde klar zu benennen und ggf. einzuordnen. Die erhobenen Befunde sind vermutlich durch Schwangerschaft und Geburt verursachte Veränderungen. Hier nur von „alles ist normal“ zu sprechen, nimmt die Beschwerden und Ängste der Patientin oftmals nicht ausreichend ernst – vielmehr ist zu klären, was wir mit „normal“ meinen. Die Tatsache, dass bleibende körperliche Veränderungen im Körperbild der Patientin (noch) nicht als normal empfunden werden können, muss beachtet werden. Im Folgenden werden die Beschwerden der Patientin anhand der anatomischen Befunde erläutert:

Die Zystozele und der geöffnete Introitus sind als „alles ist offen und fällt raus“ von der Patientin spürbar. Die Beckenbodenmuskulatur ist von der Patientin nicht aktiv anzusteuern, was das „offene Gefühl“ eher noch verstärkt. Neben der Dyskoordination liegt auch eine stark hypertone Muskulatur vor. Dass angespannte Muskulatur starke Schmerzen verursacht, kann im Allgemeinen gut vermittelt werden. Dieser Zusammenhang kann im Rahmen von Psychoedukation mit der Patientin besprochen werden. Mit einem Gespräch über Angst und belastende Erfahrungen, welche hier zu verspannter und schmerzhafter Muskulatur führen, wird neben dem somatischen auch dem psychischen Aspekt entsprochen. Wahrgenommen zu werden und die Beschwerden angemessen eingeordnet zu bekommen, führt oft zu einer deutlichen Entlastung der Patientinnen. Die therapeutischen Angebote können gut analog zur Befunderhebung erfolgen: Alle Aspekte werden im Sinne eines multimodalen Therapieansatzes bei multifaktorieller Genese der Beschwerden angesprochen. Die körperlichen Befunde werden einzeln adressiert.

Ähnlich können psychosoziale Unterstützungsmöglichkeiten besprochen werden (▶ Infobox).

Mögliche psychosoziale Unterstützungsmöglichkeiten

– Gibt es Unterstützung in der Familie/Partnerschaft? Könnte dadurch Ruhe und körperliche Entlastung gewährleistet sein?
– Fühlt sich die Patientin wohl und sicher zu Hause?
– Benötigt die Patientin weitere Gespräche? Ggf. auch, um das Erlebte zu verarbeiten?

Um die Ausprägung der psychischen Belastung besser erfassen zu können und um einzuschätzen, wie dringend Interventionen erforderlich sind, empfiehlt sich die Anwendung von Fragebögen. Gut etabliert und einfach anzuwenden ist im postpartalen Kontext die Edinburgh ostnatal Depression Scale (EPDS). Vor allem die psychosozialen Bereiche sind nicht immer im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung durch Gynäkologinnen und Gynäkologen abzudecken.  Hier bietet es sich an, vorhandene Netzwerke zu nutzen oder für sich zu etablieren (verschiedene Websites wie z. B. Schatten und Licht e. V., regional bestehende Netzwerke im Bereich früher Hilfen kontaktieren, Verordnung von Haushaltshilfen).


Fazit

Die Nachsorge nach belastend erlebten Geburten erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Die Aufgabe von Gynäkologinnen und Gynäkologen ist es, die Symptomatik der Frauen in allen Aspekten zu erfassen und ernst zu nehmen. Darauf basierend kann gemeinsam mit der Patientin das therapeutische Konzept besprochen werden, in das häufig auch weitere Berufsgruppen einbezogen werden sollten.


Zusammenfassung

Die Geburt eines Kindes ist ein einschneidendes Ereignis, das sowohl körperliche als auch psychische Belastungen verursachen kann. Etwa 20 % der Gebärenden erleben die Geburt als traumatisch, 10 % entwickeln kurz darauf stressbedingte Symptome, und 3 % leiden langfristig an posttraumatischen Belastungsstörungen. Entscheidend für das Belastungserleben ist weniger der medizinische Verlauf als vielmehr die subjektive Wahrnehmung der Situation, geprägt von Kontrollverlust, Ohnmachtsgefühlen und fehlender Unterstützung. Eine nicht erfolgte Aufarbeitung kann zu langanhaltenden Symptomen führen. Besonders in der Gynäkologie zeigt sich, dass psychosomatische Zusammenhänge, wie muskuläre Verspannungen durch psychische Belastungen, oft eine Diskrepanz zwischen körperlichem Befund und wahrgenommenem Leidensdruck hervorrufen. Ein ganzheitlicher Ansatz im Sinne des bio-psycho-sozialen Modells ist daher essenziell. Neben körperlichen Befunden sollten auch psychosoziale Faktoren berücksichtigt werden, etwa durch Psychoedukation und die Nutzung etablierter Netzwerke. Die Nachsorge nach belastenden Geburten erfordert eine enge Zusammenarbeit mit weiteren Berufsgruppen, um den betroffenen Frauen eine umfassende Unterstützung zu bieten.

Schlüsselwörter: Geburtstrauma – Belastungsreaktion – Psychoedukation – Beckenbodenfunktionsstörung – Nachsorge


Summary

Psyche and Somatics After a Traumatic Birth Experience J. Marschke

The birth of a child is a significant event that can cause both physical and psychological strain. Around 20% of women experience childbirth as traumatic, 10% develop stress-related symptoms shortly after, and 3% suffer from long-term post-traumatic stress disorder. The perception of the experience, shaped by feelings of loss of control, helplessness, and lack of support, is more critical to the sense of burden than the medical course itself. A lack of processing can lead to persistent symptoms. In gynecology, psychosomatic connections, such as muscular tension caused by psychological stress, often reveal a discrepancy between physical findings and the perceived level of suffering. A holistic approach, based on the bio-psycho-social model, is therefore essential. In addition to addressing physical findings, psychosocial factors should also be considered, such as through psychoeducation and the use of established networks. Postpartum care following distressing births requires close collaboration with other professionals to provide comprehensive support for affected women.

Keywords: birth trauma – stress reaction – psychoeducation – pelvic floor dysfunction – aftercare

Literatur

  1. Weidner K et al. Traumatic Birth: Recognition and prevention. Z Geburtshilfe Neonatol 2018; 222(5): 189–196
  2. Alexander F Hrsg. Psychosomatische Medizin. DeGruyter. 4. Auflage 1985, Reprint 2019
  3. Karsten M et al. Sexual function and pelvic floor activity in women: the role of traumatic events and PTSD symptoms. Eur J Psychotraumatol 2020; 11(1) 1764246
  4. Van Rejn-Baggen D et al. Pelvic Floor Physical Therapy for Pelvic Floor Hypertonicity: A Systematic Review of Treatment Efficacy. Sex Med Rev 2022; 10(2): 209–230
  5. Günthert EA. Psychosomatische Urologie. Klett-Cotta-Verlag. 2. Auflage 2018

Interessenkonflikt:

Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Empfehlungen des International Committee of Medical Journal Editors bestand.

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Juliane Marschke
Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Zusatztitel Psychotherapie (tp) Oberärztin Deutsches Beckenbodenzentrum, Klinik für Urogynäkologie St. Hedwig Krankenhaus Berlin
j.marschke@alexianer.de

Slide Psyche und Somatik nach belastend erlebter Geburt Gyne 01/2025

Gyne 02/2025 – Beratung zu den Wechseljahren – Zeit für Empowerment statt Pathologisierung

  • 30. November 2025
  • Gyne

Gyne 02/2025

Beratung zu den Wechseljahren – Zeit für Empowerment statt Pathologisierung

Autorin:

I. Hahn

Hintergrund

Die gegenwärtige Diskussion zur Menopause bzw. zu den Wechseljahren ist aufgeheizt. Für wen sind die Wechseljahre ein Problem? Ab wann, von wem und wo soll informiert werden? Wie ausführlich sollen die Informationen sein? In wie vielen Fällen sind Medikamente notwendig und ratsam, und wenn ja, wie früh? In den Praxen beobachten wir eine gestiegene Nachfrage nach Hormonbestimmungen und nach Hormontherapie sowie eine häufig sehr frühzeitige Besorgnis um die richtige „Vorbereitung“ auf die Wechseljahre.

Dies ist nicht verwunderlich, denn in den Medien ist das Thema in letzter Zeit außerordentlich präsent. Von Zeitungsartikeln über Blogs und Podcasts bis hin zum Bayerischen Gesundheitsamt, welches eine 33-seitige MenopauseBroschüre herausgegeben hat [1]. Auch die starke Bewegung „Wir sind neun Millionen“, ein Verbund von Ärztinnen, Wechseljahresberaterinnen, Apothekerinnen, Journalistinnen, Unternehmerinnen, Aktivistinnen und Influencerinnen, spricht von einer Tabuisierung der Wechseljahre und fordert umfangreiche Maßnahmen, unter anderem eine automatische briefliche Aufklärung über die Menopause für alle Frauen ab 35 und die Menopause als Thema in der Schule und am Arbeitsplatz [2].

Im Zusammenhang damit veröffentlichte die Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin unter dem Schlagwort Menosupport eine (gesponserte) Studie und stellte fest: ein hohes Ausmaß an Menopausenbeschwerden [3], ungenügende ärztliche Beratungen, starke Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz, dadurch bedingte Krankschreibungen, Wünsche nach Arbeitszeitreduktion und früherem Renteneintritt (10–20 %) [4]. Die Art der Rekrutierung, die hierfür hauptsächlich über Social Media, Newsletterbeiträge und Aushänge in gynäkologischen Praxen erfolgte, wirft jedoch die Frage auf, ob die Studie einen Bias hat – ggf. wurden an dieser Stelle vermehrt Frauen mit Beschwerden angesprochen.

Hingegen kommt eine von der HKK 2024 in Auftrag gegebene repräsentative Forsa-Studie mit fast gleicher Fragestellung und ähnlicher Anzahl Teilnehmerinnen (ca. 2.000 berufstätige Frauen zwischen 45 und 60 Jahren) zu den folgenden Ergebnissen: Weit weniger Frauen fühlen sich stark durch die Menopause beeinträchtigt, die meisten fühlen sich mindestens gut informiert, es gibt kaum Krankschreibungen wegen klimakterischer Beschwerden [5].

Es ist Zeit für eine abgeklärte, evidenzbasierte Betrachtung der Zusammenhänge der Beschwerden von Frauen im Wechseljahresalter von ca. 45–60 Jahren. Es ist Zeit, die Frauen in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken. Dieser Artikel möchte dazu beitragen.

Definition der Wechseljahre

Die Wechseljahre (Fachbegriff Klimakterium) umfassen die Zeitspanne vor und nach der Menopause, die durch die letzte Menstruationsblutung im Leben einer Frau, also retrospektiv definiert ist. Es handelt sich um eine Zeit der Hormonumstellung, der Begriff ist biologisch definiert. In den meisten Fällen liegt dieser Zeitraum zwischen 45–60 Jahren. Noch vor der eigentlichen Menopause kommt es bei verringerter Follikelzahl zu selteneren 0vulationen und dadurch zu Zyklusschwankungen, verlängerten oder verkürzten Zyklen, häufig stärkeren Blutungen bei Follikelpersistenz und zeitweiligem Auftreten von klimakterischen Beschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen [6, 7]. In dieser Zeit schwanken die Werte des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und des Estradiols sehr stark, und auch das Anti-Müller-Hormon als Repräsentant der Follikelzahl ist unzuverlässig, so dass Hormonmessungen (der sogenannte „Hormonspiegel“) zur Feststellung der Menopause in den meisten Fällen unsinnig sind. Bei hysterektomierten Frauen mit klimakterischen Beschwerden kann eine FSH-/Estradiolbestimmung lediglich als Hinweis auf den Menopausalstatus dienen. Meist pendeln sich die Hormone ein bis zwei Jahre nach der Menopause auf ein gleichbleibendes Niveau, mit hohem FSH und niedrigem Estradiol, ein [6]. Allerdings bleibt es in einigen Fällen auch später bei Schwankungen.

Ist der MRS als Maß für Wechseljahresbeschwerden problematisch?

Der Menopause Rating Scale (MRS) wurde Anfang der 1990er Jahre zur Beurteilung von klimakterischen Beschwerden seitens der betroffenen Frauen selbst entwickelt und später an Frauen in den Wechseljahren validiert [8, 9]. Diese Zeit war die Hochzeit der sog. Hormonersatztherapie (HRT). Möglichst alle Frauen um und nach der Menopause sollten mit HRT behandelt werden, hörten wir damals in den gynäkologischen  Fortbildungen.

