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Gyne 04/2022

Der schwangere Vater – Zur medizinischen Versorgung von schwangeren Transmännern und nicht-binären schwangeren Personen

Autor:

Nathan Mehring

Glossar

Trans: Überbegriff für Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Auch nicht-binäre Identitäten können unter dem Begriff Trans gefasst werden.
Cis: Menschen, deren Identität mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.
Transmann: Auch FtM (Female toMale). Ein Mann, der bei seiner Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurde.
Transfrau: Auch MtF (Male toFemale). Eine Frau, die bei ihrer Geburt dem männlichen Geschlecht zugeordnet wurde.
Genderqueer/Nicht-binär: Beide Begriffe werden als eigene Identitätsbezeichnung, aber auch als Überbegriff für weitere Identitäten verwendet. Nicht-binäre Menschen identifizieren sich weder als Mann noch als Frau. Beispiele für nicht-binäre Identitäten sind genderfluid, bigender, pangender, agender, demigirl, demiboy, neutrois und viele weitere.
Dysphorie: Psychischer Schmerz angesichts des eigenen Körpers, oft besonders auf die Geschlechtsmerkmale bezogen. Nicht alle transidenten Menschen empfinden im gleichen Maße oder überhaupt Körperdysphorie.
Misgendern: Die Verwendung der falschen Pronomen und Anrede. Dies wird von vielen Transmenschen als sehr belastend erlebt.
Unterstrich_ und Gendersternchen*: Beide Schreibweisen wollen zeigen, dass nicht nur binäre Identitäten gemeint sind. Bei Patient*innen und Ärzt_innen sind also auch nicht-binäre Menschen mitgedacht. Häufig wird auch ein Sternchen nach trans* geschrieben, um besonders deutlich zu machen, dass der Begriff eine Vielzahl unterschiedlicher Identitäten unter sich vereint. Also nicht nur Transmänner und Transfrauen, sondern auch alle nicht-binären Identitäten.
Testosterontherapie: Transmänner erhalten ihr Testosteron entweder als intramuskuläre Depotspritze oder als Testosterongel. Das Gel wird täglich aufgetragen, das Depotpräparat muss alle paar Wochen erneuert werden. Die Dosierung kann individuell unterschiedlich ausfallen.  

Nicht nur Mütter waren schwanger [1]

In der öffentlichen Wahrnehmung“ „sind schwangere Männer etwas Außergewöhnliches und werden von vielen als „nichtnormal“ angesehen. Insbesondere wird gerne auf die Neuartigkeit des Phänomens hingewiesen und dass es „früher so was ja nicht gab“. Dabei wird oft vergessen, dass Transmenschen sich noch bis vor zehn Jahren sterilisieren lassenmussten, um ihren Personenstand nach dem Transsexuellengesetz (TSG) offiziell ändern zu können. Erst 2011 er- diese Art der Zwangssterilisation für verfassungswidrig [2].

Es ist also vielmehr so, dass Transmänner und nicht- binäre Menschen auch schon früher Kinder geboren haben, nur blieb ihnen die rechtliche Anerkennung ihrer Identität verwehrt. Auch nach Abschaffung der Zwangssterilisation schreibt das TSG im Prinzip weiterhin vor, dass bei Geburt eines Kindes durcheinen Mann dessen Personenstandsänderung widerrufen wird, da er ja eindeutig eine Frau sei, wenn er ein Kind geboren habe [3]. Aktuell gelangt diese Regelung allerdings nicht mehr zur Anwendung. Obwohl heute rechtliche Männer Kinder gebären können, ist das Abstammungsrecht noch immer nicht angeglichen, sodass die gebärenden Väterweiterhin als Mutter und mit einemrechtlich nichtmehr existenten Vornamen in der Geburtsurkunde ihrer Kinder stehen. Dies ist nicht nur schmerzlich für die Betroffenen, sondern führt auch zu Komplikationen im Alltag, da jede Vorlage der Geburtsurkunde des Kindes (z. B. bei der Anmeldung im Kindergarten) zu einem Zwangsouting führt. Zur mangelnden öffentlichen Wahrnehmung trägt außerdem bei, dass sich manche nicht-binäre Menschen und Transmänner aus Angst vor Diskriminierung dem medizinischen Personal gegenüber nicht outen.