„Die Frauen erschienen als defizitäre Hormonmangelwesen, die mit ihrem Leben nicht mehr zurechtkommen, und die Substitutionstherapie mit Sexualhormonen versprach, diese Frauen wieder lebenstüchtig zu machen.“ (Mühlhauser [10]). Mit dem heute verwendeten MRS II werden elf Symptome in je fünf Ausprägungen erfasst (▶ Abb. 1). Die Bewegung „Wir sind neun Millionen“ kritisiert, dies erfasse nicht einmal alle Beschwerden, die Frauen in den Wechseljahren haben können, Kopfschmerzen, Gewichtszunahme und Hautveränderungen fehlten [2].

Es ist unbestritten, dass Frauen in den Wechseljahren sehr unterschiedliche Beschwerden haben können. Dennoch stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob Frauen sich durch die Nennung der sehr zahlreichen Menopausensymptome dazu verleitet fühlen könnten, sich als kränker und behandlungsbedürftiger einzustufen, als sie sich ursprünglich gefühlt hatten.

Eine Studie von K. Weidner zeigt, dass nur vasomotorische Symptome, vornehmlich Hitzewallungen und Scheidentrockenheit, eindeutig typisch für die (Post-)Menopause sind. Im Rahmen der Studie wurden sowohl Männer als auch Frauen im Alter von 14–90 Jahren mit Hilfe des MRS II befragt. Dabei zeigte sich, dass die anderen neun Symptome auch bei Frauen anderer Altersgruppen sowie bei Männern ähnlich oft vorkommen, manche (Gelenkund Muskelbeschwerden) vornehmlich im höheren Alter [11]. Speziell die oft im Zusammenhang mit Wechseljahren oder sogar als Indiz dafür genannten Depressionen, kommen tatsächlich in dieser Zeit nicht gehäufter vor [12]. Wichtig ist auch: Nicht alle Frauen leiden in den Wechseljahren. Etwa ein Drittel hat keine oder nur sehr geringe Beschwerden, ein Drittel hat mäßige Beschwerden und ein Drittel gibt schwere Beeinträchtigungen durch Wechseljahresbeschwerden an [13].

Psychosoziale Aspekte der Lebenssituation von 45–60-jährigen Frauen

Die Zeit der Wechseljahre ist nicht nur durch die Hormonumstellung charakterisiert. Sondern gerade Frauen stehen in dieser Zeit vor nötigen Anpassungen im familiären, gesellschaftlichen und beruflichen Umfeld. Gerade in den Jahren zwischen 45 und 60 befinden sich viele Frauen in einer Art

„Sandwichposition“: Sie kümmern sich um ihre fast erwachsenen, oft heftig pubertierenden Kinder und übernehmen gleichzeitig die Pflege und Versorgung ihrer gebrechlich werdenden Eltern. Diese CareArbeit wird noch immer zum überwiegenden Teil von Frauen übernommen und zu wenig honoriert, weder durch Wertschätzung noch durch finanzielle Vergütung. Diese erhöhte Belastung und gleichzeitig mangelnde Anerkennung führt ganz unabhängig von hormonellen Veränderungen zu psychosomatischen Beschwerden, die soziodemografischen Einflussfaktoren können also maßgeblich sein [13].

Zudem hat sich im beruflichen Umfeld vieles zunehmend schnell verändert, insbesondere durch Umstrukturierungen und die fortschreitende Digitalisierung. Viele Frauen berichten in den Sprechstunden von willkürlichen Versetzungen oder Zurücksetzungen und von Schwierigkeiten bei der Adaptation an die neuen beruflichen Erfordernisse, wodurch sie sich erschöpft und irritabel fühlen. Generell aber fühlen sich berufstätige Frauen ab 50 gesünder als nicht berufstätige Frauen [14]. Dies ist sicherlich dadurch erklärt, dass die berufstätigen Frauen immer noch mehr Anerkennung und Bestätigung erfahren als die nicht berufstätigen.

Psychosomatische Beratung zu Wechseljahren

Ärztinnen und Ärzte sollten sich auf den heutzutage größeren Informationsund Gesprächsbedarf der Frauen einstellen. Sie sollten in Beratungsgesprächen rund um die Menopause Gelassenheit transferieren und die Menopause keinesfalls zu sehr problematisieren. Dabei hat jede Frau ein anderes Erleben der Wechseljahre, hat andere gesundheitliche und psychosoziale Voraussetzungen und Risiken. Empathisches Zuhören, sachliche, individuell angepasste Informationen, die Einordnung der Beschwerden, die Darstellung der Menopause als normale hormonelle Umstellungsphase im Leben – all dies kann helfen, gut durch die Wechseljahre zu kommen. Diesen Konsensus zur psychosomatischen Betreuung in den Wechseljahren hat eine Arbeitsgruppe innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) bereits 2010 erarbeitet [15]. Gemeinsam sollen möglichst selbstwirksame Lösungen bei Beschwerden gesucht werden, die Frau soll individuell gestützt werden.

In der 2024 erschienenen Lancetserie zur Menopause hat die Autorin M. Hickey dies wunderbar ausgeführt, unter der Überschrift: An empowerment model for managing menopause [16]. Der beste Zeitpunkt der Beratung sollte sich nach dem individuellen Bedarf der Frauen richten. Fragen sollten dann, wenn sie für die Frauen wichtig werden, beantwortet werden.

Beim Abwägen von Risiko und Nutzen einer Behandlung und der Suche nach möglichst selbstwirksamen Lösungen ohne größere Risiken kann man sich an der S3-Leitlinie zur Perimenopause orientieren (▶ Tab. 1) [17].

Risiko/Nutzen Nutzen nachgewiesen Nutzen möglich Nutzen unwahrscheinlich
Geringes Risiko für Schaden bzw. Therapieabbruch Abwarten bzw. Placebo, Achtsamkeit und CBT (kognitive Verhaltens- therapie) Cimicifuga 5,6–40 mg/d, Isoflavone 30 – 80 mg inkl. phytoöstrogenreiche Ernährung, Rotklee, S-Equol, Genistein

30 – 60 mg/d, Rheumrhapontikum 4 mg, Johanniskraut 300 mg, Akupunktur

Sport (3 – 6 Monate),

Tiefenentspannung (4 –12 Wochen), Vitamin E

Mittleres Risiko für Schaden bzw. Therapieabbruch Östrogene, Tibolon SSRI, SNRI, Gabapentin, Clonidin DHEA (Dehydroepiandrosteron), Raloxifen
Risiko für Schaden nicht ausreichend untersucht Chinesische Kräuter im Rahmen der TCM (traditionelle chinesische Medizin), Melatonin

Tab. 1: Maßnahmen gegen Hitzewallungen nach S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause 2020.

Im Beratungsgespräch kann die Frau herausfinden, welche ihrer gegenwärtigen Lebensgewohnheiten sich ungünstig auswirken, und wie sie diese ändern kann. So kann beispielsweise das Wissen darum, dass Aufgaben gerne auch delegiert werden dürfen, für viele Frauen bereits hilfreich sein. Bezüglich der Ernährung wirken sich beispielsweise zu süßes und zu fettiges Essen ungünstig auf Übergewicht und Erschöpfung aus, scharfe Gewürze, viel Kaffee und Alkohol verstärken Hitzewallungen. Anleitungen zu Schlafhygiene (z. B. die Zwei-Bettdeckentechnik, ein kühler Schlafraum, Regelmäßigkeit und eine entspannte Pufferzeit ohne elektronische Geräte vor dem Schlafengehen) sowie die Erkenntnis, dass auch weniger als acht Stunden Schlaf ausreichen können, helfen gegen Schlafstörungen.

Bei Ausgleichssport sowie Bewegung findet sich laut der S3-Leitlinie keine Evidenz zur Verringerung von Hitzewallungen [17]. Zur Verbesserung gereizter oder depressiver Stimmung, des Schlafes, des Gewichtes und der allgemeinen Gesundheit sowie auch bei Gelenkbeschwerden spielt maßvoller Sport jedoch eine große Rolle.

Behandlung von Wechseljahresbeschwerden

Kognitive Verhaltenstherapie

Als effektives Mittel gegen vasomotorische Symptome und deren Einfluss auf Schlafqualität, depressive Verstimmung, Ängstlichkeit und Lebensqualität hat sich die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) erwiesen [18], die sich laut S3-Leitlinie im günstigsten Feld für Effektivität und Nebenwirkungsarmut befindet [17]. Diese kann mit Hilfe von Therapeutinnen und Therapeuten oder Büchern erlernt werden. Eine deutschsprachige App für KVT in der Menopause, die als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) verordnet werden könnte, ist derzeit in Erprobung.

Pflanzliche Mittel

Das hierzulande häufigste pflanzliche Mittel gegen Hitzewallungen ist Cimicifuga, die Traubensilberkerze, welche sich seit Jahrzehnten großer Beliebtheit erfreut, jedoch laut eines Cochrane Reviews nicht so wirkungsstark ist [19]. Ein Therapieversuch mit 5,6–40 mg/d macht Sinn für Frauen, die etwas einnehmen möchten. Auch Johanniskraut in der Dosierung von 300 mg kann Hitzewallungen reduzieren und wird von den NICE-Guidelines empfohlen. Diese Wirkung ist jedoch nicht sicher bewiesen. Besser belegt ist die Wirkung bei depressiver Stimmungslage und Unruhe in Dosierungen über 450 mg [20]. Als Nahrungsergänzungsmittel können Phytoöstrogene aus Soja, Rotklee oder Rheum rhaponticum eingesetzt werden, deren Wirkung gegen Wechseljahresbeschwerden allerdings nicht in allen Studien bewiesen wurden. Frauen mit Brustkrebs sollten extrem vorsichtig mit der Einnahme von Phytoöstrogenen sein [20].

Menopausale Hormontherapie

Hormone müssen in den Wechseljahren nicht „ersetzt“ werden, aber bei dem oben beschriebenen psychosomatischen Behandlungsansatz hat selbstverständlich auch eine MHT ein fundiertes Einsatzgebiet: Bei deutlichen und für die Wechseljahre spezifischen Beschwerden, nämlich Hitzewallungen und deren Folgen wie Reizbarkeit und Schlafstörungen sowie bei vaginaler Atrophie, sollte eine MHT entsprechend der S3-Leitlinie [17] angeboten werden, da sie hierbei am zuverlässigsten hilft.

Placebo-Effekt

Bei allen berichteten Wirkungen spielt der Placebo-Effekt eine erhebliche Rolle. In der WHI-Studie wurden z. B. Hitzewallungen bei 75 % der Probandinnen mit MHT reduziert versus immerhin 58 % bei Placebotabletten [20]. Der PlaceboEffekt, also eigentlich der Glaube an die Therapie, bewirkt natürlich auch bei allen anderen Behandlungen wie Phytotherapie, Akupunktur und Nahrungsergänzungsmitteln, selbst bei KVT und Sport eine Verbesserung!

Hormontherapie: wo hilft sie sicherlich, wo vielleicht?

Auf die MHT soll, aufgrund zahlreicher aktueller Publikationen zum Thema [21–24] und dem Gesamtkontext der Psychosomatik, an dieser Stelle lediglich kursorisch eingegangen werden. Die nachgewiesene zuverlässige Wirkung bei vasomotorischen Symptomen wurde in diesem Beitrag bereits beschrieben. Bei vaginaler Atrophie, die meist erst in der späteren Postmenopause auftritt, helfen lokale Estriolcremes oder -suppositorien zuverlässig und risikoarm. Damit werden auch Dyspareunie und somit diverse Probleme bei der Sexualität sowie Dysurie, Dranginkontinenz und die Neigung zu Harnwegsinfekten verringert [25]. Auch zur Prophylaxe oder zur Behandlung einer 0steoporose wirkt die MHT. Allerdings verschwindet dieser Effekt einige Jahre nach Absetzen der Therapie, als erste Wahl gelten Vitamin D, Kalzium, Kraftsport und Bisphosphonate. Laut Leitlinie wird die MHT alleine zur 0steoporoseprävention nicht empfohlen [17]. Gegebenenfalls kann die MHT auch eine Verbesserung des Schlafes, der Libido, der Stimmung und der Konzentration erreichen, eher fraglich ist hingegen eine dauerhaft positive Wirkung auf Gelenkbeschwerden oder gar Migräne.

Auf welche gesicherten Daten können wir zurückgreifen?

Alle wichtigen großen Studien und Metaanalysen wurden in der S3Leitlinie zu Peri-und Postmenopause von 2020 verarbeitet [17], sie befindet sich z. Zt. in Bearbeitung. Ei-nen Überblick gibt ▶ Tabelle 1. Für Frauen finden sich zuverlässige, unabhängige Informationen, die vom IQWIG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) herausgegeben werden, unter https://www.gesund heitsinformation.de/.

Die Timing Hypothese

Nach Abbruch der WHI-Studie hat man mit Subgruppenanalysen zu zeigen versucht, dass sich ein frühzeitiger Einsatz von MHT in den ersten zehn Jahren nach der Menopause zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen eignet. Die Ergebnisse waren an dieser Stelle jedoch nicht signifikant, wahrscheinlich aufgrund von zu kleinen Subgruppen [26, 27]. Sie können demnach lediglich als Hinweise gewertet werden.

„Zauberwort” Bioidentische Hormone

Bei vielen Frauen besteht die Auffassung, dass bioidentische Hormone in Cremeund Gelform ganz natürlich sind und risikolos angewendet werden können. Es ist Aufgabe der Fachärztinnen und Fachärzte, Anwenderinnen vor dem Einsatz bioidentischer Hormone grundlegend aufzuklären. So ist beispielsweise das Risiko für Brustkrebs sowohl durch kombinierte MHT, als auch durch Einsatz bioidentischer Hormone gesteigert [28]. Lediglich das Risiko für thromboembolische Ereignisse ist, bei transdermaler Anwendung von Estradiol (mit oder ohne mikronisiertem Progesteron), weniger hoch, als mit den in der WHI-Studie verwendeten Kombinationen [29]. Individuelle Mischungen von bioidentischen Hormoncremes, sog. Magistralrezepturen, können ggf. den Placebo-Effekt verstärken. Es ist dennoch davon abzuraten, da die Hormonmengen schwanken und nicht streng kontrolliert sind. Außerdem wird Progesteron nicht ausreichend über die Haut aufgenommen [23].

Risiken verständlich darstellen und individuell beachten

0b Hormone und welche im individuellen Fall eingesetzt werden, sollte Ergebnis einer partizipativen Entscheidungsfindung sein. In der Praxis ist es aufgrund des hohen Zeitaufwands und der fehlenden kassenärztlichen Vergütung oft nicht leicht, dies umzusetzen. Bei der Risikoberatung empfiehlt sich die Benutzung von Visualisierungsmaterial. Zudem muss das individuelle Risiko aufgrund von Vorerkrankungen und Familienanamnese erläutert werden – erst dann ist eine sinnvolle Nutzen-Risiko-Abwägung möglich.

Literatur:

  1. Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention. Wechseljahre können sich verrückt anfühlen. (https://www.stmgp.bay ern.de/wechseljahre/). Zugegriffen: 07.03.2025
  2. Interessengemeinschaft Wir sind NEUN Millionen. (https://wirsind neunmillionen.de/). Zugegriffen: 07.03.2025
  3. Besins Healthcare Germany GmbH. Ergebnisse einer Befragung von 45 bis 60-jährigen berufstätigen Frauen in und nach den Wechseljahren mit forsa.omninet. 2023. (https://www.initiative-blickwechsel. de/wp-content/uploads/2024/03/ initiative-blickwechsel_forsaergebnisse-2023.pdf). Zugegriffen: 07.03.2025
  4. Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Befragungsergebnisse MenoSupport. (https:blog.hwr-berlin. de/menosupport/ergebnisse/). Zugegriffen: 07.03.2025
  5. hkk Krankenkasse. Studien & Reports. (https://www.hkk.de/presse/ studien-und-reports). Zugegriffen: 07.03.2025
  6. Leidenberger F, Strowitzki T, 0rtmann 0. Klinische Endokrinologie für Frauenärzte. Springer Heidelberg/Berlin; 2014
  7. Santoro N, Neal-Perry G, Randolph JF. The menopause transition: signs, symptoms, and management options. J Clin Endocrinol Metab 2021; 106: 1–15
  8. Hauser GA, Huber IC, Keller PJ et al. Evaluation der klinischen Beschwerden (Menopause Rating Scale). Zentralbl Gynakol 1994; 116(1): 16–23
  9. Heinemann LAJ, Potthoff P, Schneider HPG. International versions of the Menopause Rating Scale (MRS). Health Qual Life 0utcomes 2003; 1:
  10. Mühlhauser I, Beckermann M. Menopausale Hormontherapie: Evidenz und Eingang in die Praxis. In: Schröder H et al. (Hrsg.). Arzneimittel-Kompass
  11. Weidner K, Richter J, Bittner A et al. Klimakterische Beschwerden über die Lebensspanne? Psychother Psychosom Med 2012; 62: 266–275
  12. Judd FK, Hickey M, Bryant C. Depression and midlife: are we overpathologising the menopause? J Affect Disord 2012; 136: 199–211
  13. Weidner K, Richter J, Bittner A et al. Beschwerden in den Wechseljahren: Nicht nur eine Frage der hormonellen Situation. Dtsch Arztebl 2016; 113(46): A–2101
  14. Gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und Destatis. Berlin 2020; 270–271
  15. Tormann D, Beckermann M, von Bodelschwingh F. „Gelassenheit und Bestätigung haben mir die Angst genommen“ Psychosomatische Praxis in den Wechseljahren. In: Dorn A et al, Hrsg. Die Psyche im Spiegel der Hormone, 2012, Mabuse-Verlag, Frankfurt/M
  16. Hickey M, LaCroix AZ, Manson JE. An empowerment model for managing menopause. Lancet 2024; 403:
  17. S3-Leitlinie Periund Postmenopause – Diagnostik und Interventionen. AWMF-Registernummer 015–062, Vers. 1.1, Stand Sept. 2020

Interessenkonflikte:

Die Autorin erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Empfehlungen des International Committee of Medical Journal Editors bestanden.

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Iris Hahn Frauenärztin
Garthestr. 5, 50735 Köln hahn@gynpraxis-heumarkt.de

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Slide Beratung zu den Wechseljahren – Zeit für Empowerment statt Pathologisierung Gyne 02/2025

Gyne 03/2025 – Schatten & Licht e. V – Initiative peripartale psychische Erkrankungen

  • 30. November 2025
  • Gyne

Gyne 03/2025

Schatten & Licht e. V – Initiative peripartale psychische Erkrankungen

Autorin:

S. Surholt

Einleitung

Etwa 10–15 % der Mütter, also in Deutschland jährlich etwa 100.000, erleiden eine peripartale psychische Erkrankung. Zu diesen peripartalen psychischen Erkrankungsbildern ge- hören peripartale Depression, Angst-, Zwangsstörung und Psychose.

Formen und Symptome peripartaler psychischer Erkrankungen

Vielen Müttern werden die Anzei- chen des Babyblues vermittelt. Die- ses postpartale Stimmungstief tritt in den ersten 10–14 Tagen nach der Entbindung auf und sollte über die- sen Zeitraum nicht hinausgehen. 50–80 % aller Mütter leiden darun- ter. Typische Anzeichen sind:

  • Empfindsamkeit und Stim- mungsschwankungen
  • Traurigkeit und häufiges Wei- nen
  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Schlaf- und Ruhelosigkeit
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Ängstlichkeit und Reizbarkeit

Das postpartale Stimmungstief kann durch pflanzliche und ho- möopathische Medikamente und durch Fürsorge gelindert werden, bedarf aber nicht unbedingt einer Behandlung.

Dass es aber auch in der Schwan- gerschaft und sehr häufig nach der Geburt zu Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen kommen kann, die dringend einer Behand- lung bedürfen, ist den meisten Müttern nicht bewusst. Diese Krankheitsbilder können jederzeit in der Schwangerschaft oder im Laufe des ersten Jahres nach der Entbindung auftreten und mehre- re Wochen bis einige Monate an- dauern – sich ohne Behandlung so- gar chronifizieren. Da das Stillen depressionshemmend wirkt, kön- nen die Symptome hinausgezögert werden und erst mit dem Abstillen auftreten. Meistens hat der Krank- heitsverlauf eine schleichende Ent- wicklung und die ersten Anzeichen werden häufig nicht erkannt, da sie denen des Babyblues ähneln.

Zu den möglichen Symptomen des Babyblues kommen bei einer post- partalen Erkrankung Symptome hinzu. So etwa:

  • Schuldgefühle
  • inneres Leeregefühl, allgemeines Desinteresse, sexuelle Unlust
  • zwiespältige Gefühle dem Kind gegenüber
  • Konzentrations-, Appetit-,Schlafstörungen
  • Schwindel, Herzbeschwerden, andere psychosomatische Beschwerden
  • Ängste, extreme Reizbarkeit, Panikattacken, Zwangsgedanken
  • Suizid-, Infantizidgedanken

Die schwerwiegendste Reaktionsform ist die postpartale Psychose, auch Wochenbettpsychose. Sie tritt vorwiegend in den ersten zwei Wochen nach der Entbindung auf. Etwa 1–3 ‰ aller Mütter erleiden eine Psychose. Typische Symptome sind:

  • starke Antriebssteigerung, mo- torische Unruhe
  • Antriebs-, Bewegungs- und Teil- nahmslosigkeit
  • Verworrenheit, Wahnvorstellun- gen, Halluzinationen

Die Psychose bedarf unbedingt ei- ner stationären Behandlung, die vorübergehende Trennung von Mutter und Kind ist leider meist nicht zu vermeiden.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen für alle peripartalen psychischen Reaktionsformen sind vielfältig. Meistens führt nicht nur ein Auslöser, sondern das Zusammentreffen verschiedener Risikofaktoren zu einer peripartalen Überlastungsreaktion.

Begleitende Auslöser auf körperlicher Ebene können mangelnder Schlaf, Hormonumstellung, Mutter- tät und körperliche Erkrankungen wie z. B. Schilddrüsendysfunktion und Stoffwechselstörungen oder psychische Vorerkrankung sein.

Maßgeblich ist auch der Verlauf von Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbett. Wird eine dieser Phasen von der Mutter als belastend erlebt, kann dies ein Auslösefaktor sein. So sind Schwierigkeiten vor der Schwangerschaft, wie vorhergehende Fehlgeburt, langes Warten auf ein Wunschkind oder künstliche Befruchtung, genauso Risikofaktoren wie Schwierigkeiten in der Schwangerschaft, zum Bei- spiel in Form einer ungeplanten oder aufgrund vorzeitiger Wehen angstbeladenen Schwangerschaft.

Häufige Risikofaktoren bei der Entbindung sind eine frühzeitige oder langwierige Entbindung, ungewollter Kaiserschnitt, unsensible Behandlung oder Gewalt unter der Geburt oder eine anderweitig traumatische Entbindung. Auch die Verfassung des Kindes spielt eine Rolle. Eine Früh- oder gar Totgeburt, ein Schreibaby, Stillprobleme oder ungewolltes Abstillen belasten die Mutter enorm und führen zu Versagensgefühlen, die in eine Depression münden können.

Zudem sollte grundsätzlich bedacht werden, dass die Geburt eines Kindes eine gewaltige Umstellung für die Eltern bedeute. Diese Veränderungen müssen nicht nur physisch, sondern auch psychisch bewältigt werden: Abschied von der Schwangerschaft und der da- mit verbundenen Fürsorge, Ab- schied von der eigenen Kindheit,

Verlust der Freiheit und Selbstbestimmung, Abschied vom eigenbestimmten, strukturierten Berufsleben. Mitunter kommen noch andere belastende Umstände wie Tod oder Trennung von einem geliebten Menschen, Ortswechsel, finanzielle oder familiäre Probleme oder Probleme in der Partnerschaft dazu.

Auch die Beziehungen zu Partner oder Partnerin, zur eigenen Mut- ter, zu befreundeten Personen und zu Kolleginnen und Kollegen ändern sich. Und die auffangende Großfamilie gibt es nur noch sehr selten. Außerdem können traumatische Erlebnisse in der Kindheit wie früher Verlust der Eltern, Gewalterfahrung, Missbrauch oder das eigene schwierige Geburtserlebnis durch die Schwangerschaft und Geburt reaktiviert werden.

Ein zusätzlicher Auslösefaktor ist das in Werbung, Literatur und Me- dien völlig idealisierte Mutterbild . Dem Traumbild der allzeit lächeln- den, glücklichen, gepflegten Mut- ter können die Mütter nicht entsprechen. Sie leiden unter Versagensgefühlen und wagen nicht, über ihre wahren Gefühle zu reden und sich Hilfe zu holen. Stattdessen versuchen sie so lange wie möglich dem Bild der perfekten Mutter zu entsprechen, weshalb man im englischen Sprachgebrauch auch von „Smiling Depression“ spricht.

Das Wochenbett ist also eine hoch- sensible Zeit der Umstellung, in der die Mutter einen geschützten Rahmen benötigt. Sie sollte in dieser Zeit von allen weiteren Aufgaben entlastet und selbst bemuttert werden und die Möglichkeit zu ausreichend Schlaf erhalten.