Schwanger werden

Die Möglichkeiten schwanger zu werden oder ein Kind zu zeugen, sind für Trans- und nicht-binäre Menschen vor allem davon abhängig, in welcher Beziehungskonstellation sie leben und welche reproduktiven Organe in dieser Beziehungskonstellation (noch) vorhanden sind. Eine Transition kann unterschiedliche Schritte beinhalten: Personenstandsänderung, Hormontherapie, Logopädie und Phonochirurgie, Epilation, Adamsapfelkorrektur, Operationen im Brust- und Genitalbereich und gesichtsfeminisierende Operationen. Nicht jeder Mensch, der transitioniert, möchte alle diese Schritte gehen. Ein Teil der Transmänner entscheidet sich, seine reproduktiven Organe zu behalten. Manche in Hinblick auf eine zukünftige Familienplanung, andere auch einfach, weil sie keine Dysphorie aufgrund ihrer reproduktiven Organe empfinden und eine Operation vermeiden wollen. Die aktuelle AWMF Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: Diagnostik, Beratung, Behandlung“ empfiehlt ausdrücklich, dass Transpersonen vor Beginn körperverändernder Maßnahmen über die Möglichkeiten, Grenzen und Risiken der Reproduktionsmedizin informiert werden sollen [4].

Es gibt also Transmänner, die ohne reproduktionsmedizinische Unterstützung schwanger werden können, manche auch in ihrer Beziehung. Sollte zuvor eine Testosterontherapie begonnen worden sein, muss diese vor einer Schwangerschaft unbedingt abgesetzt werden. Testosteron verhindert vor allem in den ersten Monaten der Einnahme zwar keine Schwangerschaft, wirkt aber teratogen auf den Embryo. Bei bereits länger bestehender Hormontherapiemit Testosteron setzt meist innerhalb von drei bis zwölf Monaten eine Amenorrhoe ein [5]. Wie schnell sich nach Absetzen von Testosteron wieder eine regelmäßige Periodenblutung einstellt, ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Zum Teil schon vier Wochen nach Beendigung der Hormontherapie, manchmal aber auch erst nach mehreren Monaten. Transmänner, die in Beziehungen ohne die Möglichkeit einer spontanen Schwangerschaft leben oder diebeschließen, alleine Elternteil zu werden, brauchen Unterstützung bei der Umsetzung ihres Kinderwunsches. Ihre Situation gleicht dann der vieler lesbischer Paare oder Single-Mütter, die entweder auf eine private Samenspende zurückgreifen oder mithilfe einer Samenbank eine Insemination versuchen. Da in Deutschland seit 2018 mit dem Samenspenderregistergesetz [6] die Lieferung von Sperma an Privatpersonen unmöglich geworden ist, sind die potenziellen Eltern oder der potenzielle Elternteil auf Unterstützung durch medizinisches Fachpersonal angewiesen. Die häufigste und einfachste Form der assistierten Reproduktion in diesem Kontext ist die intrauterine Insemination.

Gibt es über die Familienkonstellation hinaus weitere Gründe für eine Unfruchtbarkeit, kommt auch eine In-Vitro-Fertilisation in Frage. Die Abklärung der Unfruchtbarkeit sollte dann nach üblichem Schema erfolgen. Bei Überweisung von Patienten ans Kinderwunschzentrum oder ins Krankenhaus ist es eventuell sinnvoll, den Patienten dort vorher telefonisch anzukündigen, um Diskriminierungserfahrungen vorzubeugen.

Schwangerschaftsvorsorge

Gynäkologische Praxen sind für viele Transmenschen schwierige Orte. Kam der werdende Vater nicht schon bei der Planung der Schwangerschaft mit dem Gesundheitswesen in Kontakt, ist spätestens bei Eintritt einer Schwangerschaft eine Vorstellung in einer gynäkologischen Praxis oder bei einer Hebamme unvermeidlich. Gerade die erste Vorstellung in der Praxis ist häufig mit viel Angst vor Diskriminierung verbunden. Viele Transmänner meiden deshalb vor der Schwangerschaft medizinische Behandlungen [7]. Eine Schwangerschaft ist für viele Menschen eine Phase der besonderen Vulnerabilität. Es ist also besonders wichtig, dem betreuten Patienten eine akzeptierende und wohlwollende Grundhaltung zu signalisieren. Gerade die Verwendung des gewählten Namens und Pronomens sollte unbedingt respektiert werden. Unangebrachte Fragen, die keine medizinische Relevanz haben, sondern nur die persönliche Neugierde befriedigen, sollten vermieden werden. Auch das Praxispersonal sollte entsprechend angewiesen und geschult werden. Wenn der Patient eine andere Anrede wünscht, als diejenige, die dem auf der Krankenkassenkarte hinterlegtem Geschlecht entspricht, sollte dieses in der Patientenakte vermerkt werden.