Behandlungsansätze und Unterstützungsangebote

Die Möglichkeiten der Behandlung richten sich nach der Krankheitsform und deren Schwere. Bei einer leichten Erkrankungsform können schon Unterstützungsangebote wie Mütterpflegerinnen, Doulas, Familienhebammen, Frühe Hilfen etc. sowie begleitende Gespräche durch Schwangerschafts- oder psychosoziale Beratungsstellen helfen; meist reicht das aber nicht aus.

Dann sollte eine medikamentöse Begleittherapie durch den Facharzt oder die Fachärztin erfolgen. Es gibt schwangerschafts- und stillverträgliche Medikamente, zu denen sich behandelnde Fachpersonen über Internetportale (https://www. embryotox.de/ und https://repro tox.org/) oder entsprechender Fachliteratur (z. B. Rohde A, Schaefer C et al. Mutter werden mit psychischer Erkrankung: Von Kinderwunsch bis Elternschaft. Kohlhammer, 2023) informieren können.

Da viele betroffene Mütter unter permanenter Anspannung leben, haben sich Körpertherapien als große Hilfen erwiesen. Darüber hinaus ist aber vor allem eine Psychotherapie wichtig, um die Ursachen der peripartalen psychischen Erkrankung herauszufinden und auf- zuarbeiten. Dabei sind je nach Ursache der Erkrankungen verschiedenste Therapieformen hilfreich; häufig ist aber aufgrund einer als traumatisch erlebten Geburt eine Traumatherapie sehr sinnvoll. Bei schwererer Erkrankung können ambulante psychiatrische Pflege oder stationsäquivalente Behandlung (STÄB) helfen.

Die Behandlung einer sehr schweren postpartalen Depression mit Suizidgedanken oder einer postpartalen Psychose sollte stationär in einer psychiatrischen Fachklinik mit einer reinen Mutter-Kind-Station und gezielten Therapieangeboten, einschließlich einer Mutter-Kind-Interaktionstherapie, erfolgen. Solche Einrichtungen sind aber leider in Deutschland längst nicht ausreichend vorhanden, so dass es häufig zu einer Trennung von Mutter und Baby und damit einer Störung der beiderseitigen Bindung kommt.

Selbsthilfe und Aufklärung

In vielen Fällen kann Selbsthilfe und damit die bundesweite Selbsthilfe-Organisation „Schatten & Licht e. V. – Initiative peripartale psychische Erkrankungen“ helfen. Dieser gemeinnützige Verein wurde 1996 von betroffenen Frauen gegründet, wird mittlerweile etwa hälftig von Betroffenen und Fachpersonen getragen, verfügt über einen wissenschaftlichen Beirat und ist dem weltweiten Netzwerk PSI-Postpartum Support International (USA) und diversen medizinischen Fachgesellschaften, so auch der DGPFG, angeschlossen.

Da das Problemfeld der peripartalen psychischen Erkrankungen in Deutschland stark vernachlässigt wird, finden betroffene Mütter und ihre Familien keine oder nur unzureichende Hilfe. Dies zu ändern, ist Ziel des Vereins.

Hilfsangebote für betroffene Mütter und Angehörige

Als initiale Unterstützung können kostenfrei Plakate und Flyer vom Verein bezogen werden (▶ Abb. 1), auf denen die betroffenen Frauen erste Erläuterungen zum Krankheitsbild, den Selbsteinschätzungstest EPDS (Edinburgh Postnatal Depression Scale), Angebote zu Informationsmaterial und Kontaktdaten zu Geschäftsstelle, telefonischer Beratung und Website finden können.

Abb. 1: Infobroschüre des Schatten & Licht e. V. für von peripartalen psychischen Erkrankungen betroffene Personen.

Eine ebenfalls kostenfrei beim Ver- ein zu bestellende 48-seitige Bro- schüre erläutert Krankheitsbilder und Ursachen, gibt einen Überblick über die verschiedenen Hilfsmög- lichkeiten, beinhaltet Tipps für An- gehörige und Prävention und stellt mehrere Erfahrungsberichte be- troffener Mütter zur Verfügung, in deren Schilderungen sich die Lese- rinnen wiederfinden können. Ganz niedrigschwellig bietet der Verein eine Kontaktliste mit ehemals betroffenen Frauen an, die bereit sind, sich mit erkrankten Müttern auszutauschen, um diesen mit ihren eigenen Erfahrungen zu hel- fen. Damit ist ein flächendeckendes Hilfsnetz von ehemals betroffenen Frauen geschaffen, so dass die akut erkrankten Mütter sich nicht mehr isoliert fühlen müssen.

Eine Angehörigenliste, in die sich Ehepartner, Geschwister, Mütter und Väter von Betroffenen haben aufnehmen lassen, gibt Angehöri- gen geeignete Gesprächspartner an die Hand. Außerdem gibt es ei- ne Angehörigen-Beratung, kosten- freie Online-Angehörigen-Info- abende und eine Online-Väter- gruppe.

Selbsthilfegruppen und Beratung

Über 100 ehrenamtliche Beraterinnen und Berater, die vom Verein geschult und laufend fortgebildet werden, bieten kostenfreie Telefonberatung und teilweise auch Besuchsdienste an. Außerdem organisieren sie regionale Selbsthilfe- gruppen in Präsenz und online. Da- rüber hinaus bietet der Verein Online-Selbsthilfegruppen zu diversen Schwerpunkten an. Themen sind unter anderem Schwangerschaftsängste und -depressionen, postpartale Depression, postpartale Angst- und Zwangsstörung, postpartale Psychose, traumatische Geburt, Sternenkind-Eltern, Borderline-Mütter sowie selbst von postpartalen Depressionen betroffene Väter. Auch eine englischsprachige Online-Selbsthilfegruppe steht zur Verfügung.

In den Gruppen werden persönliche und therapeutische Erfahrungen sowie Informationen und Tipps ausgetauscht. Vor allem aber ist das Gespräch mit anderen betroffenen Müttern und Vätern, die aufgrund ihrer eigenen Erfahrung entsprechend glaubwürdig und hilfreich sind, sehr entlastend. Die Betroffenen fühlen sich nicht mehr so allein mit ihrer Erkrankung. Auch können in diesem Rahmen Zwangs- und Suizidgedanken leichter erstmals geäußert und Ängste vor Jugendamt, Fachärzten und Medikamenten abgebaut werden.

Informationsmaterial und Öffentlichkeitsarbeit

Um gute professionelle Anlaufstellen zu vermitteln, führt der Verein eine Fachleuteliste, in der zurzeit 2.150 Fachpersonen verschiedenster Berufsgruppen aufgeführt sind. Darunter finden sich neben Heilpraktik, Sozialpädagogik, Gynäkologie und Psychiatrie vor allem Fachpersonen aus der ärztlichen und psychologischen Psychotherapie, die sich auf die Behandlung von Müttern mit psychischen Krisen rund um die Geburt spezialisiert haben.

Darüber hinaus stellt der Verein ausführliche Informationen zur räumlichen, personellen und therapeutischen Ausstattung der über 60 Mutter-Kind-Einheiten an den psychiatrischen Kliniken in Deutschland zusammen, an denen die postpartal erkrankten Mütter mit ihren Kindern aufgenommen werden können.

Eine vom Verein geführte Literaturliste umfasst Bücher zu peripartalen Erkrankungen, Psychiatrie und Psychologie, Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit, Therapieformen für Kinder psychisch kranker Eltern und sonstige hilfreiche Literatur.

Tipps für Angehörige zum Umgang mit den erkrankten Müttern hel- fen, die familiäre Situation zu er- leichtern. Informationsmaterial zur Prävention lindert die Angst vor ei- ner erneuten Schwangerschaft.

ie sehr gut besuchte zweisprachige (deutsch und englisch) Website https://www.schatten-und-licht.de/ vermittelt zahlreiche Informationen zu Krankheitsbildern, Ursachen, Hilfsangeboten, Medikamenten, Therapieformen, Mutter-Kind-Einrichtungen und Prophylaxe sowie Listen zu Beratungsmöglichkeiten, Selbsthilfegruppen und Fachpersonen. Fragebögen zur Selbsteinschätzung, Literatur-, Film- und Podcast-Listen, hilfreiche Links, Er- fahrungsberichte und ein betreutes Forum runden das Angebot ab. Für viele Betroffene ist dieser anonyme Erfahrungsaustausch ein wichtiger Einstieg, sich die Erkrankung einzugestehen und sich Hilfe zu holen.

Darüber hinaus werden Fachpersonen verschiedenster Berufsgruppen bei Ausbildung, Forschung und Studien unterstützt. Der Verein bietet zudem Vorträge und Fortbildungen für die Öffentlichkeit und für Fachpersonen an. Sehr erfolgreich und regelmäßig werden zwölf verschiedene, jeweils fünfstündige OnlineSeminare rund um das Thema der peripartalen psychischen Erkrankungen angeboten, u. a. peripartale Depression, Angst-, Zwangsstörung, traumatische Geburt, Sternenkind, Krisengespräch, positive

Psychologie, Bindungsentwicklung, Stillen und peripartale Erkrankung, Väter mit peripartaler Depression.

Die Referentinnen des Vereins verfügen über eine langjährige Vortragsund Praxiserfahrung rund ums Thema der peripartalen psychischen Erkrankungen.

Durch Informationsstände, Medien und zunehmend auch Lobbyarbeit bringt der Verein das Problemfeld der peripartalen Erkrankungen der allgemeinen Öffentlichkeit, Fachpersonen und der Politik näher, um mehr Verständnis für die Problematik und damit langfristig mehr gesellschaftliche, finanzielle und gesundheitspolitische Unterstützung für die Betroffenen zu gewinnen.

Fazit für die Praxis

Mit diesem Artikel sollen Gynäkologinnen und Gynäkologen auf die Hilfsangebote des Vereins hingewiesen und ihnen die kostenfreie Zusendung von Infomaterial angeboten werden. Sehr gerne und dankend nimmt der Verein auch weitere Fachpersonen aus dem Bereich Gynäkologie in die Fachleuteliste auf. Die zugehörige Einwilligungserklärung findet sich auf der Website neben der Fachleuteliste. Damit kann die Arbeit der Organisation „Schatten & Licht e. V.“ unterstützt und den betroffenen Müttern geholfen werden.

Interessenskonflikte:

Die Autorin erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Empfehlungen des International Committee of Medical Journal Editors bestanden.

Korrespondenzadresse:

Sabine Surholt (M.A.)
Vorsitzende Schatten & Licht e. V. –Initiative peripartale psychische Erkrankungen
08293 965864
info@schatten-und-licht.de

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Slide Schatten & Licht e. V – Initiative peripartale psychische Erkrankungen Gyne 03/2025

Gyne 04/2025 – Statement zur Gewaltdebatte in der Geburtshilfe – Zwischen Nocebo und neuem Vertrauen

  • 30. November 2025
  • Gyne

Gyne 04/2025

Statement zur Gewaltdebatte in der Geburtshilfe – Zwischen Nocebo und neuem Vertrauen

Autor:

W. Lütje

Einleitung

Etwa 10–15 % der Mütter, also in Deutschland jährlich etwa 100.000, erleiden eine peripartale psychische Erkrankung. Zu diesen peripartalen psychischen Erkrankungsbildern ge- hören peripartale Depression, Angst-, Zwangsstörung und Psychose.

Formen und Symptome peripartaler psychischer Erkrankungen

Vielen Müttern werden die Anzei- chen des Babyblues vermittelt. Die- ses postpartale Stimmungstief tritt in den ersten 10–14 Tagen nach der Entbindung auf und sollte über die- sen Zeitraum nicht hinausgehen. 50–80 % aller Mütter leiden darun- ter. Typische Anzeichen sind:

  • Empfindsamkeit und Stim- mungsschwankungen
  • Traurigkeit und häufiges Wei- nen
  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Schlaf- und Ruhelosigkeit
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Ängstlichkeit und Reizbarkeit

Das postpartale Stimmungstief kann durch pflanzliche und ho- möopathische Medikamente und durch Fürsorge gelindert werden, bedarf aber nicht unbedingt einer Behandlung.

Dass es aber auch in der Schwan- gerschaft und sehr häufig nach der Geburt zu Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen kommen kann, die dringend einer Behand- lung bedürfen, ist den meisten Müttern nicht bewusst. Diese Krankheitsbilder können jederzeit in der Schwangerschaft oder im Laufe des ersten Jahres nach der Entbindung auftreten und mehre- re Wochen bis einige Monate an- dauern – sich ohne Behandlung so- gar chronifizieren. Da das Stillen depressionshemmend wirkt, kön- nen die Symptome hinausgezögert werden und erst mit dem Abstillen auftreten. Meistens hat der Krank- heitsverlauf eine schleichende Ent- wicklung und die ersten Anzeichen werden häufig nicht erkannt, da sie denen des Babyblues ähneln.