Der erste Termin sollte genutzt werden, um ein Vertrauensverhältnis zwischen der betreuenden Frauenärztin und dem Patienten zu etablieren. Vor jeder Untersuchung sollte das Einverständnis des Patienten eingeholt werden. Es ist auch hilfreich, dem Patienten den Sinn und Zweck der jeweiligen Untersuchung zu erklären, damit für ihn nicht der Eindruck entsteht, nur das Objekt medizinischer Neugierde zu sein. Eventuell können Alternativen zu unangenehmen Untersuchungen angeboten werden. Bei schlanken Patienten ist eine Sonographie von abdominal auch in frühen Schwangerschaftswochen häufig ausreichend.

Bei einer notwendigen gynäkologischen Untersuchung kann dem Patienten angeboten werden, diese auf den nächsten Termin zu verschieben. Kann der Patient selber über den Zeitpunkt der Untersuchung entscheiden, fühlt sich die Transmänner erhalten ihr Testosteron entweder als intramuskuläre Depotspritze oder als Testosterongel. Das Gel wird täglich aufgetragen, das Depotpräparat muss alle paar Wochen erneuert werden. Die Dosierung kann individuell unterschiedlich ausfallen. Situation weniger fremdbestimmt an. Manche Transmänner fühlen sich sehr unwohl, wenn ihre Körperteile mit den Namen weiblicher Geschlechtsorgane benannt werden. Es hilft, den Patienten am Anfang zu fragen, mit welchen Bezeichnungen der Geschlechtsorgane er sich am wohlsten fühlt (z. B. Uterus statt Gebärmutter).

Im weiteren Verlauf der Vorsorgen können auch die Vorstellungen und Wünsche des Patienten in Hinblick auf die Geburt erfragt werden. Ängste und Sorgen sollten thematisiert werden, um diese wenn möglich abzubauen oder dem Patienten zu ermöglichen, konstruktive Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Eine wichtige Ressource kann die Begleitperson bei der Geburt sein. Der Patient sollte ermutigt werden, vorab mit seiner Begleitperson zu besprechen, welche Unterstützung er sich von ihr wünscht, zum Beispiel bei Misgendern durch das Klinikpersonal. Diese Sorgen auslagern zu können, kann helfen, sich ganz auf die Geburt einzulassen. Aufgrund der mangelnden Zeit in der Praxis für die psychosoziale Begleitung kann es eventuell sinnvoll sein, dem Patienten zusätzlich eine Hebammenbegleitung, auch für die Zeit vor der Geburt, zu empfehlen.

Abrechnung der Schwangerschaftsvorsorge

Mit Wirkung zum 1. Juli 2019 trat die Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EMB) in Kraft, welche die Abrechnung von geschlechtsspezifischen Gebührenordnungspositionen auch bei Transsexualität ermöglicht [8]. Es ist seitdem möglich, die Leistungen der Schwangerschaftsvorsorge auch bei Männern abzurechnen, dabei muss als Begründung der ICD-10- Code für Transsexualität angegeben werden.

Geburt

Was für die Schwangerschaftsvorsorge gilt, ist natürlich auch bei der Geburtsbegleitung unverzichtbar: Der Respekt vor der Identität des betreuten Schwangeren und die bestmögliche medizinische und emotionale Betreuung. Der angestrebte Geburtsmodus ist auch bei Transmännern eine individuelle Entscheidung.

Wochenbett und Stillzeit

Eine wichtige Frage für viele Transmänner ist es, wann sie nach der Geburt wieder mit einer Hormonbehandlung anfangen können. Leider gibt es hierzu wenige verlässliche Daten, häufig wird jedoch ein Zeitraum von sechs Wochen oder drei Monaten genannt [9]. Kann und will der Vater stillen, muss das Ende der Stillzeit abgewartet werden. Bei den Applikationsformen empfiehlt sich postpartal eher die intramuskuläre Applikation als Depotpräparat. Bei der täglichen transdermalen Applikation als Gel besteht bei mangelnder Vorsicht die Gefahr der Übertragung auf das Neugeborene.

Ist der gebärende Vater nicht mastektomiert, kann er selbstverständlich stillen, wenn er dies möchte. Nach einer Mastektomie mit freier Nippeltransplantation ist das Stillen meist nicht möglich, da die Milchgänge durchtrennt wurden. Da jedoch immer ein Rest Drüsengewebe erhalten wird, kann es trotzdem zu einem schmerzhaften Milcheinschuss kommen. Der Patient sollte dann über die verschiedenen Methoden des primären Abstillens beraten werden. Wurden die Nippel bei der Mastektomie nicht transplantiert, ist Stillen eventuell möglich, da immer ein Rest von Drüsengewebe vorhanden ist und die Milchgänge zum Teil erhalten sind [10]. Jedoch ist die Milchmenge wahrscheinlich nicht ausreichend. In diesem Fall kann ein Brusternährungsset helfen, wenn der Wunsch zu stillen besteht. Die Beratung einer speziell ausgebildeten Stillberaterin kann hierbei zusätzlich hilfreich sein. Auch der nicht-gebärende Elternteil kann eventuell durch induzierte Laktation stillen. Da dies wenig bekannt ist und einer ausreichenden Vorbereitungszeit bedarf, sollte das Paar schon in der Schwangerschaft auf diese Möglichkeit hingewiesen werden. Dabei kann theoretisch jede Person mit Brüsten stillen, also auch Transfrauen [11], wenn sie bereits eine Hormontherapie begonnen haben und darunter ein Brustwachstum stattgefunden hat. Die Stimulation erfolgt durch regelmäßiges Abpumpen über mehrere Wochen und gegebenenfalls einer medikamentösen Unterstützung mit Domperidon. Zusätzlich ist vorher eine hormonelle Vorbereitung der Brust mit der Antibabypille möglich, jedoch nicht Voraussetzung. Für weitere Details ist insbesondere das Protokoll der Canadian Breastfeeding Foundation empfehlenswert [12].

Fazit

Transmenschen erhoffen sich von ihren betreuenden Ärzt*innen dasselbe wie alle anderen Patient*innen auch: eine fachlich gute Betreuung und einen empathischen menschlichen Umgang. Aufgrund bereits erlebter Diskriminierungen können manche Transmenschen misstrauisch gegenüber dem Gesundheitspersonal sein. Bemühen sich jedoch beide Seiten um einen offenen Umgang mit Unsicherheiten und Fragen, kann sich ein vertrauensvolles Ärztin-Patienten-Verhältnis entwickeln. Grundvoraussetzung ist in jedem Fall eine akzeptierende Haltung der Ärztin, welche die Identität des Patienten nicht in Frage stellt.

Bei vielen Ärzt*innen bestehen auch Unsicherheiten bezüglich der Rechtslage. In keinem Bundeslandmachen sich Ärzt*innen strafbar, wenn sie lesbische, alleinstehende oder Transmenschen in ihrem Kinderwunsch unterstützen. Rechtsunsicherheit besteht vielmehr für Transeltern und nicht-gebärende Eltern ohne männlichen Personenstand, die im aktuellen Abstammungsrecht nicht adäquat abgebildet werden. Es steht zu hoffen, dass die amtierende Regierung die im Koalitionsvertrag [ 21] versprochene Reform des Abstammungsrechts bald umsetzt.