Zu den möglichen Symptomen des Babyblues kommen bei einer post- partalen Erkrankung Symptome hinzu. So etwa:

  • Schuldgefühle
  • inneres Leeregefühl, allgemeines Desinteresse, sexuelle Unlust
  • zwiespältige Gefühle dem Kind gegenüber
  • Konzentrations-, Appetit-,Schlafstörungen
  • Schwindel, Herzbeschwerden, andere psychosomatische Beschwerden
  • Ängste, extreme Reizbarkeit, Panikattacken, Zwangsgedanken
  • Suizid-, Infantizidgedanken

Die schwerwiegendste Reaktionsform ist die postpartale Psychose, auch Wochenbettpsychose. Sie tritt vorwiegend in den ersten zwei Wochen nach der Entbindung auf. Etwa 1–3 ‰ aller Mütter erleiden eine Psychose. Typische Symptome sind:

  • starke Antriebssteigerung, mo- torische Unruhe
  • Antriebs-, Bewegungs- und Teil- nahmslosigkeit
  • Verworrenheit, Wahnvorstellun- gen, Halluzinationen

Die Psychose bedarf unbedingt ei- ner stationären Behandlung, die vorübergehende Trennung von Mutter und Kind ist leider meist nicht zu vermeiden.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen für alle peripartalen psychischen Reaktionsformen sind vielfältig. Meistens führt nicht nur ein Auslöser, sondern das Zusammentreffen verschiedener Risikofaktoren zu einer peripartalen Überlastungsreaktion.

Begleitende Auslöser auf körperlicher Ebene können mangelnder Schlaf, Hormonumstellung, Mutter- tät und körperliche Erkrankungen wie z. B. Schilddrüsendysfunktion und Stoffwechselstörungen oder psychische Vorerkrankung sein.

Maßgeblich ist auch der Verlauf von Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbett. Wird eine dieser Phasen von der Mutter als belastend erlebt, kann dies ein Auslösefaktor sein. So sind Schwierigkeiten vor der Schwangerschaft, wie vorhergehende Fehlgeburt, langes Warten auf ein Wunschkind oder künstliche Befruchtung, genauso Risikofaktoren wie Schwierigkeiten in der Schwangerschaft, zum Bei- spiel in Form einer ungeplanten oder aufgrund vorzeitiger Wehen angstbeladenen Schwangerschaft.

Häufige Risikofaktoren bei der Entbindung sind eine frühzeitige oder langwierige Entbindung, ungewollter Kaiserschnitt, unsensible Behandlung oder Gewalt unter der Geburt oder eine anderweitig traumatische Entbindung. Auch die Verfassung des Kindes spielt eine Rolle. Eine Früh- oder gar Totgeburt, ein Schreibaby, Stillprobleme oder ungewolltes Abstillen belasten die Mutter enorm und führen zu Versagensgefühlen, die in eine Depression münden können.

Zudem sollte grundsätzlich bedacht werden, dass die Geburt eines Kindes eine gewaltige Umstellung für die Eltern bedeute. Diese Veränderungen müssen nicht nur physisch, sondern auch psychisch bewältigt werden: Abschied von der Schwangerschaft und der da- mit verbundenen Fürsorge, Ab- schied von der eigenen Kindheit,

Verlust der Freiheit und Selbstbestimmung, Abschied vom eigenbestimmten, strukturierten Berufsleben. Mitunter kommen noch andere belastende Umstände wie Tod oder Trennung von einem geliebten Menschen, Ortswechsel, finanzielle oder familiäre Probleme oder Probleme in der Partnerschaft dazu.

Auch die Beziehungen zu Partner oder Partnerin, zur eigenen Mut- ter, zu befreundeten Personen und zu Kolleginnen und Kollegen ändern sich. Und die auffangende Großfamilie gibt es nur noch sehr selten. Außerdem können traumatische Erlebnisse in der Kindheit wie früher Verlust der Eltern, Gewalterfahrung, Missbrauch oder das eigene schwierige Geburtserlebnis durch die Schwangerschaft und Geburt reaktiviert werden.

Ein zusätzlicher Auslösefaktor ist das in Werbung, Literatur und Me- dien völlig idealisierte Mutterbild . Dem Traumbild der allzeit lächeln- den, glücklichen, gepflegten Mut- ter können die Mütter nicht entsprechen. Sie leiden unter Versagensgefühlen und wagen nicht, über ihre wahren Gefühle zu reden und sich Hilfe zu holen. Stattdessen versuchen sie so lange wie möglich dem Bild der perfekten Mutter zu entsprechen, weshalb man im englischen Sprachgebrauch auch von „Smiling Depression“ spricht.

Das Wochenbett ist also eine hoch- sensible Zeit der Umstellung, in der die Mutter einen geschützten Rahmen benötigt. Sie sollte in dieser Zeit von allen weiteren Aufgaben entlastet und selbst bemuttert werden und die Möglichkeit zu ausreichend Schlaf erhalten.

Behandlungsansätze und Unterstützungsangebote

Die Möglichkeiten der Behandlung richten sich nach der Krankheitsform und deren Schwere. Bei einer leichten Erkrankungsform können schon Unterstützungsangebote wie Mütterpflegerinnen, Doulas, Familienhebammen, Frühe Hilfen etc. sowie begleitende Gespräche durch Schwangerschafts- oder psychosoziale Beratungsstellen helfen; meist reicht das aber nicht aus.

Dann sollte eine medikamentöse Begleittherapie durch den Facharzt oder die Fachärztin erfolgen. Es gibt schwangerschafts- und stillverträgliche Medikamente, zu denen sich behandelnde Fachpersonen über Internetportale (https://www. embryotox.de/ und https://repro tox.org/) oder entsprechender Fachliteratur (z. B. Rohde A, Schaefer C et al. Mutter werden mit psychischer Erkrankung: Von Kinderwunsch bis Elternschaft. Kohlhammer, 2023) informieren können.

Da viele betroffene Mütter unter permanenter Anspannung leben, haben sich Körpertherapien als große Hilfen erwiesen. Darüber hinaus ist aber vor allem eine Psychotherapie wichtig, um die Ursachen der peripartalen psychischen Erkrankung herauszufinden und auf- zuarbeiten. Dabei sind je nach Ursache der Erkrankungen verschiedenste Therapieformen hilfreich; häufig ist aber aufgrund einer als traumatisch erlebten Geburt eine Traumatherapie sehr sinnvoll. Bei schwererer Erkrankung können ambulante psychiatrische Pflege oder stationsäquivalente Behandlung (STÄB) helfen.

Die Behandlung einer sehr schweren postpartalen Depression mit Suizidgedanken oder einer postpartalen Psychose sollte stationär in einer psychiatrischen Fachklinik mit einer reinen Mutter-Kind-Station und gezielten Therapieangeboten, einschließlich einer Mutter-Kind-Interaktionstherapie, erfolgen. Solche Einrichtungen sind aber leider in Deutschland längst nicht ausreichend vorhanden, so dass es häufig zu einer Trennung von Mutter und Baby und damit einer Störung der beiderseitigen Bindung kommt.

Selbsthilfe und Aufklärung

In vielen Fällen kann Selbsthilfe und damit die bundesweite Selbsthilfe-Organisation „Schatten & Licht e. V. – Initiative peripartale psychische Erkrankungen“ helfen. Dieser gemeinnützige Verein wurde 1996 von betroffenen Frauen gegründet, wird mittlerweile etwa hälftig von Betroffenen und Fachpersonen getragen, verfügt über einen wissenschaftlichen Beirat und ist dem weltweiten Netzwerk PSI-Postpartum Support International (USA) und diversen medizinischen Fachgesellschaften, so auch der DGPFG, angeschlossen.

Da das Problemfeld der peripartalen psychischen Erkrankungen in Deutschland stark vernachlässigt wird, finden betroffene Mütter und ihre Familien keine oder nur unzureichende Hilfe. Dies zu ändern, ist Ziel des Vereins.

Hilfsangebote für betroffene Mütter und Angehörige

Als initiale Unterstützung können kostenfrei Plakate und Flyer vom Verein bezogen werden (▶ Abb. 1), auf denen die betroffenen Frauen erste Erläuterungen zum Krankheitsbild, den Selbsteinschätzungstest EPDS (Edinburgh Postnatal Depression Scale), Angebote zu Informationsmaterial und Kontaktdaten zu Geschäftsstelle, telefonischer Beratung und Website finden können.

Abb. 1: Infobroschüre des Schatten & Licht e. V. für von peripartalen psychischen Erkrankungen betroffene Personen.

Eine ebenfalls kostenfrei beim Ver- ein zu bestellende 48-seitige Bro- schüre erläutert Krankheitsbilder und Ursachen, gibt einen Überblick über die verschiedenen Hilfsmög- lichkeiten, beinhaltet Tipps für An- gehörige und Prävention und stellt mehrere Erfahrungsberichte be- troffener Mütter zur Verfügung, in deren Schilderungen sich die Lese- rinnen wiederfinden können. Ganz niedrigschwellig bietet der Verein eine Kontaktliste mit ehemals betroffenen Frauen an, die bereit sind, sich mit erkrankten Müttern auszutauschen, um diesen mit ihren eigenen Erfahrungen zu hel- fen. Damit ist ein flächendeckendes Hilfsnetz von ehemals betroffenen Frauen geschaffen, so dass die akut erkrankten Mütter sich nicht mehr isoliert fühlen müssen.

Eine Angehörigenliste, in die sich Ehepartner, Geschwister, Mütter und Väter von Betroffenen haben aufnehmen lassen, gibt Angehöri- gen geeignete Gesprächspartner an die Hand. Außerdem gibt es ei- ne Angehörigen-Beratung, kosten- freie Online-Angehörigen-Info- abende und eine Online-Väter- gruppe.

Selbsthilfegruppen und Beratung

Über 100 ehrenamtliche Beraterinnen und Berater, die vom Verein geschult und laufend fortgebildet werden, bieten kostenfreie Telefonberatung und teilweise auch Besuchsdienste an. Außerdem organisieren sie regionale Selbsthilfe- gruppen in Präsenz und online. Da- rüber hinaus bietet der Verein Online-Selbsthilfegruppen zu diversen Schwerpunkten an. Themen sind unter anderem Schwangerschaftsängste und -depressionen, postpartale Depression, postpartale Angst- und Zwangsstörung, postpartale Psychose, traumatische Geburt, Sternenkind-Eltern, Borderline-Mütter sowie selbst von postpartalen Depressionen betroffene Väter. Auch eine englischsprachige Online-Selbsthilfegruppe steht zur Verfügung.

In den Gruppen werden persönliche und therapeutische Erfahrungen sowie Informationen und Tipps ausgetauscht. Vor allem aber ist das Gespräch mit anderen betroffenen Müttern und Vätern, die aufgrund ihrer eigenen Erfahrung entsprechend glaubwürdig und hilfreich sind, sehr entlastend. Die Betroffenen fühlen sich nicht mehr so allein mit ihrer Erkrankung. Auch können in diesem Rahmen Zwangs- und Suizidgedanken leichter erstmals geäußert und Ängste vor Jugendamt, Fachärzten und Medikamenten abgebaut werden.

Informationsmaterial und Öffentlichkeitsarbeit

Um gute professionelle Anlaufstellen zu vermitteln, führt der Verein eine Fachleuteliste, in der zurzeit 2.150 Fachpersonen verschiedenster Berufsgruppen aufgeführt sind. Darunter finden sich neben Heilpraktik, Sozialpädagogik, Gynäkologie und Psychiatrie vor allem Fachpersonen aus der ärztlichen und psychologischen Psychotherapie, die sich auf die Behandlung von Müttern mit psychischen Krisen rund um die Geburt spezialisiert haben.

Darüber hinaus stellt der Verein ausführliche Informationen zur räumlichen, personellen und therapeutischen Ausstattung der über 60 Mutter-Kind-Einheiten an den psychiatrischen Kliniken in Deutschland zusammen, an denen die postpartal erkrankten Mütter mit ihren Kindern aufgenommen werden können.

Eine vom Verein geführte Literaturliste umfasst Bücher zu peripartalen Erkrankungen, Psychiatrie und Psychologie, Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit, Therapieformen für Kinder psychisch kranker Eltern und sonstige hilfreiche Literatur.

Tipps für Angehörige zum Umgang mit den erkrankten Müttern hel- fen, die familiäre Situation zu er- leichtern. Informationsmaterial zur Prävention lindert die Angst vor ei- ner erneuten Schwangerschaft.

ie sehr gut besuchte zweisprachige (deutsch und englisch) Website https://www.schatten-und-licht.de/ vermittelt zahlreiche Informationen zu Krankheitsbildern, Ursachen, Hilfsangeboten, Medikamenten, Therapieformen, Mutter-Kind-Einrichtungen und Prophylaxe sowie Listen zu Beratungsmöglichkeiten, Selbsthilfegruppen und Fachpersonen. Fragebögen zur Selbsteinschätzung, Literatur-, Film- und Podcast-Listen, hilfreiche Links, Er- fahrungsberichte und ein betreutes Forum runden das Angebot ab. Für viele Betroffene ist dieser anonyme Erfahrungsaustausch ein wichtiger Einstieg, sich die Erkrankung einzugestehen und sich Hilfe zu holen.