Gesetzliche Regelungen in Deutschland

Abstammungsrecht: Die gebärende Person ist die Mutter und wird als solche in der Geburtsurkunde des Kindes eingetragen [13]. Transmänner werden, auch nach vollzogener Personenstandsänderung, mit ihrem Geburtsvornamen in die Geburtsurkunde ihres Kindes eingetragen. Der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratete Mann ist der rechtliche Vater [14]. Gebärt ein Transmann ein Kind und ist mit einer Frau verheiratet, muss diese (genau wie bei lesbischen Paaren) das Kind adoptieren. Eine „Mutterschaftsanerkennung“ äquivalent zur Vaterschaftsanerkennung bei nicht verheirateten hetero-cis Paaren existiert bislang nicht [15,16].
TSG: Das 1981 eingeführte Transsexuellengesetz ermöglicht die Personenstands- und Vornamensänderung von einem Geschlecht zu einem anderen. Voraussetzung ist ein Antrag beim Amtsgericht, welches zwei psychiatrische Gutachten beauftragt. Das TSG sah auch bis 2011 die „dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit“ als Voraussetzung an. In den letzten Jahren wurde am TSG vermehrt kritisiert, dass es Transmenschen pathologisiert, veraltete Geschlechterrollen reproduziert und eine übertriebene finanzielle und zeitliche Hürde darstellt [17].
Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben: Dieses 2018 eingeführte Gesetz führte als dritten Geschlechtseintrag divers ein. Seitdem besteht die Möglichkeit, mit einem einfachen ärztlichen Attest, welches eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ attestiert, den eigenen Vornamen und Personenstand ändern zu lassen. Vom Gesetzgeber war die Anwendung des Gesetzes nur auf intersexuelle Menschen vorgesehen, jedoch wird es auch von Transmenschen genutzt, da es im Vergleich zum TSG mit viel weniger Hürden verbunden ist [18]. Selbstbestimmungsgesetz: Ein solches existiert bisher nicht. Es wurde bereits im Mai 2021 von den Grünen imBundestag eingereicht, von der damaligen Koalition jedoch abgelehnt. Die aktuelle Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag die Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes in Aussicht gestellt. Dieses sieht die Abschaffung des TSG und die Möglichkeit einer Vornamens- und Personenstandsänderung durch einen einfachen Antrag beim Standesamt vor [19].
Zulässigkeit der künstlichen Befruchtung bei Transmännern: Das Embryonenschutzgesetz unterscheidet nicht danach, ob die Person, bei der eine künstliche Befruchtung vorgenommen wird, in einer gleichgeschlechtlichen oder verschiedengeschlechtlichen Partnerschaft lebt. Über Transmänner wird sich nicht explizit geäußert. Häufige Bedenken bestehen bei Mediziner*innen aufgrund der ärztlichen Berufsordnung der jeweiligen Landesärztekammern, da diese in der Vergangenheit zum Teil eine künstliche Befruchtung bei lesbischen Paaren und Singlefrauen untersagt haben. Dies ist jedoch nicht mehr der Fall. Eine ausführliche Auflistung der genauen Rechtslage in den einzelnen Bundesländern findet sich auf der Website des Lesben-undSchwulenverbandes [20]. Weder die Bundesärztekammer noch die jeweiligen Landesärztekammern untersagen eine künstliche Befruchtung bei lesbischen Paaren oder Singlefrauen. Über Transmänner wird auch hier keine Aussage getroffen. Die Entscheidung liegt also alleine beidemjeweiligen Reproduktionsmediziner und eine standesrechtliche Verfolgung muss nicht befürchtet werden.

Fallbeispiel Alex L.

Der 34-jährige Alex L. stellt sich in der 7. SSW zum ersten Mal in der Frauenarztpraxis vor. Mit 23 Jahren stellte er sich erstmals mit dem Wunsch nach einer Transition bei seiner Psychotherapeutin vor und beantragte zeitgleich seine Namens- und Personenstandsänderung beim Amtsgericht. Ein halbes Jahr später begann er mit der Testosterontherapie und zwei Jahre später erfolgte die Mastektomie. Er lebt nun seit fünf Jahren in einer festen Partnerschaft mit einem Cis-Mann. Da sich beide Männer ein gemeinsames Kind wünschen, hat Alex L. vor acht Monaten seine Testosterontherapie abgesetzt. Nach drei Monaten bekam er wieder einen regelmäßigen Zyklus und wurde nochmals drei Monate später von seinem Partner schwanger. Bei der ersten Vorstellung in der Frauenarztpraxis erscheint er sehr angespannt. Die Gynäkologin nimmt sich Zeit, um auf seine Fragen einzugehen und bietet ihm dann an, zunächst einen Ultraschall über den Bauch zumachen. Sie stellt eine intakte intrauterine Gravidität fest. Alex L. ist am Ende des Termins deutlich entspannter.