Darüber hinaus werden Fachpersonen verschiedenster Berufsgruppen bei Ausbildung, Forschung und Studien unterstützt. Der Verein bietet zudem Vorträge und Fortbildungen für die Öffentlichkeit und für Fachpersonen an. Sehr erfolgreich und regelmäßig werden zwölf verschiedene, jeweils fünfstündige OnlineSeminare rund um das Thema der peripartalen psychischen Erkrankungen angeboten, u. a. peripartale Depression, Angst-, Zwangsstörung, traumatische Geburt, Sternenkind, Krisengespräch, positive

Psychologie, Bindungsentwicklung, Stillen und peripartale Erkrankung, Väter mit peripartaler Depression.

Die Referentinnen des Vereins verfügen über eine langjährige Vortragsund Praxiserfahrung rund ums Thema der peripartalen psychischen Erkrankungen.

Durch Informationsstände, Medien und zunehmend auch Lobbyarbeit bringt der Verein das Problemfeld der peripartalen Erkrankungen der allgemeinen Öffentlichkeit, Fachpersonen und der Politik näher, um mehr Verständnis für die Problematik und damit langfristig mehr gesellschaftliche, finanzielle und gesundheitspolitische Unterstützung für die Betroffenen zu gewinnen.

Fazit für die Praxis

Mit diesem Artikel sollen Gynäkologinnen und Gynäkologen auf die Hilfsangebote des Vereins hingewiesen und ihnen die kostenfreie Zusendung von Infomaterial angeboten werden. Sehr gerne und dankend nimmt der Verein auch weitere Fachpersonen aus dem Bereich Gynäkologie in die Fachleuteliste auf. Die zugehörige Einwilligungserklärung findet sich auf der Website neben der Fachleuteliste. Damit kann die Arbeit der Organisation „Schatten & Licht e. V.“ unterstützt und den betroffenen Müttern geholfen werden.

Interessenskonflikte:

Die Autorin erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Empfehlungen des International Committee of Medical Journal Editors bestanden.

Korrespondenzadresse:

Sabine Surholt (M.A.)
Vorsitzende Schatten & Licht e. V. –Initiative peripartale psychische Erkrankungen
08293 965864
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Slide Statement zur Gewaltdebatte in der Geburtshilfe – Zwischen Nocebo und neuem Vertrauen Gyne 04/2025

Gyne 05/2025 – Beitrag der Hebamme zur Versorgungsqualität bei Schwangerschaftsabbrüchen

  • 30. November 2025
  • Gyne

Gyne 05/2025

Beitrag der Hebamme zur Versorgungsqualität bei Schwangerschaftsabbrüchen

Autorin:

A. Köbke

Einleitung

Die direkte Verbindung von Hebammen und Schwangerschaftsabbrüchen ist oft nicht ersichtlich, da meist Ärztinnen und Ärzte eingebunden sind. In der Praxis ist das Thema aber unter anderem durch die medizinisch indizierten späten Schwangerschaftsabbrüche im klinischen Setting präsent. Beruflich ist die Autorin dieses Beitrags mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch bereits in ihrer Ausbildung 1991 konfrontiert worden. Damals wie heute sind Handlungsanweisungen wünschenswert, die Sicherheit bieten – basierend auf einem gesellschaftlichen Konsens, auf den sich alle Gesundheitsberufe stützen können.

Bis heute stehen wir vor der Frage, wie das Recht auf und die medizinische Versorgung von Schwangerschaftsabbrüchen aussehen können. Im Folgenden soll auf die gegenwärtige und zukünftig mögliche Rolle von Hebammen und Geburtshelfern eingegangen werden. Auch internationale Forderungen sowie die jeweiligen Positionen der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO), des internationalen Hebammenverbands (International Council of Midwives, ICM) und des Deutschen Hebammenverbands e. V. (DHV) werden dabei mit einbezogen.

Die stärkere Einbindung von Hebammen in die Versorgung rund um Schwangerschaftsabbrüche ist nicht nur eine Erweiterung der Versorgungskompetenz, sondern auch eine Antwort auf zunehmende Herausforderungen im Gesundheitssystem, wie den Mangel an ärztlichem Personal und die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung. Auch die Qualität und Effizienz der Betreuung von Patientinnen können verbessert werden.

Juristische Grundlagen [1]

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland für alle Beteiligten straffrei, wenn er nach der Beratungsregelung erfolgt (§ 218a Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB)) oder wenn es einen medizinischen oder kriminologischen Grund für den Abbruch gibt (§ 218a Absatz 2 und 3 StGB).

Bei einem Abbruch nach der Beratungsregelung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Schwangere, die den Ein-griff verlangt, muss sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen.
  • Sie hat der Ärztin oder dem Arzt, die oder der den Eingriff vornehmen soll, eine Beratungsbescheinigung über das stattgefundene Beratungsgespräch vorzulegen.
  • Eine Ärztin oder ein Arzt muss den Schwangerschaftsabbruch innerhalb von zwölf Wochen p. c. vornehmen. Es darf sich dabei nicht um dieselbe Person handeln, die das Beratungs gespräch geführt hat.
  • Ein medizinischer Grund für einen Schwangerschafts abbruch liegt vor, wenn für die Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes besteht (= sogenannte medizinische Indikation). In diesem Fall bleibt ein Abbruch auch nach der 14. Schwangerschaftswoche straffrei.

Ausgangslage: Versorgungslücken, Zugang und rechtlicher Rahmen

Die Versorgung rund um den Schwangerschaftsabbruch sollte für alle Frauen wohnortnah, barrierearm und qualitativ hochwertig zugänglich sein. Im deutschen Gesundheitssystem erschweren jedoch gesetzliche Beschränkungen und die Einbindung von Schwangerschaftsabbrüchen ins Strafgesetzbuch (§ 218 StGB) einen diskriminierungsfreien Zugang und ein diskriminierungsfreies  Angebot.

Der Schwangerschaftsabbruch ist als einzige medizinische Versorgungsleistung im Strafgesetzbuch geregelt, damit ist er kein selbstverständlicher Teil einer medizinischen Versorgungsleistung. Weder bis zur zwölften Schwangerschaftswoche (SSW) p. c., noch darüber hinaus, wenn im Rahmen der Pränataldiagnostik Befunde zu der Entscheidung einer Schwangerschaftsbeendigung führen.

Hebammen und Schwangerschaftsabbruch

Hebammen sind ausgebildete Expertinnen und von Familienplanung über Schwangerschaft und Geburt bis in das Wochenbett hinein involviert (▶ Abb. 1). Sie sind vertraute Ansprechpersonen für Frauen in allen Bereichen der reproduktiven Gesundheit, sind niedrigschwellig und aufsuchend tätig. Sie bringen umfangreiche Kenntnisse in Beratung, Begleitung, Wochenbettbetreuung und psychosozialer Unterstützung mit. Die Nähe zu den betreuten Familien sowie ein hoher Vertrauensvorschuss machen Hebammen zum prädestinierten      medizinischen Fachberuf in der Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen.

Abb. 1: Einsatzorte der Hebamme im Betreuungsbogen. Darstellung der außerklinischen und klinischen Settings sowie der jeweiligen Aufgabenbereiche der Hebamme in den verschiedenen Phasen der Betreuung. © Deutscher Hebammenverband

 

Rolle der Hebamme in der  Gesundheitsversorgung und beim Schwangerschaftsabbruch nach WHO

Hebammen sind nach WHO-Verständnis tragende Säulen für eine evidenzbasierte, frauenorientierte Gesundheitsversorgung – inklusive der Begleitung beim Schwangerschaftsabbruch. In der „Abortion Care Guideline“ [2] von 2022 fordert die WHO explizit ein, dass Hebammen – sofern anhand entsprechender nationaler Gesetze geschult und autorisiert – eine Kernrolle bei der sicheren Versorgung rund um den Schwangerschaftsabbruch einnehmen sollen. Die WHO betrachtet sichere Schwangerschaftsabbrüche als grundlegenden Bereich der reproduktiven Gesundheitsversorgung.

Entsprechend der WHO-Richtlinien sollen Hebammen medizinische Abbrüche im ersten Trimester (Medikamentengabe) und ggf. instrumentelle Verfahren eigenständig durchführen können. In Frankreich ist dies bereits tägliche Praxis. Studien zeigen, dass der Schwangerschaftsabbruch sicher und effektiv ist, wenn Hebammen fundiert geschult sind. Die WHO fordert deshalb, Hebammen ausreichend auszubilden und zu befähigen, sämtliche Aufgaben im Kontext des Schwangerschaftsabbruchs kompetent und ohne Angst vor Diskriminierung oder Kriminalisierung auszuüben. Sie werden als wichtige Ansprechpartnerinnen und Schnittstelle im Gesundheitssystem betrachtet, um Patientinnen Rechte und Versorgungsoptionen verständlich zu erklären und deren Entscheidungsautonomie zu fördern. Konkret empfiehlt die WHO, Hebammen aktiv einzubinden und die Zusammenarbeit zu stärken.

Rolle der Hebamme beim Schwangerschaftsabbruch nach ICM

Der ICM hat aktuell ein überarbeitetes Positionspapier zur Rolle der Hebamme beim Schwangerschaftsabbruch herausgebracht. Er definiert die Rolle der Hebamme als zentralen Bestandteil einer umfassenden und sicheren Versorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Hebammen sollen in alle Phasen des Schwangerschaftsabbruchs eingebunden sein, um eine evidenzbasierte, menschenrechtsorientierte Versorgung zu erbringen und zu gewährleisten (▶ Infobox. 1).

Infobox 1: Zentrale Aufgaben und Kompetenzen der Hebammen im Kontext des Schwangerschaftsabbruchs nach ICM:

–            Beratung und Informationsvermittlung: Hebammen informieren über Behandlungsmethoden und deren Risiken und unterstützen bei der Entscheidungsfindung

–            Durchführung von medikamentösen und instrumentellen Abbrüchen im Rahmen ihrer fachlichen Kompetenzen und der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben

–            Betreuung nach dem Abbruch: Versorgung bei Komplikationen, Beratung zur Empfängnisverhütung und psychosoziale Unterstützung

–            Ermöglichung und Begleitung von Selbstmanagement-Ansätzen, etwa beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch oder selbstbestimmter Empfängnisverhütung

Darüber hinaus betont der ICM das Recht von Hebammen, Schwangerschaftsabbrüche zu begleiten und     durchzuführen, ohne Angst vor Diskriminierung, Bedrohung oder strafrechtlicher Verfolgung. Diesen Vorgaben entsprechende Schutzregelungen durch Arbeitgeber, Gesundheits- und Rechtssysteme sind laut ICM unabdingbar, um die fachgerechte Versorgung zu gewährleisten.

Schwangerschaftsabbrüche mit Beratungsregelung nach § 218 bis zur zwölften SSW p. c.

Der Deutsche Hebammenverband und internationale Leitlinien (z. B. WHO, ICM) sprechen sich zunehmend dafür aus, dass Hebammen – im Sinne einer verbesserten Versorgungslage und Entkriminalisierung – künftig auch medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche in der Frühschwangerschaft durchführen dürfen. Voraussetzung dafür wären eine Anpassung der rechtlichen und berufsrechtlichen Rahmen bedingungen sowie eine entsprechende Erweiterung der Aus- und Weiterbildung.

In Ländern wie Nepal, Schweden, Frankreich und Südafrika [3] ist es Hebammen erlaubt, medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche selbstständig von der Beratungsleistung bis zur Verordnung und der Ausgabe entsprechender Medikamente durchzuführen. Nach der Anpassung der „Differenzierten strukturellen Anforderungen“ [4] für Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen bestehen geringe organisatorische Hürden für die Durchführung eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruch in Deutschland [4]. Es wären eine Anpassung des Beruferechts und eine entsprechende Wissens- und Kompetenzvermittlung im Studium notwendig, um Hebammen effektiv in diese Versorgung einzubinden. Analog zu Frankreich ist eine Ausbildung zur Ausführung von instrumentellen Abbrüchen denkbar.

Schwangerschaftsabbrüche nach medizinischer Indikation nach zwölfter SSW p. c.

Im Falle der Begleitung medizinisch induzierter Abbrüche sind Hebammen in der ambulanten und stationären Versorgung in großen Pränatalzentren bereits eingebunden und nehmen eine wichtige Schnittstelle ein. Die Tätigkeitsfelder auf Pränatalstationen und in Pränatalambulanzen sind automatisch mit Schwangerschaftsabbrüchen verwoben. Schwangere kommen hierher zur generellen Pränataldiagnostik, zur Abklärung auffälliger Befunde oder aufgrund von Schwangerschaftsabbrüchen aus medizinischer Indikation. Folgende Aufgabenbereiche werden bereits von Hebammen wahrgenommen und/oder sind denkbar (▶ Tab. 1).

Tab. 1: Aufgabenbereiche, die im Kontext des Schwangerschaftsabbruchs auf Pränatalstationen und in Pränatal ambulanzen bereits von Hebammen wahrgenommen werden und/oder denkbar sind.

Mögliche Aufgabenbereiche von  Hebammen bei Schwangerschaftsabbrüchen mit medizinischer Indikation

  • Anamnese
  • Übergabe und Besprechung ärztlicher Dienst
  • Abklärung und Assistenz bei der
  • Klärung von akuten Beschwerden
  • Interdisziplinäre Entwicklung eines Therapieplans
  • begleitende psychosoziale Unterstützung
  • Durchführung oder Assistenz bei Ultraschalluntersuchungen
  • Teilnahme an der Ethikkommission
  • Unterstützung der Angehörigen
  • Assistenz beim Fetozid
  • Betreuung und Begleitung der Geburt
  • Begleitung und Assistenz im OP

Die dauerhafte Anwesenheit der Hebamme auf Pränatalstationen macht sie zu einer zentralen Ansprechpartnerin und Schnittstelle zwischen Patientin und ärztlichem Dienst. Der Mangel an ärztlichem Personal verstärkt die Notwendigkeit, die Kompetenzen der Hebammen für die stationäre Versorgung zu nutzen und zu erweitern. Im Rahmen der Vollakademisierung ist eine Spezialisierung auf Pränatalberatung, traumasensible Begleitung oder Ultraschalldiagnostik im Rahmen von Masterstudiengängen für Hebammen naheliegend und perspektivisch sehr wünschenswert.

Rolle der Hebamme bei  auffälligen Befunden in der Pränataldiagnostik und späten Schwangerschaftsabbrüchen

Pränataldiagnostik ist für viele Schwangere heute fester Bestandteil der Schwangerschaftsvorsorge und wird von den meisten Paaren selbstverständlich angenommen. Zum Teil ist den Betroffenen der Unterschied zwischen Vorsorgeleistungen und Pränataldiagnostik nicht bewusst [5]. Ein auffälliger pränataldiagnostischer Befund stellt die Betroffenen oft vor existenzielle Entscheidungen, insbesondere wenn ein medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbruch erwogen werden muss. Gerade in dieser hochsensiblen Phase sind  eine umfassende Begleitung und professionelle Beratung essenziell – hier nimmt die Hebamme eine spezifische und absolut unverzichtbare Rolle ein.

Hebammen sind bereits heute in Pränatalambulanzen und geburtshilflichen Einrichtungen aktiv an der Beratung und Betreuung im Kontext auffälliger Ergebnisse der Pränataldiagnostik beteiligt. Ihre Aufgabe umfasst nicht nur die verständliche Aufklärung über Möglichkeiten, Grenzen und Konsequenzen pränataldiagnostischer Verfahren, sondern auch die psychosoziale Unterstützung während der Entscheidungsfindung und im weiteren Verlauf. Falls gewünscht oder notwendig, übernehmen sie zudem die Begleitung und Assistenz beim medikamentösen oder instrumentellen Spätabbruch.

Unklare Versorgungspfade

Die besonderen Herausforderungen beginnen für viele Schwangere und ihre medizinische Betreuung bei einem auffälligen Befund, ohne dass für die weitere Versorgung ein strukturierter Behandlungspfad existiert. Es ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit, dass die Institutionen, die pränatale Diagnostik anbieten, auch eine weiterführende medizinische Versorgung gewährleisten oder vermitteln. Schwangere, bei denen ein auffälliger Befund festgestellt wird und die sich auf dieser Grundlage für einen Abbruch entscheiden, werden häufig mit der Organisation ihrer weiteren Versorgung – der Suche nach einem geeigneten Zentrum für einen späten Schwangerschaftsabbruch – alleingelassen.

Gerade für diese Frauen und Paare stellt dies eine erhebliche zusätzliche psychische Belastung dar, zusätzlich zu der ohnehin krisenhaften Situation. Für Hebammen bedeutet diese Versorgungsrealität, dass sie die Frauen zwar fachlich kompetent beraten, begleiten und beim Schwangerschaftsabbruch unterstützen, jedoch vielfach zwischen den Schnittstellen verloren gehen.

Ohne geregelte Versorgungspfade bleibt auch für sie die Betreuung fragmentiert. Gleichzeitig ist der professionelle Umgang mit späten

Schwangerschaftsabbrüchen hochbelastend – emotional wie ethisch. Hebammen können hier essenziell sein, indem sie medizinisch-assistierend tätig sind. Darüber hinaus sorgen sie durch kontinuierliche, psychosoziale Präsenz für Stabilität, Orientierung und Entlastung.

Forderung

Um die Lücken zwischen Pränataldiagnostik und Versorgung von Schwangeren nach auffälligen Befunden zu schließen, muss eine rechtsverbindliche Vorgabe existieren, die alle Einrichtungen, die Pränataldiagnostik anbieten, verpflichtet, Versorgungspfade für Frauen mit auffälligen Befunden sicherzustellen – inklusive einer strukturierten Überleitung in geeignete Zentren für Schwangerschaftsabbrüche im Falle einer entsprechenden Entscheidung der Frau. Nur so kann gewährleistet werden, dass betroffene Schwangere nahtlos psychosozial, medizinisch, ärztlich und hebammenfachlich begleitet werden – ohne dass sie in einer Ausnahmesituation  allein nach passenden Versorgungsstrukturen suchen müssen.

Die Hebamme als Expertin der reproduktiven Gesundheit

Hebammen sind vertraute Ansprechpersonen für Frauen in allen Phasen der reproduktiven Gesundheit. Sie bringen umfangreiche Kenntnisse in Beratung, Begleitung, Wochenbettbetreuung und psychosozialer Unterstützung mit. Die Nähe zu den betreuten Familien sowie ein hoher Vertrauensvorschuss machen Hebammen zu zentralen Akteurinnen, auch in der Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen.

Hebammen können – entsprechende Weiterbildung vorausgesetzt – sicher sowohl medikamentöse als auch chirurgische Schwangerschaftsabbrüche begleiten und durchführen. Internationale Studiendaten und Leitlinien bestätigen die Sicherheit und Akzeptanz dieser Versorgung durch Hebammen, solange eine adäquate Notfallversorgung s ichergestellt ist. Eine vertrauensvolle, interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Hebammen ist selbstverständlich die Grundvoraussetzung dafür.

Voraussetzungen und Perspektiven für Deutschland

Für eine Erweiterung der Hebammenrolle sind folgende Schritte unerlässlich:

  • Änderung des Hebammen -gesetzes, der Berufsordnungen und Klärung der Vergütungs fragen
  • Anpassung der Ausbildungs- und Weiterbildungsinhalte an neue Aufgabenfelder
  • Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und Entfernung der Versorgung aus dem Strafgesetzbuch
  • Aufbau von Netzwerken und interprofessionellen Kooperationsstrukturen
  • Etablierung von Qualitätsstan-dards und klaren Handlungspfaden für die Zusammenarbeit aller beteiligten Berufsgruppen

Empfehlungen an Politik, Berufsverbände und die Praxis

Analog zu den Forderungen des ICM lassen sich diese wie folgt auf Deutschland übertragen:

Auf politischer Ebene: Entkriminalisierung des Schwangerschafts abbruchs, Schutz der Hebammen sowie rechtlicher Rahmen für deren Tätigkeit im gesamten Spektrum der Abbruchversorgung, Änderung des Berufegesetzes.

Auf berufspolitischer Ebene: Einsatz für die Erweiterung der Hebammenaufgaben im Betreuungsbogen, Einsatz für eine Anpassung der Studieninhalte, Forderung für umfangreiche praktische Ausbildungsangebote, Unterstützung der Kolleginnen und Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit.

Auf praktischer Ebene: Förderung von interprofessioneller Zusammenarbeit und Netzwerken sowie Sicherstellung einer individuellen, informierten und würdevollen Betreuung der Schwangeren, Festschreibung von regionalen Versorgungsangeboten und Versorgungspfaden.

Fazit

Die Integration von Hebammen in die Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch ist eine logische Konsequenz aus internationalen Erkenntnissen von WHO und ICM, den gestiegenen Versorgungsansprüchen und dem demografischen Wandel. Hebammen bieten wohnortnahe, niedrigschwellige und ganzheitliche Unterstützung, die Versorgungslücken schließt und die Rechte sowie das Wohlergehen der Frauen stärken kann. Entkriminalisierung, gesetzliche Rahmenbedingungen und verantwortungsvolle Kooperation zwischen Ärzteschaft und Hebammen sind dafür Voraussetzung.

Literatur:

  1. Schwangerschaftsabbruch (Abtreibung). BMBFSFJ. (https://www. bmfsfj.de). Zugegriffen: 15.09.2025
  2. Abortion care guideline. Geneva: World Health Organization; 2022. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO. (https://www.who.int/publications/ i/item/9789240039483). Zugegriffen: 20.07.2025
  3. Fullerton J, Butler MM, Aman C, Reid T, Dowler M. Abortion-related care and the role of the midwife: a global perspective. Int J Womens Health 2018; 10: 751–762
  4. Differenzierte Anforderungen an Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Gemeinsamer Bundesausschuss. (https://www.g-ba.de/service/fachnews/206/)
  5. Mertens C. Der Informiertheitsgrad schwangerer Frauen im Vorfeld von Pränataldiagnostik am Beispiel des Bonner Modellprojektes „Psychosoziale Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik“. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: 2009

 

Interessenskonflikte:

Die Autorin erklärt, dass sie Mitglied im Präsidium des Deutschen Hebammenvereins e. V. ist.

Korrespondenzadresse:

Andrea Köbke
Beirätin für den Angestelltenbereich
Mitglied im Präsidium Deutscher Hebammenverband e. V.
Lietzenburger Straße 53, 10719 Berlin
01523 1914096
koebke@hebammenverband.de

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Slide Beitrag der Hebamme zur Versorgungsqualität bei Schwangerschaftsabbrüchen Gyne 05/2025

Gyne 06/2025 – Versorgungsbedarfe von ungewollt Schwangeren in vulnerablen Lebenslagen

  • 6. Dezember 2025
  • Gyne

Gyne 06/2025

Versorgungsbedarfe von ungewollt Schwangeren in vulnerablen Lebenslagen

Autorinnen:

P. J. Brzank, D. Jepsen

Hintergrund der Fokussierung

Die Studie „Erfahrungen und Lebenslagen von ungewollt Schwangeren – Angebote der Beratung und Versorgung“ (ELSA) erfasste im Forschungsverbund mit MethodenMix die sozialen und gesundheitlichen Belastungen und Ressourcen der Frauen mit dem Ziel, empirisch basiert Empfehlungen für die Verbesserung der Unterstützung und Versorgung von Frauen mit ungewollter Schwangerschaft (uS) abzuleiten [1]. Das Teilprojekt für vulnerable Gruppen (ELSA-VG) der Hochschule Nordhausen fokussierte schwangere Frauen mit Migrationsbiografie (MIG) und/oder Gewalt in der Paarbeziehung (GiP) in der Schwangerschaft. Nachfolgend werden für die medizinische Versorgung relevante Erkenntnisse vorgestellt. Besondere Lebenslagen provozieren Vulnerabilität. Das Risiko einer uS ist erhöht, zur Verfügung stehende Ressourcen und deren Nutzung werden gemindert und die Handlungsfähigkeit der ungewollt Schwangeren ist beschränkt.

Personen mit MIG sind grundsätzlich sehr divers (Herkunftsland, Kultur, Tradition, Biografie, Status, Migrationsmotiv). Dennoch ist bei ihnen meist ein schlechterer Gesundheitszustand zu beobachten als bei Personen ohne MIG [2]. Durch die eigene oder familiäre Migrationsbiografie haben sie zudem meist ähnliche Erfahrungen im Beratungs- und Versorgungssystem gemacht.

Zwischen GiP und uS sowie Schwangerschaftsabbruch (SAB) ist eine Wechselbeziehung belegt. GiP kann eine uS verursachen – durch reproduktive Kontrolle oder Nötigung, Verhütungssabotage oder Zwang zur Schwangerschaft, durch Vergewaltigung oder die Beeinflussung der Entscheidung. Umgekehrt kann eine Schwangerschaft GiP auslösen oder zur Eskalation führen. Der gewalttätige Partner kann die Schwangerschaft zur Stabilisierung seiner Kontrolle nutzen.