Anamnese: IIG 0P, Z.n. 1x Schwangerschaftsabbruch vor zwölf Jahren, Z.n. Mastektomie vor neun Jahren.

Verlauf: Nach dem ersten Termin fühlt sich Alex L. deutlich sicherer in der behandelnden Frauenarztpraxis und sucht diese auch weiterhin für jede zweite Vorsorgeuntersuchung auf. Parallel hat er eine Hebamme gefunden, die ihn und seinen Partner durch die Schwangerschaft begleitet und dieanderenVorsorgeuntersuchungendurchführt.BisaufeineHyperemesis im ersten Trimester gestaltet sich der Schwangerschaftsverlauf komplikationslos. Für die Geburt entscheidet sich Alex L. ins nahegelegene Geburtshaus zu gehen, da er sich dort mit seiner Transidentität besser aufgehoben fühlt als in der örtlichen Universitätsklinik. Es kommt zum komplikationslosen Spontanpartus. Die beiden Väter nennen ihre Tochter Madita.

Zusammenfassung

In den letzten Jahren hat die mediale Berichterstattung und damit auch die Sichtbarkeit von Transmenschen stark zugenommen. Auch Schwangerschaften von Transmännern wurden zum Teil in den Medien rezensiert. Dabei geht es selten über eine sensationsheischende Darstellung hinaus. Gerade auch medizinischem Fachpersonal fehlt es häufig an Wissen und Verständnis, um Transmenschen respektvoll und medizinisch korrekt zu begleiten. Der vorliegende Artikel leistet einen Beitrag, dies zu verbessern. Insbesondere geht es um die Schwangerschaft von Transmännern. Dabei sind immer alle Menschen gemeint, die sich nicht als Frau identifizieren und schwanger werden können, also auch nicht- binäre Menschen. Wurden die Geschlechtsorgane bei der Transition erhalten, können Transmänner nach Absetzen der Hormontherapie in der Regel problemlos schwanger werden. Je nach BeziehungskonstellationkönnenaucheineSamenspendeundeineassistierte Reproduktion notwendig werden. Die medizinische Betreuung in der Schwangerschaft unterscheidet sich nicht grundlegend von der Schwangerschaftsvorsorge bei Frauen, jedoch sollte besonders darauf geachtet werden, die Identität des Schwangeren zu respektieren.

Schlüsselwörter: Trans* – nicht-binär – genderqueer – Elternschaft – Abstammungsrecht – TSG– assistierte Reproduktion

 

Summary

The pregnant father – on medical care für pregnant trans men and non-binary pregnant individuals
N. Mehring

In recent years,media reporting and thus the visibility of trans people has increased significantly. Pregnancies of transmen were also partially reviewed in the media, although it rarely goes beyond a sensational presentation. Medical professionals often lack the knowledge and understanding to accompany trans people in a respectful and medically correct manner [22]. This article contributes toimprovingthedescribed situation. In particular, it is about the pregnancy of trans men, including all people who do not identify themselves as women but can become pregnant. If the sexual organs were preserved during the transition, transmen can usually become pregnant without anyproblems after stopping hormone therapy. Depending on the relationship constellation, sperm donation and assisted reproduction may be necessary. Medical care during pregnancy is not fundamentally different from prenatal care for women, but special care should be taken to respect the identity of the pregnant individual. Last but not least, many fathers who give birth suffer from the current law of descent, which prevents them from appearing as the father and with their valid first name on their child’s birth certificate.

Keywords: trans* –non-binary –genderqueer –parenthood–parental right – TSG– assisted reproduction

Interessenkonflikt:

Der Autor erklärt, dass bei der Erstellung des Beitrags kein Interessenkonflikt im Sinne der Empfehlung des International Committee of Medical Journal Editors bestand.

Korrespondenzadresse:
Nathan Mehring
Assistenzarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Bürgerhospital Frankfurt
Nibelungenallee 37–41
60318 Frankfurt
nathan.mehring@icloud.com

Der Autor führt Seminare zum professionellen Umgang mit transidenten Menschen in der gynäkologischen Versorgung durch. Zuvor war er jahrelang in der Antidiskriminierungsarbeit zu geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung bei SCHLAU Frankfurt aktiv.

 

 

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