Studienpopulation

Die Gesamtstichprobe für beide Gruppen bestand aus n = 5.101 Frauen mit gewollter und ungewollter Schwangerschaft aus einer Einwohnermeldestichprobe sowie Sonderstichproben [1].

Frauen mit Migrationsbiografie

24,4 % der befragten Frauen hatten eine MIG. 6,7 % dieser Frauen berichten, dass Flucht oder Asyl sie zum Verlassen ihres Herkunftslandes gebracht hatten. Zur ersten Generation, also nicht in Deutschland geboren, gehörten 59,7 % der befragten Frauen mit MIG. 40,0 % gehörten zur zweiten Generation (in Deutschland geboren). 66,3 % der Befragten besitzen die deutsche und 40,1 % eine andere oder mehrere Staatsangehörigkeiten.

Die Migration nach Deutschland war bei 37,9 % aus familiären Gründen erfolgt, bei 19,9 % zur Arbeitsaufnahme und bei 12,4 % zu Studien- oder Ausbildungszwecken. Unter den Frauen ohne deutsche Staatsangehörigkeit hatten die meisten eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis.

Frauen mit Gewalt in der Paarbeziehung während der Schwangerschaft

6,5 % der Gesamtstichprobe aus gewollt und ungewollt Schwangeren und 13,8 % der ungewollt Schwangeren berichteten über mindestens eine Gewaltform während der Schwangerschaft. Am häufigsten waren psychische und physische Gewalt. Es zeigte sich eine hohe Überschneidung von physischer, psychischer und sexueller Gewalt.

 

Die Mehrzahl der betroffenen Frauen (74,6 %) hatte bereits vor der Fokusschwangerschaft (FS) erstmals GiP erlitten, 16,8 % während der FS zum ersten Mal. Die FS führte in diesen Fällen also zu Gewalt. Nach Bekanntwerden der FS verringerte sich bei 25,1 % die Gewalt, bei 45,6 % blieb sie gleich und bei 29,3 % trat sie häufiger auf. Unterschiede zeigen sich in verschiedenen Aspekten im Hinblick auf den Kontext der FS.

Signifikant sind die Unterschiede zwischen den Frauen mit bzw. ohne GiP hinsichtlich der Gewolltheit sowie dem Ausgang der FS. Anhand dieser Gruppenunterschiede ergibt sich eine fünffach höhere Wahrscheinlichkeit für eine uS als Folge von sexualisierter Gewalt (OR [Odds Ratio] = 5,6; 95 %-KI [Konfidenzintervall] = 4,3–7,1) und eine dreifach höhere Wahrscheinlichkeit für den SAB (OR = 3,039; 95 %-KI = 2,3–3,9). Obwohl 8 % der Frauen angaben, dass die FS das Resultat von erzwungenem Sex war, gab keine Frau einen SAB gemäß kriminologischer Indikation an.

Lebenslage

Die Lebenslage der Zielgruppen ist im Vergleich zur gesamten Studienpopulation als prekärer einzustufen.

Innerhalb der Gruppe der Frauen mit MIG zeigten sich signifikante soziodemografische Unterschiede – meist ohne große Effektstärke zwischen ihnen und Frauen ohne MIG sowie bei ihren Partnern. Der Fokus lag auf Bildungsabschlüssen, hauptsächlicher Tätigkeit vor der Schwangerschaft und Erwerbsumfang. Folglich beziehen Frauen mit MIG häufiger staatliche Transferleistungen.

Frauen mit GiP in der Schwangerschaft unterscheiden sich signifikant im Hinblick auf Bildungsabschluss, Erwerbssituation, Erwerbsumfang während der Schwangerschaft sowie Bezug staatlicher Transferleistungen während der Schwangerschaft. Ihre finanzielle Situation hätte sich mit einem weiteren Kind häufiger verschärft oder die Wohnsituation verschlechtert. Häufiger berichten sie von verschiedenen Formen von Kindheitstraumata sowie psychischen Problemen oder Diagnosen.

Eine prekäre Lebenslage ist meist nicht die Ursache, sondern die Folge von GiP [3]. Die große Mehrzahl aller Frauen befand sich in einer Paarbeziehung, gleichwohl war diese bei ihnen signifikant häufiger durch größere Instabilität gekennzeichnet Ihre Beziehung war öfter in einer starken Krise. Der Partner hatte eine zwiespältige Einstellung zur FS oder sie war Anlass für Streit und Stress. Die Frauen berichteten bei der Feststellung der FS signifikant seltener von positiven Gefühlen (Freude/Glücksgefühle; Zuversicht, dass alles gut wird) und stattdessen häufiger von negativen Gefühlen (Sorge vor den Reaktionen nahestehender Personen, Zukunftsängste, Sorgen wegen der Lebensumstände, Unsicherheit, Überforderung, Schuld, Scham, Selbstvorwürfe, Erschrecken, Verzweiflung, Stress, Genervtsein). Die Akzeptanz der FS war signifikant häufiger eingeschränkt.

Erfahrungen in der medizinischen Versorgung

Frauen mit MIG unterscheiden sich im Hinblick auf die Behandlung kaum von den Frauen ohne MIG. Allerdings benennen sie häufiger Unsicherheiten in der I nformationssuche zu einer uS. Sie wissen häufiger nicht, wo sie  suchen sollen oder die gefundenen Informationen verunsichern sie. Der Wunsch nach Geheimhaltung der uS ist größer, sodass viele Frauen mit MIG nicht ihre feste gynäkologische Praxis aufsuchen – oder erst gar keine feste Praxis haben.

Insgesamt finden sich Frauen mit MIG im Beratungs- und Versorgungssystem zurecht, allerdings besteht Bedarf an verständlichen, zum Teil muttersprachlichen Informationen über eine (ungewollte) Schwangerschaft. Häufiger wünschen sie sich Unterstützung bei uS und SAB.

Obwohl das Gespräch mit Fachärztin oder -arzt mehrheitlich als gut bewertet wird, belastet es jede dritte Frau und jede fünfte erhielt ungebeten Informationen, beispielsweise zur Familienplanung (Verhütung, Kinderwunsch). Seltener wurde den Frauen das Ultraschallbild ungefragt gezeigt.

Frauen mit MIG berichten im Vergleich zur gesamten Studienpopulation seltener von freundlicher, respektvoller und einfühlsamer Versorgung. Entscheidend für ihre Wahl der SAB-Einrichtung waren schnelle Terminvergabe, gute Erreichbarkeit und Anonymität. Bei den Frauen mit MIG wurde der Abbruch häufiger frühzeitig (bis zur siebten Schwangerschaftswoche) durchgeführt und ihnen entstand seltener Zeitdruck durch lange Entscheidungsfindung als Frauen ohne MIG.

Frauen mit GiP berichteten im Vergleich mit der Gesamtstudienpopulation häufiger von nicht gewahrter Privatsphäre bei der Schwangerschaftsfeststellung in der Praxis. Außerdem davon, dass ihre Meinung nicht respektiert wurde, die fachärztliche Begleitung zu wenig Zeit hatte und sie kein Vertrauen in diese fanden. Zudem erhielten sie häufiger ungebetene Informationen zur Geburt sowie zur möglichen Abgabe des Kindes, Adoption und vertraulicher Geburt. Die Behandlung durch das medizinische Personal beschreiben sie im Vergleich seltener als respektvoll, freundlich/einfühlsam, neutral/sachlich. Stattdessen wurde die Behandlung häufiger als unfreundlich empfunden und die Patientinnen wurden häufiger mit Vorwürfen konfrontiert und zum Austragen der FS angehalten.

Erschreckend hoch ist der Anteil an Frauen beider Gruppen mit stark belastenden Gefühlen wie Scham/Schuld,         Selbstvorwürfe, Verzweiflung oder Stress.

Entscheidungsfindung

Frauen mit GiP entschieden über den Ausgang der uS oft unter sehr hohem Zeitdruck, was häufig auf die späte Feststellung der uS und Wartezeiten auf einen Termin lag. Sie entschieden häufiger ohne den Partner zu informieren, berichten aber auch häufiger, dass der Partner die Entscheidung traf. Insgesamt waren ihre Entscheidungsmöglichkeiten stark eingeschränkt.

Die Entscheidungsfindung wurde bei den Vergleichsgruppen kaum durch die Beratung oder die Bedenkzeit beeinflusst.

Gesundheitliche Selbsteinschätzung

Frauen mit MIG schätzen im Vergleich zur Gesamtheit der Studienteilnehmerinnen sowohl ihre psychische als auch körperliche Gesundheit signifikant schlechter ein – dies zu allen drei erfragten Zeitpunkten (vor / während / drei Monate nach Ausgang der Schwangerschaft). Der psychische Zustand innerhalb der Gruppe mit MIG variierte nicht signifikant zwischen dem Zeitpunkt vor und nach der Schwangerschaft. Folglich besteht kein statistischer Zusammenhang zwischen einem SAB und einer schlechteren psychischen Gesundheit. Nach einem SAB ging es den Frauen mit MIG körperlich signifikant besser.

Frauen mit GiP bewerten ihre psychische Gesundheit schlechter als die Vergleichsgruppe. Ihre Gesundheit nach Abbruch/Austragen der uS verbessert sich jedoch deutlich stärker und nahm innerhalb dieser Gruppe den höchsten Wert im Vergleich der drei Zeitpunkte ein (▶ Abb. 4). Ein negativer Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und einem SAB kann statistisch nicht belegt werden.

Fazit

Für Frauen mit MIG zeigten sich keine relevanten Unterschiede in Prävalenz und Erleben einer uS sowie eines SAB; dies weist auf eine Stichprobenverzerrung hin. In Beratung und Versorgung sind muttersprachliche Informationen und ein respektvoller Umgang wichtig, der dem Wunsch nach Geheimhaltung der uS entspricht. Eine paternalistische Beziehung, die Frauen mit MIG nicht als gleichwertig und selbstbestimmt wahrnimmt, ist zu vermeiden.

Frauen mit GiP haben ein deutlich erhöhtes Risiko für uS und SAB. Ihre sozialen und ökonomischen Lebenslagen sind prekärer; soziale Isolation verstärkt die Vulnerabilität dieser Frauen. Beratungsstellen haben für sie einen größeren Stellenwert. Ihre Entscheidungsmöglichkeiten sind stark eingeschränkt; Beratung und Versorgung müssen Entscheidungen ernst nehmen.

Im Vergleich zeigten sich größere Bedarfe an sensibler Unterstützung und Versorgung. Bei beiden Zielgruppen wird die Informationsbeschaffung häufiger durch die Angst beeinträchtigt, negativ beurteilt zu werden. Für die Frauen mit GiP zeichnet sich ein großes Dilemma ab. Bei Ihnen besteht ein erhöhter Bedarf durch:

  1. Hohes Risiko für uS und SAB
  2. soziale Isolation durch GiP
  3. Größere Bedeutung von Beratungsstellen sowie Beratung in der Gesundheitsversorgung

Gleichzeitig ist der offene Austausch erschwert durch:

  1. Gesellschaftliches Verschweigen von GiP
  2. Tabuisierung und Stigmatisierung von uS sowie SAB
  3. Idealisierung von Schwanger-schaft und Mutterschaft

Dieses Dilemma macht von GiP betroffene Frauen zu einer schwer erreichbaren Zielgruppe. Schuld, Scham, Angst vor dem gewalttätigen Partner und seiner Kontrolle, Isolation und das Verwehren medizinischer/psychosozialer Versorgung erschweren dies noch weiter.

Grundsätzlich ist eine Schwangerschaft eine Umbruchsituation und betroffene Frauen sind offener für sensible Ansprache. Die gesundheitliche Vorsorge bietet besondere Interventions- und Präventions chancen gemäß des S.I.G.N.A.L. Interventionsprogramms. Hierbei ist ein sensibles Ansprechen von Gewalt ohne Schuldzuweisung zu beachten. Die Frauen sollen gestärkt aus der Beratung hervorgehen. Die Voraussetzung hierfür sind eine Sensibilisierung und das Aneignen von Fachwissen. Die Istanbul-Konvention bietet hierfür die rechtliche Grundlage.

Gewalt ist kein Schicksal, sondern kann verhindert werden.
Etienne Krug, 2008

Interessenkonflikte:

Die Autorin erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Empfehlungen des International Committee of Medical  Journal Editors bestanden.

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Petra J. Brzank, Dipl. Soz, MPH
Hochschule Nordhausen Weinberghof 4, 99734 Nordhausen
petra.brzank@hs-nordhausen.de

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